Wer uns auf Facebook folgt oder hier und da mal seinen Blick auf überregionale Turniere richtet, dem wird aufgefallen sein, dass wir mal wieder Teilnehmer an einer Deutschen Meisterschaft stellen konnten – dieses Mal bei der Deutschen Ländermeisterschaft, bei welcher die einzelnen Landesverbände ein oder mehrere Achter-Teams entsenden, um den stärksten Landesverband zu finden. Die Erfolgsgeschichte Württembergs ist hier sehr wechselhaft, in letzter Zeit befindet sich unser wunderschönes „Bundesland“ eher auf dem absteigenden Ast, da viele tragende Säulen aus diversen Gründen (Alter/Wechsel in einen anderen Verband/Studium) wegfielen, während die anderen Länder nachlegen konnten.
Zu den ersten drei Runden habe ich bereits berichtet. Der Bericht ist auf der WSJ-Seite zu finden.
Dieser Bericht wird im Folgenden direkt an den Bericht auf wsj-schach.de anknüpfen.
Zur Information: Tobias Peng (Brett 3) und Simon Degenhard (Brett 4) waren als Spieler des Heilbronner SV beteiligt.
Nach der knappen Niederlage gegen Baden 1 sah das Schicksal wohl vor, uns eine weitere Chance zu geben. Für die 4. Runde wurde uns die Zweitvertretung der Badener zugelost, welche zwar vor uns gesetzt, aber nicht so stark wie die erste Mannschaft war. Somit sahen wir gute Chancen auf einen Sieg und damit für eine leichte Wiedergutmachung. Anders als gegen Niedersachsen 1 am Vortag fing an jenem Morgen alles gut an. Unsere Vorbereitung für Kornel Maj ging voll auf und er stand spürbar besser, während wir bei den anderen Schwarzpartien keine Nachteile hatten und in den Weißpartien zumindest nicht schlechter standen. So gingen wir durch Topscorer Danny Yi in Führung. Während Kornel seinen Vorteil zum Remis vergab, hatte Katja Stoll keine Probleme, die ausgeglichene Stellung zum Remis zu führen. Hannah Zell merkte man die fehlende Erfahrung in Endspielen leider an und so vergab sie ein ordentliches Endspiel, was den Ausgleich für die Badener bedeute.
Dafür wandelte Simon seinen strukturellen Vorteil in Materialgewinn um und als er auf der 7. Reihe seine Türme verdoppelte, war der Sieg nicht mehr weit. Tobias Schmidt erreichte ebenfalls ein Remis, ihm schloss sich Leia Lederer an.
Damit führten wir 4-3 und Tobias (Peng) brauchte „nur“ ein Remis, um unseren zweiten Sieg nach der sensationellen ersten Runde gegen Hessen perfekt zu machen. Unglücklicherweise war seine Stellung bereits zum Zeitpunkt der Führung sehr kritisch. Mit knapp werdender Zeit konnte er die Stellung nicht mehr halten und somit schafften wir auch gegen Baden 2 keinen Sieg.
Die Zweitvertretungen schienen uns aber im Voraus zugeteilt worden zu sein und so stand am Montag Nachmittag Niedersachsen 2 auf dem Programm. Überraschenderweise (man fand weniger Partien als bei den Badenern und durch die Doppelrunde gab es weniger Zeit zur Vorbereitung) gingen sogar mehr Vorbereitungen auf als gegen Baden 2. So spielte Tobias Schmidt eine interessante Nebenvariante so weit runter, dass seine Zeit zunächst von 1:30 h auf 1:37 h anstieg. Als sein Gegner im 22. Zug (!) dann eine Ungenauigkeit beging, nutzte Tobias diese und gewann das entstandene Endspiel in souveräner Manier. Auch Dannys Vorbereitung schlug zu und er schnappte sich nach etwas mehr als 10 Zügen einen gesunden Bauern. Ebenso überzeugte Simons Eröffnungsspiel. Zwar wanderte sein kurz rochierter König aufgrund eines Bauernsturms mal zwischendurch nach e2, danach bracht Simon aber am Damenflügel und auf der g-Linie durch – ironischerweise die Linie, auf der sein Gegner mattsetzen wollte. Hannah spielte etwas zurückhaltender als in der vorherigen Runde und erzielte ein solides Remis, was nach einer Niederlage auf jeden Fall wieder etwas Aufwind gibt.
Danach begann aber eine heiße Phase.
Katja hatte grundsolide Vorteile wie Raumvorteil im Zentrum auf ihrer Seite. Mit beginnender Zeitnot überschätzte sie aber ihre Möglichkeiten und spielte etwas zu verpflichtend. Dadurch hinterließ sie zu viele „Löcher“, die zu ihrer Niederlage führte. Leia lieferte sich eine heiße Zeitnotschlacht mit ihrer Gegnerin. Objektiv waren daher auf beiden Seiten Fehler vorhanden. Es heißt „im Schach gewinnt der, der den vorletzten Fehler macht“ – dies bewahrheitete sich leider. Leias Gegnerin unterlief ein krasser Fehler, dafür übersah Leia für sich ein einzügiges Matt im 37. Zug bei wenigen Sekunden Restzeit. Kornel übersah ein Matt in 7 für sich und konnte „nur“ in ein besseres Endspiel abwickeln, welches er aber, zum Glück für mein Herz, gewann. Tobias (Peng) – verwirrend, zwei „Tobias“ im Team zu haben – hatte eine positionell verlorene Stellung. Ungenaues Spiel seines Gegners kam ihm zugute und so erreichte er ein objektiv ausgeglichenes Damenendspiel. Dort spielte er selbst ungenau – sein Gegner glaubte ihm jedoch das „Dauerschach“ und damit remis. Tragischer Held der Runde war jedoch Danny. Bis dato noch mit 100% gegen starke Gegner unterwegs, verlor er zunächst seinen Mehrbauern, um danach wieder einen Mehrbauern zu gewinnen. Als er erneut seinen Mehrbauern verlor, war er schon in einer passiven Stellung, die langfristig nicht zu verteidigen war.
Dieses 4-4 hatte einen besonders bitteren Beigeschmack, da es bedeutete, dass wir für die 6. Runde ein „spielfrei“ bekamen, womit ein Teilziel verfehlt wurde.
Die Zeit wurde auf vielfältige Weise genutzt. Durch die Möglichkeit, auszuschlafen, ließen sich ein paar Verrückte (auch ich…) von dubios aussehenden Attraktionen minutenlang durch die Luft schleudern. Am Folgetag stand uns die ganze Welt, ähm, ich meine, ganz Hannover offen. Einige von uns nutzten das Rahmenprogramm der DSJ und besuchten den örtlichen Zoo, welcher ziemlich gut sein soll. Der Rest ging ein bisschen shoppen und ausnahmsweise mal frische Luft schnappen. Hier auch ein Lob an die Organisatoren (mein erstes Mal bei einer DLM): das Rahmenprogramm war gut und wurde entsprechend aufgenommen, die Jugendherberge in allen Belangen mehr als angenehm und die zentrumsnahe Lage gefällt ebenso.
Neben der Vermeidung eines „spielfrei“ hatten wir das Teilziel, die Top 10 (Setzplatz 13 von 17) zu erreichen. Vor Runde 7 lagen wir auf dem gewünschten Platz 10 und hatten es mit Sachsen-Anhalt zu tun, welche vor uns lagen. Damit hätten wir mit einem Sieg auf jeden Fall mindestens einen Platz gut gemacht. Für die letzte Runde legten wir uns noch einmal richtig ins Zeug und so verbrachten wir insgesamt knapp vier Stunden mit Vorbereitung (damit war der Tag auch schon vorbei…) – alleine mit Kornel war ich über eine Stunde beschäftigt, da ich für seine Gegnerin Josefine Heinemann eine Super-Spezial-Variante bereitgelegt hatte. Josefine ist übrigens Deutsche Meisterin U18, hatte schon über 2300 Elo und ist seit Neuestem Kommilitonin im selben Studienfach unseres Tobias Peng an der Universität Mannheim…
Leider erinnerte der Anfang der Runde – vielleicht war der vorgezogene Beginn um 8.00 Uhr trotz des freien Tags ein Problem für manche Leute – stark an die Runde gegen Niedersachsen 1. Katja und Simon konnten beide ihre vorbereiteten Varianten nicht umsetzen und verloren praktisch direkt nach der Eröffnung. Sehr schade, so zeigten beide während dem Turnier ansprechende Leistungen. Hannah verlor zwar einen Bauern, lockte ihre Gegnerin dafür in eine dreimalige Stellungswiederholung, wobei die Gegnerin doch sehr perplex aussah, als Hannah den Schiedsrichter holen musste. Danny merkte man die Erschöpfung sehr an und folglich sah sein Spiel sehr unambitioniert aus. Kein Wunder, denn gerade für einen Zehnjährigen ist das stundenlange, genaue Spielen sehr ermüdend und Danny ist nun einmal (noch?!) kein Vincent Keymer. Nach einem Figurenverlust lagen wir virtuell bereits 0,5-3,5 hinten. Die Last lag daher auf Kornel, Tobias^2 und Leia. Kornel überzeugte dafür mit einer sehr souveränen Partie. Zwar kam nicht die Variante aufs Brett, die wir uns intensiv angesehen hatten, dennoch schaffte Kornel es, seine Gegnerin mit ordentlich Schwung zu überspielen. Bei Interesse lässt sich die Partie im Netz (siehe unten) nachspielen – manche Züge muten durch ihre Genauigkeit schon an.
Tobias Schmidts Vorbereitung ging ebenfalls auf und so konnte er in ein leicht besseres Endspiel einlenken. Mit Fiona Sieber saß auch ihm eine Deutsche Meisterin 2015 gegenüber und zwar von der U16. Letztendlich erreichte Tobias ein Turmendspiel mit zwei Mehrbauern – zwei verbundenen Freibauern auf g6 und h5. Das hört sich nach Gewinn an, die Lage wurde jedoch durch ein Bauernpaar auf e3/e4 stark verkompliziert. Der einzige Gewinnplan war, den h-Bauern zu opfern, um an den e3 zu kommen und dann die Stellung mit g- und e-Freibauern zu gewinnen, was eine theoretische Gewinnstellung ist. Da wir diesen Gewinnplan auch post mortem nicht gefunden haben, sondern erst auf der Zugfahrt nach Hause, ist Tobias nicht vorzuwerfen, dass er ins Remis einwilligte.
Der andere Tobias erreichte zunächst eine positionelle Druckstellung. Wer Tobias kennt, weiß aber auch, dass es ihm in den Fingern juckt, wenn er Vorstöße am Königsflügel sieht. Trotz meiner Warnung bei der Vorbereitung, nichts am Königsflügel zu machen, riss er seine Bauern am Königsflügel auf und so verwandelte sich die Partie in eine vollkommen unklare Taktikschlacht. Hier zeigte sich, dass sein Gegner einfach erfahrener und taktisch auch etwas besser war. So übersah Tobias ein paar Gewinnmöglichkeiten und ließ sich stattdessen mattsetzen.
Damit folgte auch die Ernüchterung, denn auch das zweite Teilziel war nun unerreichbar.
So kann man auch hier Leia keinen Vorwurf machen, dass sie ihre aussichtsreiche Angriffsstellung nicht ganz perfekt behandelte und ihren Gegner wieder in die Partie kommen ließ. Aufgrund der Gegendrohungen konnte Leia sich nicht ganz auf ihren eigenen Angriff konzentrieren. Nach einigem Hin und Her setzten sich dann die gegnerischen Mehrbauern durch.
Zum Abschluss fingen wir uns also noch ein 2-6 gegen Sachsen-Anhalt ein, was zumindest in der Höhe nicht dem gerecht wird, was unser Team aufs Brett gebracht hat. Insgesamt hatte ich auch den Eindruck, dass der Unterschied in der DWZ zu den anderen Teams nicht daher rührt, dass die anderen Teams einfach besser sind, sondern dass die anderen Teams einfach erfahrener waren. Somit muss man nicht unbedingt pessimistisch im Hinblick auf die Zukunft sein, vor allem, wenn es Leute wie Danny Yi gibt, welche in ihrem Alter schon eine unglaublich starke Leistung zeigen.
Mit 3 bzw. 4 Punkten aus 6 gespielten Partien erzielten die Heilbronner Jungs Tobias und Simon vor allem im Hinblick auf die Gegnerschaft ziemlich gute Ergebnisse.
Furchtlos und treu!
Enis Zuferi