Wann hört es auf?

Edit: wir sind ganz groß auf der Startseite des Deutschen Schachbunds zu sehen!

Hier der Link zum Beitrag:
Bericht zur DPMM-Vorrunde auf Schachbund.de

Und jetzt zu meinem Bericht:

Im vergangenen Sommer gewannen wir zum ersten Mal seit 2018 den Württembergischen Viererpokal. Das bedeutete, dass wir zum ersten Mal seit 2019 bei der Deutschen Pokal-Mannschaftsmeisterschaft teilnehmen durften.

Damals nahm unsere Reise ein, wie wir damals dachten, zu frühes Ende. Die „Vorrunde“ (Runde der letzten 64 und 32) überstanden wir in Ortenburg (Bayern) noch unbeschadet, wenn auch knapp, wegen Berliner Wertung. Die „Zwischenrunde“ (Achtel- und Viertelfinale) schien zunächst unangenehm zu werden, denn mit Bad Emstal/Wolfhagen und Lingen waren zwei GM-Teams am Start. Jedoch meinte es die Glücksfee gut mit uns, als wir den anderen Amateurverein, die SG Post/Süd Regensburg als Gegner bekamen. Wiederum versagten wir dann, oder besser, ich versagte, da ich an Brett 1 eine schreckliche Partie spielte und wir den Kampf knapp verloren. Ausgeschieden, kurz vor einem neuen Höhepunkt in der Vereinsgeschichte.

Und was macht man, wenn man selbst schuld ist am Ausscheiden des eigenen Pokalteams? Richtig, man tauscht das ganze Team aus. Statt Tobias Schmidt, Niko Pogan und Robin Stürmer reisten Simon Degenhard, Tobias Peng und Ivan Ramirez Marin…halt, warte. Ivan sagte kurzfristig ab, weil er sich nicht traute, bei streikenden Bahnen von Ulm nach Frankfurt zu fahren. Er hatte Angst, wegen des Streiks (wann hört das denn auf?) am Montag nicht zur Arbeit erscheinen zu können. Ist das diese deutsche Leitkultur, von welcher alle sprechen?
Wie dem auch sei, am Freitag, einen Tag vor dem ersten Spiel, waren die Optionen nicht gerade vielfältig. Also nahm ich Daniel Schäfer mit. Ziel war Mühlheim am Main, wo der ortsansässige Verein uns in einem modernen und gut ausgestatteten Vereinsheim empfing. Neben uns waren noch der SK Ladenburg und der SV Liebschwitz…halt, warte. Liebschwitz sagte ähnlich kurzfristig wie Ivan ab, nicht wegen des Streiks, aber wegen einer Grippewelle (wann hört das denn auf?).

Okay, wer mitgedacht hat, weiß, was das Problem war. Ein KO-System mit vier Teams, aber nur drei waren da…ja, ein Team würde spielfrei bekommen. Versuche, die Auslosung vorher durchführen zu lassen, scheiterten, weil nicht alle Teams rechtzeitig zustimmten und die Regeln so eine Ausnahme nicht vorsahen. Wann hört das mit den Regeln…ach, ich lasse das jetzt.

Jedenfalls könnt ihr euch denken, was mit uns passiert war. Nach fast zwei Stunden Fahrt durfte ich als „Losfee“ die Paarungen ziehen. Und die erste Paarung lautete „Heilbronn vs. Liebschwitz“. Supi. Ein kampfloser Sieg. Der Ladenburger IM Vadim Cernov gratulierte uns, er beneidete uns sogar, weil wir nicht spielen mussten. Aber, come on, ich bin ja nicht so weit gefahren, um NICHT zu spielen!?

Die Zeit verbrachten wir dann mit mehr oder weniger sinnvollen Dingen.

Who let the dogs out?


Wie Hunde machten wir uns über das Abendessen her, welches wir in einem gut bewerteten Balkan-Restaurant in Frankfurt am Main zu uns nahmen. Also in einem von den gefühlt 471 Balkan-Restaurants, welches in Frankfurt aufzufinden war. Ich habe noch nie so viele Fressmeilen auf einem Haufen gesehen. Da kann wirklich niemand verhungern. Außer, er ist arm, aber dann selbst schuld, ne? Hättest du mal drei Häuser geerbt oder Drogen am Frankfurter Hauptbahnhof verkauft, wäre das nicht passiert.

der mit dem guten Aussehen ist der Fotograf

Mit dem guten albanischen Essen waren wir perfekt vorbereitet für den Kampf gegen Ladenburg, welche sich knapp gegen den Ausrichter durchsetzten. Auf dem Bild sieht Daniel super motiviert aus, Simon lächelt immerhin zuversichtlich und Tobias verzieht keine Miene. So lief es dann auch. Daniel war richtig auf den Hund gekommen und wurde brutal auseinandergenommen. Oder besser gesagt, er nahm sich selbst auseinander. Die Vorbereitung kam nicht und anstatt einfach das zu spielen, was er gut konnte, probierte er Grünfeld mit vertauschten Farben – was einfach nicht funktionierte. Die Eröffnung ist halt zu gut! So war nach zehn (!) Zügen nicht nur ein Bauer weg, denn Daniel waren auch noch nur zehn Minuten (!!!) geblieben. Hoffnungslos. Vielleicht sollte ich doch Robin zurückholen, da scheint sich ein neuer Zeitnotjunkie zu entwickeln.

Mr. Pokerface, Tobias Peng, glich diesen (zu erwartenden, Daniel spielte noch lange weiter) Rückstand schnell aus. Gegen Henrik Cernov kam eine Variante aufs Brett, welche Tobias und ich am Vortag beim Blitzen diskutierten. Daran erinnerte er sich aber nicht, sagte er nach der Partie. Wie geht das denn?!? Wie kann man sich nicht an etwas erinnern, was 18 Stunden vorher passiert ist? Meine Güte. Aber egal. Erinnerungsvermögen war nicht gefordert, Tobias überspielte seinen Gegner gnadenlos. Sinnbildlich für Tobias‘ Dominanz war der schwarze Läufer auf a8, welcher hinter einem Bauern auf c6 eingesperrt war.

Ich bekam es mit Henriks Vater, dem weiter oben erwähnten Vadim, zu tun. Unser letztes Aufeinandertreffen im klassischen Schach endete Remis (Pfalz-Open 2017), bei kürzeren Bedenkzeiten hat er die Nase vorne. Wurde mal Zeit, etwas für die Statistik zu tun. Aber die Eröffnung lief diesbezüglich gar nicht gut. Cernov blitzte die ersten 16 Züge heraus. Zack, zack, zack. Figurenopfer, mein König offen, gejagt von zwei Läufern und einer Dame. Aber da stimmte etwas nicht. Ich überlegte noch einmal zehn Minuten für den siebzehnten Zug und konnte nur feststellen, dass ich auf Gewinn stand. Was war da passiert? Nun, Cernovs Angriff war tatsächlich korrekt und eigentlich hätte ich verlieren müssen. Aber als frisch gebackener Spieler mit einer Elo höher als 2400 profitiere ich wohl nun offiziell vom Titelträger-Dusel. Cernov verwechselte die Varianten seiner Vorbereitung und landete prompt in einer Verluststellung. Das schien er auch selbst zu realisieren, denn er brauchte für seinen eigenen siebzehnten Zug ziemlich lange.
Zu holen gab es jedoch nichts mehr, der Käse war gegessen. Ich ließ nichts mehr anbrennen und beendete die Partie auch noch mit Stil:

Schwarz hat gerade mit Ld6-e7 meine Dame angegriffen und hofft nun auf Schwindelchancen. Wie habe ich diese letzten Hoffnungen zerstört? Weiß am Zug gewinnt.

Damit war nun alles klar, denn Simon durfte nur nicht verlieren. Und kurz rübergeschaut, Simon war von der Niederlage so weit entfernt wie ich vom IM-Titel. Halt, nein. Der Vergleich hätte im Jahr 2019 noch gezogen. Hihihi.
Simon stand auf jeden Fall gottlos (neues Jugendwort) besser. Zwei Läufer auf benachbarten Diagonalen, welche auf den weißen König zielten, während dieser von einem lächerlich aussehenden Springer auf h3 verteidigt wurde. Als Simons Gegner Ali Nassr, Afrikanischer Juniorenmeister 2013, ihm in einer hoffnungslosen Stellung Remis anbot, nahm Simon einfach an. Bei ihm schien noch das „Trauma“ der Oberliga-Endrunde 2022 nachzuwirken, als er beim Stand vom 4-1 ein Remisangebot bekam. Er wollte damals eigentlich weiterspielen, aber jeder um ihn herum wollte nur, dass er Remis machte, um den Aufstieg in die 2. Bundesliga zu sichern. Aber Simon. Niemals wäre ich dir böse gewesen, wenn du am Sonntag weitergespielt hättest. Im Notfall hätten wir Ladenburg halt im Blitzen besiegt.

Nun gut. Wir schlugen Ladenburg mit 2,5-1,5 und qualifizierten uns für das Achtelfinale am 9. März. Vor fünf Jahren hörte unsere Reise genau da auf. Ob wir es dieses Mal weiter schaffen? Das werden wir dann sehen. Mit SF Deizisau (!!!), SF Berlin oder SV Mattnetz Berlin warten Gegner auf uns, von denen keiner einfach werden wird.
Und ich? Naja, mit diesem etwas glücklichen Sieg werde ich ab dem 1. Februar voller Stolz eine Elo von 2412 mein Eigen nennen können. Wann hört mein Aufstieg denn auf? Nun, für Fans des Heilbronner SV bleibt nur zu hoffen, hoffentlich nicht zu bald!


Kommentare

Wann hört es auf? — 4 Kommentare

  1. In deiner Partie sehe ich grad nichts besseres als Dxe7 Txe7 2.f6+ Kf8 3.fxe7+ Kxe7 4.Te3 und Weiß hat einen ganz Stall voll Kleinvieh gegen die sD während der Sa6 im Abseits steht. Gefühlsmäßig sollte es etwas noch besseres geben, in der Art von f6+ Lxf6 2. Sf5+ gxf5 3. exf6+ Txf6 4. Te8 mit der Drohung Tg8#. Da muß man aber noch sicher stellen, dass Schwarz wirklich nur Racheschachs hat.
    Daniel solltet ihr mal daran erinnern, wie ich Julian nach unzähligen fruchtlosen Ermahnungen schließlich doch noch zu einer gewissen Zeiteinteilungsdisziplin gebracht habe. Apropos, wie vernünftig stellt sich unser Vorsitzender in der dritten, wo ich ihn nicht mehr überwachen kann, an?
    Wurden die Regeln hin zum Blitzentscheid geändert? Ich erinnere mich noch daran, wie wir mal durch den von den Regeln vorgeschriebenen Münzwurf ausgeschieden sind.
    Eine Elo über 2400 ist zwar notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für den IM-Titel; hast du der Norm aus der Bundesligasaison schon welche folgen lassen?

    • Die zweite Variante mit f6+ ist korrekt, die gewinnt direkt. Nach 4.Te8 hat Schwarz nur einzelne Schachgebote, danach ist größer Materialverlust wegen der Mattdrohungen unvermeidbar.

      Ich habe Ende Dezember noch eine IM-Norm in Basel erspielt, also brauche ich noch eine, damit ich mich IM schimpfen darf 😉

      Julian macht einen ziemlich guten Job!

  2. In Württemberg wird bei 2:2 und gleicher Berliner Wertung gelost, auf DSB-Ebene wird geblitzt. Wäre doch langweilig, wenn die Spielregeln überall gleich wären 😀

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