Time to Say Goodbye – Teil 2

Pünktlich am 26.12.2014 um 10:15 morgens machten wir uns auf den Weg nach Naumburg. Im Vergleich zu den letzten Jahren hatten wir eine sehr starke Mannschaft – auch dank unseres Rückkehrers Enis.
An 12 gesetzt wollten wir mindestens die Top10 erreichen. Dass es eine DVM der verpassten Chancen werden sollte, war noch nicht klar, als wir nach knapp 5 Stunden
unter ‚Zieh den Kopf aus der Schlinge, Bruder John‘ im Euroville „Hotel“ ankamen.

Einen Vorteil gegenüber Osnabrück hatte das Euroville „Hotel“, wir durften die Sporthalle (deren eines Drittel unser Spielort war) benutzen und so konnten wir Bebenhausen am ersten Abend beim Kicken
die einzige Niederlage seit langem zufügen.
Die Nachteile waren jedoch in der Überzahl: wenig Auswahl beim Essen/fast ungenießbares Essen, 3-5 Bettzimmer und vor allem kein WLAN, was die eine oder andere Vorbereitung durchkreuzte. Außerdem spielten die U20w getrennt von uns
im Hauptgebäude, wogegen wir jedes mal zur Sporthalle laufen mussten. Nach dem Schneeeinbruch am 2. Spieltag nicht sehr angenehm.

Nun gut, am 27. um 8:30 wurde die erste Runde pünktlich freigegeben. Wir spielten gegen die SG Porz, einen der Widersacher von Bebenhausen um die deutsche Meisterschaft.
Meine Partie verflachte am schnellsten. Wir spielten 16 Züge Vorbereitung, wonach er abwich und ich ungeschickt abtauschte, was zu einem Remisendspiel führte. Auch bei Dmitry sprang nur ein Remis nach einem komplett relativ ausgeglichenen
Spiel. Tobias übersah leider den Gewinnzug 24.Sd6! in einer bis dahin starken Angriffspartie. In dem entstehenden Endspiel hatte er Läufer und 2 Mehrbauern gegen Turm. Enis Stellung war zu diesem Zeitpunkt sehr kritisch, er übersah ein taktisches Motiv und konnte den gegnerischen Freibauern nicht mehr aufhalten. Patricks Partie ging leider auch verloren und so stand es 2:1 gegen uns. Marcel konnte seine Partie souverän gewinnen und ausgleichen (keine Ahnung,
warum sein Gegner ihm einen gedeckten Freibauern auf c3 schenkte, indem er den Läufer schlug…). Tobias versuche also sein Glück im Sturm, verlor aber seine Mehrbauern und musste sich schließlich doch geschlagen geben – nach Rudis zwischenzeitlichem Kommentar „das hätte er doch 10 mal gewinnen müssen“. Bei Enis entstand eine interessante Stellung mit 3 Damen auf dem Brett, doch leider konnte er kein Remis mehr halten und verlor gegen den stark spielenden Carlo Pauly, der bei der Siegerehrung den Preis fürs beste erste Brett bekam. 2:4 also gegen eine nominell deutlich stärkere Mannschaft und es war mehr drin.

Zu der zweiten Runde gibt es kaum etwas zu sagen. Wir spielten gegen Saarbrücken, deren DWZ-Schnitt sogar noch 300 Punkte unter unserem lag. Wenige Stunden später stand es dementsprechend 6:0 für uns.
Einzig meine Partie war zwischenzeitlich kritisch. Ich hatte die Eröffnung verhunzt (7. … Lxb1 in Caro-Kann widerlegt selbst ein Anfänger problemlos) und ich gewann nur durch Glück, da mein Gegner en passent wohl nicht kannte und mir ein schönes Matt (war es!) erlaubte. Die anderen schauten mich verständlicherweise nur fassungslos an bei meiner Ankunft zum Abendessen.

Am nächsten Morgen stand es schon vor Spielbeginn gegen USV TU Dresden schlecht um uns. Am vorigen Abend schlug das Essen des Hotels zu und so ging es mit Magenbeschwerden ins Bett. Bei Marcel machte sich dies besonders bemerkbar, unser Topscorer bis dahin übersah eine Springergabel in einer sonst schon verlorenen Stellung. Dmitry wickelte im Sizilianer früh in ein Endspiel mit gleichfarbigen Läufern ab, was aber in ein Remis führte. Patrick hatte lange Zeit gegen seinen 250 Punkte stärkeren Spieler eine gute Stellung, verlor aber das Endspiel unglücklich, als er versuchte, mit seinem König seinen Freibauern vorzudrücken – dadurch konnte er die Bauernüberzahl am Königsflügel nicht mehr aufhalten.
Tobias zeigte wieder eine Angriffspartie mit Turmopfer, konnte aber nur ein Dauerschach herbeiführen. Bei mir kam mal wieder Englisch aufs Brett (was auch sonst?) und der von mir gefürchtete schwarze Zug f5. Normalerweise lasse ich mich so gerne von stärkeren Gegnern überrollen, aber dank der Vorbereitung von Daniel Diller konnte ich eine durchweg gute Stellung halten und in ein Damenendspiel mit Mehrbauern kommen.
Im Nachhinein kann ich nicht sagen warum, aber da die Mannschaftsniederlage feststand (Enis Stellung war kaputt), hatte ich keine Lust, die Stellung auszuspielen und bot Remis, welches mein Gegner dankend annahm. Enis hatte mit schwarz FM Maximilian Neef als Gegner und wurde langsam, aber sicher, zusammengeschoben. Es setzte also eine verdiente 1,5:4,5 Niederlage.

Am Nachmittag mussten wir nach einem sehr leckeren Mittagessen (Übergeb…äh…Kartoffelsuppe mit Wurststücken, genau das richtige für Enis und alle anderen Muslime/Vegetarier, vor allem da es mal wieder sonst keine Auswahl gab) gegen die Ausrichter SV Merseburg
ran. Enis bereitete sich mittags statt zu essen vor, und bekam eine wirklich sehenswerte Variante aufs Brett, diese Partie ist eine Analyse wert. Enis machte also seine Niederlage am Morgen wieder wett und gewann souverän.
Tobias und sein Gegner spielten laut Rudi totalen Mist („Der Zug war schlecht, danach wirst hier zusammengeschoben und gehst da Matt, Meister.“). Am Ende sprang doch irgendwie ein Remis raus.
Patrick mühte sich ab, doch sein Gegner gab sich alle Mühe, die Stellung komplett dicht zu machen. Trotz Bauerngewinns fand Patrick den Gewinnweg am Brett leider nicht und musste beim 3. Remisangebot seines Gegners annehmen.
Es stand 2:1 für uns. Marcel stellte früh einen Bauern ein, wurde zusammengeschoben und sein König im Eck eingesperrt, wieder von einem Springer aufgegabelt und mit einer Niederlage zum Essen geschickt.
Leider war der 2. Spieltag nicht sein Tag. 2:2. Bei mir kam die Caro-Kann-Abtauschvariante aufs Brett. Ich ergriff früh mit schwarz die Initiative und konnte einen Angriff auf den Königsflügel starten. Dabei übersah ich aber den eindeutigen Gewinnweg und hatte
nach c4 und der Öffnung des Zentrums Probleme, da ich meine Königssicherheit zugunsten meines Angriff vertagt hatte. Mein Versuch, mit dem König in die weiße Stellung einzudringen, ging schief, ich stellte meinen Läufer ein und stand laut Houdini plötzlich -20. Mein Gegner wiederum versaute es und ich konnte im Endspiel Remis halten. Meiner Meinung nach eine sehenswerte Partie (voller Fehler).
Es stand 2,5:2,5 und Dmitry spielte noch. Bei ihm kam der Panov-Angriff aufs Brett. Nach frühem Damentausch „verflachte“ die Partie schnell zu einem Endspiel mit Turm+Läufer+5 Bauern gegen Turm+(gleichfarbiger) Läufer+5 Bauern.
Dmitry gelang es, einen Bauern gewinnen, welchen er kurz darauf wieder bei dem Versuch einstellte, einen Freibauern zu bilden. Leider schenkte er seinem Gegner dadurch einen Freibauern. Er stellte seinerseits Bauern ein und verlor.
2,5:3,5. Schade, es wäre deutlich mehr drin gewesen, wenn man Patricks und Dmitrys gewonnen Stellungen bedenkt.

Am nächsten Tag spielten wir gegen den letztgesetzten Meuselwitzer SV – eigentlich wieder eine 6:0-Aufgabe wie in der 2. Runde. Eigentlich.
Enis kam gegen einen nominell deutlich schwächeren Gegner in einer durchweg relativ ausgeglichenen Partie nicht über ein Remis hinaus. Tobias Gegner übersah einen Abzug, was ihn Turm und Partie kostete. Patrick konnte einen Mehrbauern nicht verwerten und konnte auch nicht gewinnen. Ich schaffte es nicht, meine Hand zum Freibauern zu bewegen und ihn laufen zu lassen, was den Gewinn bedeutet hätte, und nahm ein Remisangebot – auf Enis Rat hin – in einer noch leicht besseren Stellung an.
Marcel setzte seine Pechsträhne fort. Er hatte schwarz gegen eine 1200-erin und lief im 19. Zug in ein Matt in 6 – sehr unerwartet. Es stand 2,5:2,5 und es kam wieder einmal auf Dmitry an. (Anmerkung: Die Version online ist fehlerhaft).
Er bekam in relativ schlechter Stellung ein Remisangebot, spielte aber dennoch weiter und konnte seine Partie schließlich noch gewinnen. 3,5:2,5 – Glück gehabt.

Nachmittags stand nun das herbeigesehnte Duell mit dem SC Erlangen an. Erlangen hatte bis dahin auch erst 4 MP gesammelt, und das trotz der 3. Position in der Setzliste. Unsere Devise lautete: Vorne irgendwie Punkte abgreifen und hinten gewinnen.
Zusätzlich gab es noch einige zusätzliche Motivationsfaktoren für dieses Spiel: Rudi wollte Patrick für einen Sieg gegen seinen Bruder Philipp 100€ geben und Enis lobte einen nicht jugendfreien Preis für einen Mannschaftssieg aus.
Unser ursprünglicher „Matchplan“ war nach wenigen Zügen bereits über den Haufen geworfen: Hanna Marie Klek kannte sich im Belgrader Gambit nicht aus, mit welchem sie wohl von Enis überrascht wurde, da es für weiß eigentlich unvorteilhaft ist bei genauem schwarzen Spiel. Sie spielte 9. … Lg4?, was Enis früh einen Mehrbauern bescherte. Tobias Gegner Eduard Miller hatte einen schlechten Tag erwischt und wurde von Tobias in 13 Zügen zur Aufgabe gezwungen.
Enis konnte wenig später seinen Vorteil in einem Mittel/Endspiel mit unrochierten Königen und Doppelbauern auf beiden Seiten ausbauen und wenig später den 2. Punkt für uns holen. Bei Patrick sah es dagegen nicht gut aus.
Philipp hatte früh ein gewonnenes Endspiel und wir rechneten mit einer Niederlage Patricks. Marcels und Dmitrys Partien waren lange Zeit ausgeglichen bis leicht besser, meine Partie ging mal wieder auf und ab. Es wurde also ziemlich knapp.
Aber zurück zu P. Wenninger – P. Wenninger: Philipp opferte eine Qualität, um einen Freibauern zu bekommen. Allerdings wählte er den falschen Bauernzug und spielte 40. … e3?? mit seinem gewohnt siegessicher wirkendem Blick.
Patrick spielte nach kurzer Überlegung die richtige Antwort und als Rudi die Stellung sah, verließ er den Spielsaal, um 100€ zu holen. Philipp merkte, dass er etwas übersehen hatte und versank eine lange Zeit ins Grübeln.
Half ihm aber auch nichts, wenige Züge später hatte Patrick die Partie gewonnen.
Es stand völlig unerwartet 3:0 für uns. Dmitry stellte leider die gute Stellung, die er nach der Eröffnung hatte, ein und konnte irgendwann den weißen h-Freibauern nicht mehr aufhalten, da sein eigener Königsangriff verpuffte.
Meine Stellung entwickelte sich zu einem Endspiel mit Läufer und Mehrbauer auf meiner Seite gegen Turm. Leider wählte ich die falsche Verteidigung und musste nach 80 Zügen gegen Daniel aufgeben. Bei Marcel gab es am Ende eine Parallele zu seiner Partie gegen Erlangen von letztem Jahr. Er wählte den falschen Turmzug (damals den falschen Königszug) und hatte statt einer Remisstellung plötzlich eine Verluststellung auf dem Brett. Schade, 3:3.

Das Fußballturnier am Abend wurde zu einer schmerzhaften Angelegenheit. Viele Spieler auf kleinem Raum, Verletzungen an Knie und Ellenbogen und nur Niederlagen. Dass Philipp einmal unser konditionell stärkster Spieler sein sollte, hatte man bei Enis und meiner ersten DVM 2008 nicht erwartet 😉
Den Abend danach gingen wir vergleichsweise gemütlich an (es gab einige Beschwerden über andere Mannschaften), spielten Poker und PES. Vielleicht hätten wir die Musik doch lauter drehen sollen, Baden-Baden bereitete sich mit GM Schmaltz im Nachbarzimmer gegen uns vor.

Nachdem wir am letzten Morgen unser Gepäck wieder in den Kleinbus geladen hatten (ziemlich ätzend im Schnee), mussten wir im Derby gegen Baden-Baden ran.
Dmitry nahm sehr früh ein Remisangebot in besserer Stellung an, Marcel eins in relativ ausgeglichener Stellung (beide auf Enis Rat hin). Meiner Ansicht nach sehr unglücklich, da Tobias und ich zu diesem Zeitpunkt schlechter standen.
Enis spielte Caro-Kann und überraschte erneut seinen Gegner. Der ließ sich aber nicht wir Hanna Klek überrumpeln und so entstand ein ausgeglichenes Endspiel. Tobias gelang wie durch ein Wunder ein Patttrick
und Patrick musste sich ins Dauerschach flüchten. Ich verspielte wieder mal meine Partie (so schnell wird aus 3/5 3/7) und wir lagen 3:2 hinten. Enis versuchte alles, um uns einen versöhnlichen Abschluss zu gewähren,
konnte seine Partie aber nicht gewinnen. Das war es also. Für Enis und mich sehr enttäuschend, hatten wir uns doch einen Platz in den Top10 erhofft. Dass meine letzte Partie für die Mannschaft durch so dumme Fehler verlorenging, versetzte mich in eine so schlechte Laune, wie sie nur Enis nach seinem Remis übertreffen konnte.

Am Ende sprang ein 13. Platz heraus, wir sind also einen Platz abgerutscht. Bebenhausen wurde (wie erwartet) Deutscher Meister und unser Topscorer Tobias (4,5/7) konnte endlich die 2000er-Marke knacken.
Zum Abschluss gab es noch eine Schneeballschlacht (der Schnee hatte also auch etwas Positives) und abends nach Ankunft daheim ein gemeinsames Essen im Sharkey’s.

Fazit: Zwei knappe Niederlagen in der 3. und 7. Runde, eine Startniederlage, bei der auch mehr drin gewesen wäre und ein Unentschieden gegen Erlangen, welches wider Erwarten ein Sieg hätte sein müssen. Das Glück und die Souveränität der BaWü-Liga konnten wir wieder einmal nicht zur DVM mitnehmen. Viel Erfolg der jetzigen Mannschaft, dass sie die Qualifikation erneut schafft und es dieses Jahr besser macht!


Kommentare

Time to Say Goodbye – Teil 2 — Ein Kommentar

  1. Hallo Biefi,

    wirklich ein toller Bericht! Ich hoffe du bleibst uns trotz Studium noch lang erhalten, auch wenn die Zeiten in der Jugend-Mannschaft jetzt leider vorbei sind 😉

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