Süßer die Bohrer nie klingen

Weihnachten kam dieses Jahr schneller als normalerweise. Denn der vierte Advent fällt mit Heiligabend zusammen! Der Modus der Besinnlichkeit kam daher mit hoher Geschwindigkeit angeschossen. Im Schach auch, außer bei den Jugendligen.

So empfingen wir die Königskinder Hohentübingen aus Tübingen zur zweiten Runde der Verbandsjugendliga. Falls sich jemand fragt, ob es schmerzt, „Verbandsjugendliga“ anstelle von „Jugendbundesliga Süd“ zu schreiben: ne, ich merke eh nichts mehr. Alles abgestumpft.
Das letzte Aufeinandertreffen dieser beiden Mannschaften fand auch in der Jugendbundesliga Süd statt, besser gesagt in der BW-Liga U20, wie sie 2016/17 noch hieß. Auch in Heilbronn, jedoch mit ganz anderen Jugendlichen. Einzig Nikolas Wildermuth war damals wie heute im Kader von Hohentübingen, bei uns Heilbronnern waren es total neue Leute. Und genau Nikolas Wildermuth kam nicht, sodass wir ein Duell zweier Vereine mit traditionell erfolgreicher Jugendarbeit hatten, aber ohne Wiedersehen.

Wir revanchierten uns mit einer kurzfristigen Absage von Colin Ensslinger, wodurch die beiden Spitzenpaarungen lustig aussahen. Es hieß gleich doppelt Hagenmeyer vs. Moldovan. Ganz vorne Felix gegen Stela und direkt dahinter Jannis gegen Tatiana. Von den Moldovans hatte ich schon ein paar Mal gehört, auch da Calvin Wolff es bereits mit ihnen zu tun bekam (z.B. WJEM 2019 U10). Ich warnte zudem eindringlich vor allen Hohentübinger Mädchen. Nicht nur die Moldovans waren stark, Angelina Agalykova an Brett 3 hatte gerade unseren Felix beim Kirnbach-Jugendopen im Oktober am Rand einer Niederlage. Die meisten Spieler stimmten mir zu (oder so interpretiere ich das Ignorieren meines Hinweises), nur Dennis Birke meinte großspurig, dass das kein Problem sein würde. Flashback zu meiner eigenen Jugendzeit.

Ein weiterer Flashback war, dass wir in „meiner“ Schule, dem Robert-Mayer-Gymnasium, spielten. Dort gab es Bauarbeiten, weil da so hypermoderne Touchscreens mit verschiebbaren Whiteboards eingebaut wurden. Während unseres Spiels. Na supi. Glücklicherweise hörte man bei geschlossener Tür quasi nichts. Dann bleibt nur zu hoffen, dass die Wunder der Technik zu besseren PISA-Ergebnissen führen! (Spoiler: werden sie nicht und man wird sich wieder im Kreis drehen)

Immerhin bei Felix konnte ich mir sicher sein, dass er sich meine Warnung zu Herzen nahm. Die Eröffnung lief so gut für ihn, dass seine Gegnerin im 10. Zug einen Bauern einstellte. Die Verwertung war makellos und ich ziehe meinen virtuellen Hut dafür, dass sich Stela mattsetzen ließ, das sieht man heutzutage kam noch – gewissermaßen eine Anerkennung der gegnerischen Leistung.
Gewissermaßen hatten wir unsere Gegnerinnen und Gegner in einem Klammergriff, denn am fünften Brett erhöhte Richard Walter auf 2:0. Zwei Wochen zuvor musste er sich noch mit einem kampflosen Sieg begnügen, hier erkämpfte er sich den Punkt. Nach einem taktischen Materialgewinn stand Richard mit Schwarz jedoch vor einer schwierigen Entscheidung.


Stellung nach 25.Kf1-e2. Wohin sollte der schwarzfeldrige Läufer gehen? Was ist die weiße Drohung?

Jedenfalls beging Richard den vorletzten Fehler, wodurch er im 34. Zug endlich entscheidendes Material gewann und mit einer ganzen Mehrfigur blieb kein Zweifel mehr am Ausgang der Partie.

Jannis hatte zufälligerweise eine Musterstellung zum Thema „Doppelbauern“, welches wir im Jugendtraining intensiv behandelten, auf dem Brett. Seine Gegnerin Tatiana Moldovan stellte den Springer jedoch nach d7 und nicht nach c6, was Jannis verwirrte, weil sie damit keine Ambitionen anmeldete, den schwachen Bauern auf c4 anzugreifen. Etwas langsam, aber nachhaltig baute Jannis einen Angriff am Königsflügel auf. Besonders schön war dabei ein „Turmlift“ Tf1-e1-e3-g3. Bei knapper Zeit bat Jannis um die Erlaubnis, Remis mittels Zugwiederholung zu machen, was in meinem Kopf zum Mannschaftssieg ausreichte. Zwar war die Endstellung gut für Weiß, aber es waren noch mehr als zehn Züge bis zur Zeitkontrolle.

Bei meiner Entscheidung erwartete ich bereits, dass Dennis verlieren würde. Erinnert ihr euch? Also trotz Goldfisch-Aufmerksamkeitsspanne dank TikTok und Konsorten? Weiter oben schrieb ich, dass Dennis großmäulig unterwegs war. Und ja, natürlich war er der einzige Spieler von sechs, welcher quasi chancenlos war. Gegen das vierte Mädchen im Bunde! Vielleicht und hoffentlich war das Dennis eine Lehre. Ich würde es mir wünschen.


Leichte Kost. Wieso war 16.f3 ein sehr schlechter Zug von Weiß?

Wiederum war ich mir sehr sicher, dass Calvin seinen Vorteil verwerten würde. Ein Bauer mehr und dazu ein gedeckter Freibauer auf d4, sein weißfeldriger Läufer auf b7 behrrschte die lange Diagonale, auf welcher sich der weiße König g2 hinter einem bemitleidenswerten Springer f3 versteckte. Weiß versuchte noch einen Gegenangriff auf der h-Linie mit der Brechstange, aber wie so oft führte das zu einem schnelleren Untergang, denn Calvin führte die gewinnbringende Kombination im 40. Zug durch. Das reichte seiner Gegnerin und sie gab auf.

Damit brachten die Jungs den Mannschaftssieg unter Dach und Fach. Debütant Moritz Hörtling konnte frei aufspielen, ließ jedoch nicht die Gelegenheit aus, Remis zu bieten. Sein Gegner entdeckte noch eine Möglichkeit im Bauernendspiel und lehnte ab:


Nach ein paar ungenauen Zügen bleibt hier nur ein Zug für Weiß, Remis zu halten. Was muss Weiß spielen?
Die Variante ist wirklich nicht so einfach zu sehen. Schade für Moritz, da er gerade in der Eröffnung sehr energisch spielte und sich eine strategisch bessere Stellung erarbeitete. Da Moritz sichtlich angefressen war, bin ich mir jedoch sicher, dass die Punkte bald kommen werden.

Ein knapper, jedoch verdienter 3,5:2,5-Sieg gegen Hohentübingen. Damit stehen wir auf Platz 3 und können mit einem Sieg in Kornwestheim am 13. Januar ein weiteres Zeichen setzen. Das Projekt „Wiederaufstieg“ läuft.


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