Wer die Homepage fleißig liest, wird wissen, dass heute die Erste ihr Heimspiel in der von unserem neuem Sponsor Prisma KG zur Verfügung gestellten Deutschordenssommerresidenz austrägt, wozu allerei Kiebitzvolk eingeladen wurde; sowie dass Enis keine Lust mehr hat, zusätzlich zu all den Aufgaben, die er für den Verein schon lobenswerterweise übernimmt, auch noch Berichte über die Mannschaftskämpfe der Ersten zu schreiben – ein Problem, welches er nur in den Griff bekommen kann, wenn er für den Rest der Saison immer Ramin, Julian oder mich als Ersatz nominiert. Diesmal wollte ich sowohl der Einladung folgen, als auch Enis entlasten.
Der Spielort ist tatsächlich recht hübsch und nächstes Mal kriegen wir die Tischsituation auch schon im Vorfeld geregelt. Wer Genaueres wissen will, soll sich entweder den bereits im Sponsorvorstellungsbeitrag verlinkten Wikipedia-Artikel durchlesen, oder noch besser beim nächsten Heimspiel der Ersten am 15.12. gegem Schwäbisch Gmünd vorbeischauen (Hier noch ein Hinweis, der wohl nicht ausreichend deutlich kommuniziert wurde: Wer die Tiefgarage nutzt, spart sich die Parkplatzsuche).
Für die Prisma KG war Christopher Weber vor Ort, dem an dieser Stelle ein großer Dank gebührt, da er uns die Austragung in der neuen Lokalität überhaupt erst ermöglicht hatte; das Buffet wurde dankeswerterweise von Katharina Kremer organisiert und als Schiedsrichter fungierte Steffen Erfle. Unser erster Vorsitzender Julian mitsamt dem „First Baby“ übernahm die Begrüßung. Wichtigster Punkt waren die Toiletten, deren Platzierung insgesamt dreimal erläutert werden musste. Die Aufstellungen lauteten:
- Zuferi – Trachtmann
- Kabisch – Bach
- Schmidt – Niklasch
- Degenhard – Krockenberger
- Pogan – Löhr
- Dudek – Thoma
- Tschlatscher – Eisele
- Blum – Scheeff,
wobei wir als Gastgeber an den ungeraden Brettern Schwarz hatten. DWZ- bzw. Elo-Fetischisten würden jetzt wahrscheinlich rumrechnen und behaupten, eine Mannschaft wäre soundsohoch favorisiert, doch ich halte davon gar nichts, denn Erfahrung, Tagesform und Kampfgeist sind viel wichtiger, als der Versuch, die Realität näherungsweise mathematisch zu beschreiben. Normalerweise muss ich meine Berichte aus dem Gedächtnis verfassen und bespreche dann jede Partie einzeln, doch hier kann ich anhand meiner Notizen einen Pseudoechtzeitkommentar anbringen.
Enis wurde mit einem Anti-Grünfeld konfrontiert, welcher ihn zwang, ins Königsindische zu transponieren; zwar eine sehr gute Abart mit deplatziertem weißem Damenspringer, aber halt nicht Enis‘ vertrautes Terrain. Thilo erzwang im offenen Caro-Kann mit Sg5 und Lc4 den Einschluß des schwarzen Damenläufers durch e6, doch kostete ihn dieser Übergang in eher französische Strukturen halt Tempi. Am dritten Brett kamen beide zu spät, mutmaßliche Ursache war die Sperrung des Autobahnzubringers Untergruppenbach wegen Baumfällarbeiten. Am 4. Brett wurde die Tartakower-Variante des Damengambits zum 10-tausendsten durchexerziert. Niko verteidigte sich gegen Katalanisch im Stiele Bogoljubows. Richard ging den Sizilianer gewohnt geschlossen an und brachte die Finesse Sh3. Sein Gegner versuchte das Zentrum mit dem verschobenem Stonewall e5-d6-c5 zu verbarrikadieren. Thomas erwiderte das Königsgambit mit dem Falkbeer-Gegengambit – eine gute Wahl, allerdings sollte man sich da schon ein bißchen auskennen. Nicolas kam durch Zugumstellung in eine sehr gute Version des Vorstoßfranzoßen mit schwarzem König auf f8.
Enis stellte die typischen Aktionen am Königsflügel zunächst zurück, um am Damenflügel eine Blockade aufzuziehen.
Die beiden Kontrahenten am dritten Brett waren inzwischen eingetrudelt: Tobias verteidigte sich gegen Englisch mit der selben Variante, in der er beim Unterlandpokal gegen Bernhard Förster die ganze Partie lang mit dem Rücken zur Wand verteidigen musste.
Thomas‘ vollkommene Ignoranz des strategischen Gehalts der von ihm gewählten Variante wirkte sich aus: nach nur zehn Zügen hatte er im Endspiel keinerlei Kompensation für seine zerfledderte Bauernstruktur. Auch wenn Thomas schon so manches defensives Wunder vollbracht hat, lagen wir damit virtuell 0:1 hinten.
Nicolas‘ Gegner stieß seine h- und g-Bauern ungestüm vorwärts, was mit dem König auf f8 sehr gewagt aussah, aber mit der konkreten Idee verbunden war, das weiße Zentrum zu unterminieren und unserem Mann daher viel Bedenkzeit abverlangte.
Bei Niko gab es nach beiderseitigen Läuferpendelmanövern einen Übergang in eine königsindische Struktur, von welcher ich wusste, dass Niko sie gut behandeln würde.
Enis hatte die Wahl, den Damenflügel entweder komplett abzuriegeln, oder die b-Linie zu öffnen, die Blockade aufrechtzuerhalten, und Aktivitäten am Königsflügel zu beginnen. Wahrscheinlich war zweiteres angebracht, doch entschied er sich für ersteres.
Simon hatte mit Se5 de facto einen Bauern geopfert, weil dieser nach dem Abtausch des Springers nicht mehr zu halten sein würde. Dafür erhoffte er sich wohl Spiel gegen d5.
Tobias hatte keine Lust auf eine Wiederholung der oben erwähnten Erfahrung und griff zu radikalen Methoden: er gab das Läuferpaar und Entwicklung dafür, die gegnerische Bauernstruktur zu zerrupfen. Ich bin davon überzeugt, dass bei idealem Spiel die weiße Aktivität durchschlägt, doch bei einer Ungenauigkeit verbleibt er mit einer strategischen Ruine und so entschied sich der Gegner für den Spatz in der Hand, mit Damentausch und Auflösung der Schwächen Remis anzubieten, was Tobias annahm.
Nach dem Abtausch der schwarzfeldrigen Läufer galoppierte Thilo mit seinen Springern nach f4 und e5, von wo aus er Opferdrohungen gegen e6 und f7 aufstellte. Anstatt aktives Gegenspiel zu suchen, verteidigte sich sein Gegenr zäh mit Sf8 und Te8, was Thilo wohl etwas provozierte.
Simon plante, den Bauern so zurückzuholen, dass er nach einer Serie von Abtauschen mit L,T,T,D gegen S,T,T,D bei Bauern auf beiden Flügeln, aber keinen mehr im Zentrum, besser stehen würde.
Inzwischen waren auch unsere Finanzministerin Sabine, Problemkomponist Stephan Dietrich sowie die beiden selbst aktiven Väter Dr. Robert Bühler und Thomas Leykauf der großen Einladung gefolgt. Aus leidvoller eigener Erfahrung weiß ich, dass ich nur Müll spiele, wenn mein Vater zuguckt und heute erwischte Simon dieser Fluch: Nach einem eigentlich harmlosem Zwischenzug stellte er seine Dame aufs falsche Feld, ließ eine Gabel zu und verlor damit Figur und Partie.
Glücklicherweise konnte Richard im Gegenzug mit einem Zentrumsvorstoß Material gewinnen; sein Gegner fand noch das geringste Übel und gab nur zwei Figuren für einen Turm, doch sollte dies zum Sieg ausreichen.
Ich denke, der richtige Plan für Nicolas hätte darin bestanden, mit c4 das schwarze Zentrum anzuknabbern und den eigenen König mit der kurzen Rochade in Sicherheit zu bringen. Stattdessen entschied er sich für die lange Rochade, was sehr gewagt war. Und seine Zeit wurde noch knapper.
Nun schaute auch Ole Wartlick mitsamt der zweitjüngsten Nachwuchshoffnung des Vereins vorbei. Auch Patrick Wenninger kam vorbei, war aber weniger am Mannschaftskampf interessiert, als daran, im Nebenraum mit mir zu spielen. Zum Glück bin ich multitaskingfähig.
Bei Thomas wurde inzwischen die Bauernstruktur festgelegt, was entweder Hoffnung verheißen konnte, weil jetzt nicht mehr jedes durch Abtausche erreichbare Endspiel verloren sein würde, oder aber den endgültigen Sargnagel. Es geschah Letzteres: einige Züge später war Steffen Eisele nicht nur in Thomas‘ Stellung eingebrochen, er hatte auch noch dessen Springer an den Rand abgedrängt. Hoffnungslos!
Wenn ich mich mit Schwarz in einer königsindischen Struktur befinde, muß man mir schon eine große Karotte anbieten, damit ich mich von meinem Damenläufer trenne. Enis hingegen tauschte seinen ohne für mich erkennbaren Grund gegen den Springer auf f3.
Thilo opferte auf f7. Ich konnte keine überzeugende Fortsetzung sehen, da der schwarze König von Leibwächtern umgeben, und Thilos eigene Grundreihe schach war. Andererseits ist Thilo taktisch besser als ich, und falls das Opfer durchschlägt, ist es brilliant.
Richards Gegner gab noch eine Qualität, hatte jetzt also einen Springer gegen einen Bauern im Damenendspiel weniger. Das sollte klar gewonnen sein.
Zu unser aller Überraschung schaute Gerhard Schmidberger, Sabines Vor-Vorgänger, in dessen Garten vor langer Zeit die Vereinsfeste stattfanden, vorbei, um für die Heilbronner Stimme über die neue Kooperation zwischen Unternehmen und Verein zu schreiben. Beehrt wurden wir etwa zu dieser Zeit dann auch von Herrn Schaul von der Prisma Geschäftsleitung, der mit seiner Frau und seiner Tochter eigens angereist war, um sich ein Bild vom Geschehen zu machen, und beim Plausch mit Herrn Weber, Sabine, Gerhard und Julian sicherlich den ein oder anderen wertvollen Einblick in die Welt des Schachs gewinnen konnte.
Doch zurück zum Sportlichen: Anstatt mit g3 und f4 am Königsflügel Linien zu öffnen, hatte Nicolas auf dumme (wahrscheinlich der knappen Bedenkzeit geschuldete) Art Material und die Partie eingestellt.
Niko strebte indes mit f5 eine vorteilhafte Öffnung der Stellung an.
Enis seinerseits hatte nach dem Damentausch höchstens symbolischen Vorteil.
Thilo jagte den gegnerischen König quer übers Feld auf den Damenflügel in Sicherheit. Die Grundreihenschwäche und den Minusturm behielt er aber. Anstelle des Opfers gegen die passive Verteidigungsstellung wäre wohl langsames Verstärken des Druckes angebracht gewesen. Damit hat Thilo leider gegen seinen alten Verien die lange Rochade vollgemacht. Als Kay Hornig vorbeischaute, war der Mannschaftskampf also leider schon verloren.
Enis befolgte daraufhin den Rat der alten Sowjettrainer, nach zwei Niederlagen erstmal ein Remis einzuschieben, und verzichtete darauf, die Stellung zu überziehen.
Richard holte schließlich den Ehrenpunkt für uns – bereits sein zweiter Sieg in dieser Oberliga-Spielzeit!
Mit Jugendleiter Saygun Sezgin, Schriftführer Marcel Mikeler und zweitem Vorsitzenden Michael Eberhard kam, sofern ich niemanden vergessen habe, noch der komplette Vorstand. Ich bat Photograph Tobias Doll aus Öhringen, seine Bilder an Ramin zu schicken, damit jener sie diesem Bericht beifügen kann.
Niko hatte inzwischen klaren Vorteil dank starkem Druck am Königsflügel. Solche Stellung bis zum Ende zu kneten ist seine Spezialität. Kurz darauf hatte sich sein Gegner mit einem Qualitätsopfer einen a-Freibauern verschafft und den stärksten Druck gebrochen. Dennoch sollte die Stellung gewonnen sein. Doch dann verschanzte sich sein Gegner in einer Festung und stellte selber mit der Dame Gegendrohungen auf. Remis.
Nach dieser zweiten deutlichen Niederlage in Folge ist hoffentlich jedem klar, dass der zweite Platz der letzten Saison kein knapp verpasster Aufstieg, sondern womöglich nur ein statistischer Ausreißer nach oben infolge vieler knapper Siege war. Setzt euch auf den Hosenboden, Männer! Es geht um den Klassenerhalt! Muss ich euch an die Biberacher erinnern, welche in unserer ersten Oberligasaison noch Zweiter wurden und zwei Jahre später mit derselben Mannschaft abgestiegen sind? Ich will Blut, Schweiß und Tränen sehen! Kämpft bis zum letzem Atemzug (vorzugsweise des Gegners)! Ich darf und werde euch drei Mal helfen, aber die richtige Einstellung mitbringen müsst ihr selber!
Übrigens ist das purer Egoismus, denn ein Absteiger nach Nordwürttemberg schmälert auch die Chancen der zweiten Mannschaft.