Lehren des Staufer-Opens

Philipp Wenninger und meine Wenigkeit nahmen den weiten Weg nach Schwäbisch Gmünd auf sich, um sich von ein paar GMs und IMs verkloppen zu lassen – zumindest war der Plan bei uns beiden, überhaupt mal gegen einige Titelträger zu spielen, schließlich war das Turnier sowohl in der Breite (220 Teilnehmer im A-Open) als auch in der Spitze (12 GMs, 12 IMs – wobei der junge IM Jorden van Foreest (16 Jahre alt, 2541 Elo) schon seine drei GM-Normen hat, nur wurde ihm noch nicht der Titel verliehen – und 21 FMs, davon 2 WFM) sehr stark besetzt.
Was ich vom 2. bis zum 6. Januar gelernt habe?

1. Spontaneität ist gut
Es ist Neujahr, um 13:35 Uhr leuchtet mein Handydisplay auf und ich sehe eine WhatsApp-Nachricht von Philipp Wenninger:
PW: „Staufer? Zieh dir mal die Voranmeldeliste rein *Lachsmileys* “
Ich: „Krass hahahaha“
Ich: „Hast ne Übernachtungsmöglichkeit da?“
PW: „Würde pendeln :)“
Ich: „Fährst du? Weil dann bin ich auf jeden Fall dabei“
PW: „Ja ich fahre“
Ich: „Fett“
So plant man Teilnahmen an größeren Schachturnieren! Da wir beide die Zeit und die Motivation hatten, war auch das Pendeln nach Gmünd kein Problem, das Turnier war in der Form zu reizvoll.

2. Beschleunigtes Schweizer System ist schlecht
Beim „beschleunigten“ Schweizer System werden die Paarungen nicht nach Hälftenbildung, sondern sozusagen nach „Viertelbildung“. Das erste Viertel der Setzliste spielt dann gegen das zweite, das dritte gegen das vierte.
Leute wie Philipp bekommen dann Gegner mit einer Zahl von 2140 vorgesetzt, die vor allem mit Schwarz nicht gerade Kanonenfutter sind. Wir kennen das ja anders und erwarten immer 1800er in der ersten Runde zum „Warmspielen“. Philipp konnte auch nur ein Remis erreichen.
Ich dafür bekam es gleich mal mit GM Roland Schmaltz zu tun. Natürlich wollte ich gegen solche Leute spielen – in der 1. Runde ins kalte Wasser geworfen werden war jedoch auch nicht mein Plan. Nunja, ich stand zwar zwischenzeitlich klar besser, aber in der Zeitnot hab ich selbst das Remis noch verdaddelt.
Das System hat den kuriosen Nebeneffekt, dass in der 3. Runde Spieler mit einer Zahl von 18-1900 an den ersten Brettern gegen Leute mit 2400-2500 spielen.

3. Patzen ist in diesem Turniermodus noch schlechter als sonst
Man kennt’s ja, man patzt und erhofft sich dann einen bedeutend schlechteren Gegner, den man dann mit dem eigenen, unendlichen Skill gnadenlos überspielen kann.
Im beschleunigten Schweizer System gibt’s das nicht. Verliert man die 1. Runde (für mich ist das Einstellen einer guten Stellung selbst gegen einen GM ein Patzer) und ist dann Elo-Favorit, so erhält man einen „virtuellen Punkt“ und wird dementsprechend gegen schwächere Leute mit einem Punkt gelost, obwohl man null Punkte hat. So kam ich in der zweiten Runde gegen Vadim Reimche (2050 Elo), der dafür bekannt ist, stärkeren Spielern mal ein Schnippchen zu schlagen. Zwar stand ich eigentlich klar besser (Mehrbauer ohne großartige Kompensation), sah dann in Zeitnot irgendwelche Gespenster und stellte die Partie komplett ein.
Habe ich schon erwähnt, dass dieses System Schwachsinn ist?

4. Schwäbisch Gmünd ist ein kulinarisches Niemandsland
1. Runde vorbei.
„Lass‘ mal Mittag essen“.
So liefen wir durch Gmünd.
Und wir entdeckten nichts außer „Enes Kebab“ – schreiben sie auch noch meinen Namen falsch…der Döner war an sich nichts Besonderes. Philipp: „Nie wieder…“. So drastisch hätte ich es nicht ausgedrückt, aber wie gesagt, berauschend war es nicht.
Nach der zweiten Runde auf dem Heimweg:
„Oh cool, McDonald’s!“
Zweiter Tag. „Wo essen wir Mittag? Gibt’s hier einen Subway?“ – „In Aalen, 30 km weit weg…“ – „Mhhh…naja. Hab nicht schon wieder Lust auf McDonald’s…“
Dritter Tag. „Ne, heute keine Lust auf McDonald’s, lass mal durch die Stadt“.
Wir entdeckten einen Laden namens „Kochlöffel“. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass das eine Kopie von McDonald’s war…es gab so ziemlich die gleichen Sachen. Und Currywurst. Leider aus Schweinefleisch.
Thomas Tschlatscher (war als Zuschauer da), abends in Heilbronn angekommen: „Ey, Lust auf McDonald’s?“
Vierter Tag. Wir waren relativ spät mit der Runde morgens fertig. „Keine Zeit, wir gehen zu McDonald’s“.
Abends dann noch zu Boz’s Kebap, weil Philipps Freundin das wollte.
Fünfter Tag. Das selbe wie am vierten Tag. Also wieder McDonald’s…
Das war schon für das gesamte Jahr 2016 zu viel McDonald’s.

5. Schwarz haben ist doof
Naja, zumindest für mich. Nach meinem Patzer gegen Vadim Reimche hatte ich noch drei Mal schwarz, gegen 1950, 2050 und 2100. Dabei spielte ich sogar komplett andere Varianten als sonst und stand trotzdem zwei Mal ziemlich schlecht. In der 8. Runde muss ich das auf meine Kappe nehmen, da ich im 20. Zug Remis bot mit kommendem Tausch beider Türme. Nach der Annahme des Angebots zeigte mein Gegner mir seine geplante Abwicklung, die vollkommen katastrophal war und mir realistische Gewinnchancen bot. Wer seine Chancen nicht nutzt…
Dafür gewann ich meine vier Weißpartien nach meiner Niederlage gegen GM Schmaltz relativ souverän. Ich wünschte nur, ich hätte insgesamt bessere Gegner gehabt.
Philipp gewann dafür zwei Mal problemlos mit Schwarz, remisierte in der ersten und letzten Runde (gegen IM Artem Smirnov, 2400) und verlor unglücklich gegen IM Carlstedt. Irgendetwas mache ich mit Schwarz falsch…auch bei der DEM gewann ich keine Schwarzpartie. Ist das die harte Realität des Schachspiels?

6. Auch IMs machen Fehler
Als etwas jüngerer und nicht so ganz talentierter Spieler kommen einem Titelträger und vor allem IMs/GMs wie unfehlbare Götter vor. Die Realität sieht anders aus.
IM Carlstedt hatte Philipp ziemlich überspielt und hatte ihn kurz vorm Matt. Philipp packte noch einen seiner berühmt-berüchtigten Tricks aus und die Stellung entwickelte sich aufgrund eines relativ offensichtlichen weißen Fehlers dann irgendwie so:
+2
-2
-4
+3
Gewonnenes Endspiel für Weiß.
Schade, weil Philipp in dieser siebten Runde den entscheidenden Schritt zur IM-Norm machen konnte. Er bekam in der achten Runde keinen Titelträger und verpasste die Norm daher um einen Titelträger. Dennoch war es ein starkes Turnier von ihm und er knüpft nahtlos an seine letzten starken Leistungen an.
Ich bin grad mehr oder weniger in einer Formkrise (habe virtuell schon 57 DWZ in dieser Saison verloren und immerhin 14 Elo…). Nach meinem Fehlstart hatte ich nur schwächere Gegner und verlor zwar nicht mehr, aber um nach oben zu kommen, reichte es nicht mehr.
Philipp 6/9 Punkte (22. Platz)
Ich 5,5/9 Punkte (61. Platz)

Staufer-Open Ergebnisse und co.

Joa. Für mich gibt es noch viel zu tun. Schließlich kann ich ja nicht zulassen, dass Philipp es sich da an seinem Platz in der Sonne ganz alleine gemütlich macht.

Simon Degenhard spielte zur gleichen Zeit das Open in Untergrombach (33. Ausgabe) und belegte mit 3,5 Punkten aus 7 Runden den 56. Platz von 108 Teilnehmern.
Untergrombach-Open


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