Kürzlich nach einem abgeschlossenem Masterstudium hat man bekanntlich ein wenig Zeit, bevor es in die Berufswelt geht. Vor allem Feiertage sind besonders wertvoll, weshalb unser Neuzugang Ivan Marin Ramirez und ich den Dienstag genutzt haben, um am Remstal Open in Grunbach teilzunehmen. Für mich persönlich stand auch das Ziel Titelverteidigung auf dem Spiel, da ich das Turnier erst vergangenen Jahres mit 21 Punkten gewonnen hatte, obwohl das Ziel eher unrealistisch war aufgrund meiner längeren andauernden, schwachen Form.
Ein Blick auf die Teilnehmerliste (104 Teilnehmer!!) bestätigt, dass das Turnier stark besetzt ist. Unter anderem mit dabei Veaceslav Cofman, Spieler des SC Eppingen und ebenfalls in der 2. Bundesliga, sowie Jan Brunner und andere FMs. Eins nach dem anderen!
Am Vortag angereist, im Aldi stehend bemerke ich den Horror: Geldbeutel vergessen, damit kein Bargeld, keine Karten, nichts. „Ivan? Hi, Tobi hier, ehm…kannst du kommen, ich hab kein Geld und nichts, hab alles vergessen :I.“ „Ach Tobi….Wie willst du morgen das Startgeld zahlen?“ „Stimmt, Mist.“
Also prompt Dirk König angeschrieben, obige Situation geschildert, Geld überwiesen und dieses Problem überstanden.
Nun zum Turnier:
Ivan von Position 4 und ich von Position 6 startend, hatten einen guten Start ins Turnier. Die ersten 2 Runden waren bei mir relativ zügig vorbei, ein wenig Selbstbewusstsein getankt (vergangene Turniere bin ich sehr oft bereits mit einer Niederlage ins Turnier gestartet). Ivan hingegen konnte auch mit 2/2 starten, hatte jedoch mit seinem Erstrundengegner bereits Probleme. Zwei Türme gegen eine Dame sollten normalerweise Vorteile bieten, jedoch musste er bis ins Endspiel zittern, nachdem er einen Turm eingestellt hatte. Zum Glück fand der Gegner keine genauen Abwicklungen und stellte seinerseits die Partie ein. In der ersten Runde hat von den topgesetzten niemand Punkte liegen lassen außer Dieter Migl aus Stuttgart, der überraschend verlor.
Runde 3 bot dann erste Überraschungen: Der an Nummer 1 gesetzte Vitali Promyshlyanskiy fand mit weiß nach anfänglich guter Stellung nicht ins Spiel und wurde vom Jungspieler Thomas Lang zum Schluss ohne Gegenspiel besiegt. Auch Veaceslav Cofman, ein begnadeter Spieler, kam gegen Überraschungsmann Ruediger Nickel überhaupt nicht gut ins Spiel und wurde laut eigenen Worten regelrecht auseinandergenommen. Kommen wir zu mir: Ich kam gut aus der Eröffnung (ausnahmsweise mal) und habe einen Königsangriff zugelassen, in dem ich gesehen habe, dass ich Material gewinnen könnte. Leider habe ich wie in letzter Zeit häufig, einen Sekundenschlaf gehabt, mental kurz von der Partie weggenickt und dadurch meine Stellung komplett eingestellt. Dadurch war die erste Niederlage bereits früh perfekt und musste in den weiteren Runden wie so oft eine Aufholjagd starten, um Chancen auf den Titel noch haben zu können. Ivan mittlerweile gab sich wenig Blöße und setzte nach den Anfangsschwierigkeiten fort und legte einen Lauf ein bis zur einschließlich 7. Runde: 7/7 und damit Führender mit großem Vorsprung. Was ist jedoch bei den Verfolgern passiert? Ich habe in Runde 4 direkt eine Remisstellung unfreiwillig erreicht. Der Gegner hat relativ früh klar gemacht, dass es ihm nicht um mehr gehen würde. Mir war klar, dass ein Remis die Titelchancen früh begraben würde, insbesondere weil in diesem Turniermodus nach Fußballpunkten bewertet wurde (Sieg =3 Punkte, Remis = 1 Punkt). Was folgte war ein Rausreizen im Damenendspiel mit symmetrischen Bauern auf beiden Flügeln.
Das Spiel dauerte fast 40 Minuten, was dafür sorgte, dass letzten Endes auch die Turnierplanung nach hinten verschoben wurde (sorry dafür an Dirk König!). Das Ergebnis war zufriedenstellend: Sieg! Irgendwie und damit in die Mittagspause noch einmal durchatmen. Nach der Mittagspause konnte ich Gerhard Lorscheid niederringen. Auch hier bin ich fürchterlich aus der Eröffnung herausgekommen mit 2 Minusbauern und absolut keinem Angriff. An die genaue Stellung erinnere ich mich nicht mehr, aber sah vermutlich ähnlich aus wie das.
Danach konnte ich ins Spiel hineinfinden und Ungenauigkeiten zu meinem Gunsten ausnutzen, um nicht nur auszugleichen, sondern in einem Endspiel abzuwickeln, dass mir noch Chancen bot. Nach einem ungültigen Zug seinerseits bekam ich „lebensnotwendige“ zusätzliche Zeit (wir waren beide in Zeitnot) und konnte kurz darauf das Spiel entscheiden. In der nächsten Runde folgte ein weiterer Sieg. Nach diesen 2 Endspielen und 5/6 habe ich wieder zum Führungsquartett aufgeschlossen, wobei Ivan weiterhin vorne fleißig gewann. In Runde 7 kam ich gegen Alex Rempeli. Zuversichtlich über die Chancen und weiterhin aufzuschließen auf dem Comeback kam ich gut aus der Eröffnung heraus und begann bereits Varianten durchzurechnen, die eine vorteilhafte Abwicklung bedeuten könnten…
b5 sieht verlockend aus…xb5 kann nicht gut sein mit seiner Dame auf b2 und einem Turm von mir auf c5. Er könnte a3 spielen, um b4 vorzubereiten, aber notfalls kann ich b4 spielen, wodurch sein Bauer auf b3 entscheidend schwach werden könnte…Ich spielte b5 und die Bretter neben mir bekamen wenige Sekunden später das Unbehagen und Verzweifeln eines chinesischen Anfängerspielers mit. Turmgabel als 2100er übersehen, zum vermutlich schlechtesten Zeitpunkt des Turniers. Gekämpft habe ich immer noch und zwischenzeitlich auch wieder ein wenig Hoffnung geschöpft, nachdem er zunehmend länger nachdachte, aber es half nichts. 15/21 und damit 6 Punkte hinter Ivan, der ein absolut überragendes Turnier spielte. Es blieb mir nur noch übrig, zu versuchen, das Turnier so gut es ging abzuschließen. Obwohl Ivan mit 21/21 in Führung lag, hatten aus irgendeinem Grund immer noch Verfolger mit 18/21 nur 3 Punkte Rückstand auf ihn. Um nichts anbrennen zu lassen, habe ich ihm empfohlen, die letzten beiden Runden auf Remis zu spielen, das würde zu 95% den Turniersieg garantieren. Gesagt, getan! In letzter Runde hat er zwar noch eine Schrecksekunde gegen Überraschungsmann Ruediger Nickel überstehen müssen (mit weiß wurde er komplett überspielt und stand komplett verloren, wahrscheinlich konnte man die Züge bis zum Matt zählen).
Hier half ihm sein Kampfgeist. Mit wenig Zeit und präzisem Spiel und unpräzisem Abwickeln konnte er sich retten in….eine Gewinnstellung. Blankes Chaos, wobei er wenige Züge davor noch komplett verloren stand. Plötzlich war schwarz kurz davor, selbst matt gesetzt zu werden. Die weiße Dame stand plötzlich auf d4, der schwarze König komplett offen, der weiße Turm ist auf a7 eingedrungen. Ich selbst konnte mir nicht erklären, wie diese Stellung entstanden ist. Jedoch war Ivans König nach wie vor unsicher und in Zeitnot stellte er die Stellung wieder ein, wodurch er in ein Endspiel mit Figur weniger abwickeln musste. Bei einer Niederlage hätte er eventuell noch eingeholt werden können, deshalb kämpfte er weiter und konnte sich tatsächlich ins Remis retten nach dieser wilden Partie. Sein erster und definitiv nicht letzter Einzelturniersieg im Trikot des Heilbronner Schachvereins und hochverdient gewann er das Turnier! Glückwunsch an dieser Stelle! Wer wurde letzten Endes Zweiter?
Nun, nach meines Geniestreichs …b5 hatte ich die Mission Titelverteidigung abschreiben müssen, wollte aber dennoch zeigen, dass ich gutes Schach ab und zu spielen kann. Gegen Thomas Lang und Neil Albrecht habe ich insgesamt 3 Minuten zum Überlegen gebraucht, um die Partien letzten Endes zu gewinnen. Vielleicht hilft das als Boost fürs Selbstbewusstsein zweimal mit mehr Zeit auf der Uhr als in der Startposition gewonnen zu haben. Relativ früh boten die Stellungen viel Raum für dynamisches Spiel, was ich ausnutzen konnte. Zwei unschwere Taktikaufgaben folgen. Wie habe ich das Spiel jeweils rasch beendet? Mehrere Möglichkeiten sind richtig. Tipp beim ersten: Damengewinn.
So blieb es nur noch zu hoffen, wie die Konkurrenz abschneidet. Mit 21 Punkten konnte ich letztes Jahr den Titel gewinnen, dieses Jahr hieß es hoffen auf Platz 2. Vor der letzten Runde hatte ich noch die schlechtere Feinwertung als Agron Zymberi und die leicht bessere Feinwertung als Cofman. Beide gewannen auch ihre Schlussrunden, sodass letzten Endes der Ausgang unserer bisherigen Gegner über die Platzierungen 2-4 entschieden. Ein Blick auf die Resultate zeigte mir, dass die meisten meiner bisherigen Gegner verloren hatten…Platz 4 also. Immerhin etwas, dachte ich mir innerlich bereits. Bei der Siegerehrung dann die Überraschung: Platz 2 und damit Heilbronner Doppelspitze beim Remstal Open! Keine Titelverteidigung, dafür bleibt der Titel in Heilbronn und glücklicher könnte ich nicht für unseren Neuzugang Ivan sein!
Zum Abschluss des Tages gab es noch schön Verspätung mit der deutschen Bahn (nichts anderes gewohnt, die Bahn macht mobil, *hust) und selbstgemachte Burger!