„Live“ticker zur DVM – Update: Spieltag 2

Wie Ramin schon erwähnt hat, ist unsere erste Jugendmannschaft aktuell bei der Deutschen Vereinsmeisterschaft U20. An 12 von 16 gesetzt und mehr oder weniger gebeutelt von nicht zufriedenstellenden Platzierungen in den letzten Jahren wollten wir natürlich zunächst kleinere Brötchen backen. Dabei wollten wir vor allem unsere mannschaftliche Geschlossenheit und eine ausgeglichene Mannschaft als Trümpfe einsetzen.

Gleich in der ersten Runde bekamen wir sozusagen eine „2.0“-Version von uns vorgesetzt, und zwar den SK Doppelbauer Kiel. Jene hatten keinen besonders hervorstechenden Spieler (z.B. spielt mit Christopher Noe ein 2400er bei diesem Turnier mit), dafür hatten sie keinen Spieler mit weniger als 1900 DWZ, wodurch sie wie wir sehr ausgewogen aufgestellt waren, aber halt eine gute Ecke besser. Dafür begann das Spiel umso vielversprechender und Dmitriy konnte gleich punkten. Tobias Peng nutzte einen Fehler seines Gegner gnadenlos aus, dafür verlor Kim-Luca leider relativ schnell, weil er seine Dame komisch eingeparkt hatte. Mit einem überzeugenden Sieg von Simon und einer unglücklichen Niederlage von Marcel hing es an Patrick. Er spielte eine gute Partie und opferte einen Bauern für Initiative und einen starken Freibauern auf d6. Dafür spielte er 1x zu gierig und holte sich seinen Bauern zurück, woraufhin sein Gegner gewinnbringend aktiv im Damenendspiel wurde. Schade, aber ein 3-3 war dennoch ein guter Start.

In Runde 2 bekamen wir den anderen Teilnehmer aus Schleswig-Holstein, den Lübecker SV. Wer hier und da Meisterschaften auf Bundesebene verfolgt, dem werden Namen wie Alexander Rieß und Kevin sowie Martin Kololli geläufig sein, welches alle drei sehr starke Jugendspieler sind im Bereich 2100-2200. Dafür waren wir an den Brettern 4 und 5 in der Favoritenrolle und an Brett 6 hatten wir sogar einen kampflosen Erfolg, weil der Lübecker Schlussmann kurzfristig erkrankt war. Patrick war etwas mitgenommen von der Niederlage morgens und konnte Martin Kololli positionell wenig entgegensetzen und verlor damit leider relativ schnell. Simon setzte unseren Plan um und holte an Brett 3 ein Remis, was wichtig war, da wir vorne halten und hinten gewinnen wollten. Kim-Luca überspielte seinen Gegner komplett und hatte im Mittelspiel drei Mehrbauern, die er konzentriert nach Hause schieben konnte. Dann begann ein langes Remis-Taktieren. Tobias hatte eine ausgeglichene Stellung, ich musste ihm aber „verbieten“, Remis zu machen, weil bei Marcel Einiges unklar war. Als Tobias einen Bauern gewann und reelle Gewinnchancen hatte, schien meine Taktik aufzugehen. Marcel bestrafte die Gier seines Gegners konsequent und leitete einen Mattangriff mit Dame und schwarzfeldrigem Läufer ein, bei dem die weiße Dame auf e6 gestrandet war und der Läufer auf h3 nur ein Statist war. Tobias gewann dank Schnitzer seines Gegners noch und so hatten wir den Mannschaftssieg perfekt!

Was bei Marcel dann passierte, war unglaublich. Er hatte mehrere Züge lang mehrere Mattmotive in der Stellung, schlug dann aber lieber den weißen Läufer, bis er unangenehm überrascht wurde. Dank weißem Dg3+ waren Kg7 und schwarzer Le3 angegriffen und Marcel hatte plötzlich ein reines Damenendspiel mit zwei Minusbauern und es wurden sogar noch drei. Aus Trotz (wir hatten ja schon gewonnen) spielte Marcel weiter und es begann ein Wettrennen von Marcels a-Bauer gegen den gegnerischen h-Bauern, wobei beide Könige komplett offen waren und die drei weißen Mehrbauern auf c3, d3 und e4 wertlos. Ich wusste nicht, wie die Stellung einzuschätzen war, aber ich ging davon aus, dass Weiß Dauerschach geben musste. Marcels Gegner reagierte ebenso trotzig wie Marcel vorher und rannte mit seinem h-Bauern durch, wodurch auch Marcel eine neue Dame bekam. Scheinbar unterschätzte er, wie stark es ist, das Zugrecht in solchen Stellungen zu haben, denn Marcel war am Zug und machte mit seinen zwei Damen kurzen Prozess. Damit rettete Marcel seinen Tag und baute unseren Sieg sogar auf 4,5-1,5 aus.

Wir spielen morgen an einem Tisch mit Liveübertragung gegen den SK Münster. Jene sind an Sechs gesetzt und wir planen, unsere Konzentration nicht abreißen zu lassen, um möglicherweise den nächsten Coup zu landen.

Spieltag 2 ist vorbei.
Heute Morgen lief es wie mit den guten Vorsätzen für das neue Jahr. Im Vornhinein sagt man viel, verspricht sich selbst und anderen Leuten (zu) viel und letztendlich hat man allen Leuten nur in die Tasche gelogen. Es erinnerte mehr an russisches Roulette als an konzentriertes Schachspielen. Simon beging mehr oder weniger einen Eröffnungsfehler und wurde nach wenigen Zügen komplett überrannt. Das war schon einmal kein guter Start. Kim-Luca überlebte die Eröffnung, spielte danach aber viel zu lasch und ließ sich einfach zusammenschieben. Nach wenigen Stunden 0-2 hinten liegen ist kein gutes Omen, auch weil man dann jedem Spieler „du musst auf Gewinn spielen“ zuflüstern muss. Wenn ich selbst spielen würde und diesen Satz in den entsprechenden Stellungen heute morgen gehört hätte, hätte ich mich gefragt, ob mein Mannschaftsführer komplett am Rad dreht. Marcel setzte in einem scharfen Königsinder die Pläne zunächst gut um und es war nur eine Frage der Zeit, bis er am Damenflügel durchbrach. Sein Gegner war ein Strohfeuer rein mit f4-f3, was an sich nur ein Bauerneinsteller war. Marcel spielte daraufhin aber nur noch rückwärts und als die schwarze Bauernkette f3-g2 als Sargnagel drin war, war es im Prinzip schon aus. Tobias war einer der Leidtragenden der „kein Remis“-Politik und musste ein an sich ausgeglichenes Doppelturmendspiel etwas überziehen. Mehr als ein Ein-Turm-Endspiel mit Minusbauer konnte er nicht erreichen, welches aber theoretisch remis ist, Stichwort „Philidor-Stellung“ bzw. „Sechste-Reihe-Verteidigung“. Tobias verlor trotzdem. Dmitry erreichte mit schnörkellosem Spiel eine gewonnene Stellung im geschlossenen Sizilianer. Als dann aber Schnörkel erforderlich waren, hatte er zu wenig Zeit, um die Varianten zu berechnen. So verlor er Bauer um Bauer und die Aufgabe sollte bald kommen. Sein Gegner parkte dann noch eine Figur einzügig ein (Deutsche Meisterschaft…) und Dmitry duselte sich zum Sieg. Patrick spielte als einziger Spieler wirklich gut und konnte die schlechten Züge seines Gegners gut ausnutzen. Abschließend gewann er noch eine Figur und hatte mit Bauer a3 + Läufer b4 + Turm gegen Bauer b5 + f5 + Turm nur noch die Aufgabe, die Bauern des Gegners abzuholen, da das Endspiel mit Türmen trotz „falschem“ Läufer theoretisch gewonnen ist. Unter Ausnutzung von Mattmotiven gelang ihm das auch, von Anfang bis Ende wie aus einem Guss gespielt.

Wahrscheinlich lag es daran, dass wir kurzfristig an einen „Nicht-Live-Tisch“ versetzt wurden. Diese Tatsache demoralisierte unsere Jungs sicher sehr.

Für Runde 4 stand am selben Tisch wie in Runde 3 der SC Forchheim auf dem Plan. Hier wollten wir uns wieder von unserer besseren Seite zeigen. Dabei begann es alles andere als gut. Tobias erreichte gegen den Deutschen Meister U18 2013 (? weiß es nicht mehr), Florian Ott, schnell eine perspektivlose Stellung. Sein Remisangebot war immerhin ein netter Versuch. Der Tag lief für Tobias zwar ziemlich schlecht, aber wir sind uns sicher, dass wir ihn wieder auf die Reihe bekommen. Kim-Luca vermischte zwei Eröffnungsvarianten und voilà, eine verlorene Stellung gab es. Sein König klebte dank einer Batterie von La6 + Dc4 in der Mitte fest. Kurioserweise wollte Schwarz lieber die Damen tauschen. Das Angebot nahm Kim-Luca dankend an und so gab es ein Remis. Dafür lief es dann bei den anderen besser. Jonas kam zu seinem ersten richtigen Einsatz und dankte es mit einem souverän herausgespielten Sieg. Ähnlich wie bei Patrick in Runde 3 ziemlich nahtlos, darauf kann man aufbauen. Simon verstand es, die kleinen Ungleichgewichte im Spanier für sich auszunutzen und überspielte seinen Gegner gekonnt am Königsflügel. Patrick rannte mehr oder weniger in eine Vorbereitung, was aber nicht weiter schlimm war. Mit einem wunderschönen Läufer auf f6 und dem Hebel c6-c5 gewann er auf der langen Diagonale entscheidend Material. Damit hatten wir den Sieg sicher. Marcel knetete bis zum absoluten Schluss (aber er war nicht der Letzte, der gespielt hat, wir sind nicht für die ganzen Verzögerungen zuständig!), aber es war nicht mehr als Remis drin. Dafür kann Marcel morgen mit Weiß wieder angreifen.

Am 29.12. spielen wir tatsächlich an einem Live-Tisch – nicht gegen Porz, nicht gegen Hamburg, nicht gegen Frankfurt, nein, gegen Zitadelle Spandau aus Berlin, womit wir runtergelost werden. Groß rumtönen sollten wir aber nicht, da jedes Spiel von 0 anfängt (oder 0.12, wenn man die Engine vor Zug 1 anmacht). Wir haben hier eine sehr große Chance, nach ganz vorne zu stoßen – schließlich haben wir jetzt nach vier Runden genauso viele Punkte wie letztes Jahr nach sieben Runden.


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