Sicherlich kennt jeder durchschnittliche Mensch von irgendwoher das Gefühl, das einem kommt, wenn man total versagt hat. Es ist ein schreckliches Gefühl, das einen auf den Boden der Tatsachen zurückholt und dabei komplett ohne Vorwarnung.
Als würde dir dein bester Freund einen Schlag in den Magen versetzen, weil du ihm seine Freundin ausgespannt hast. Der Blitz, der aus heiterem Himmel einschlägt und deine Welt in Flammen aufgehen lässt. Der tragische Unfall auf der Autobahn, der aus einem Sekundenschlaf resultierte.
Lassen wir nun aber das Überdramatisieren des Schachspiels und betrachten wir nüchtern die Ereignisse des 15.02.2014.
Als kurze Vorgeschichte sei noch erwähnt, dass wir händeringend nach einem Ausweichtermin für das Halbfinale des KO-Pokals Unterland gegen den SC Ingersheim gesucht hatten, da das Spiel ursprünglich für den 08.02. angesetzt worden war. Aufgrund Spielermangels beider Seiten schien es fast so, als könnte das Spiel nicht verlegt werden. Relativ kurzfristig erhielten wir dann aber urplötzlich die Zusage, dass die Ingersheimer eine Mannschaft für den 15.02. zusammenbekommen hätten, wodurch uns etwas unwohl wurde, da die Ingersheimer extra wegen uns das Spiel verschoben hatten und wir für den 15.02. interessanterweise aus dem Vollen schöpfen konnten – Nicolas, Robin, Ramin, Julian und ich konnten spielen.
Somit machten sich Ramin, Robin und ich um 13.30 Uhr auf dem Weg nach Ingersheim, wobei Ramin freiwillig auf der unbeliebten Rückbank meines Cabrios Platz nahm – dass man da durchaus an Platzangst erkranken könnte, wissen unsere Jugendlichen am Besten, die sich sogar zu dritt auf die zwei Notsitze hinten gequetscht haben. Da ich das offiziell gar nicht dürfte, sollten wir dieses Geheimnis alle für uns behalten.
Im Ingersheimer Rathaus trafen wir dann auf Julian und Nicolas, welcher zum ersten Mal in dieser Saison ein Pflichtspiel für uns bestreiten konnte. Bereits im Vorfeld wurde ausgemacht, dass Ramin nur als Zuschauer und Cheerleader dabei war, zudem war Robin vehement dafür, dass Julian Schwarz haben müsste. Als Gastmannschaft hatten wir an Brett 1 und 4 Weiß, an Brett 2 und 3 Schwarz. Kombiniert mit der Spielstärke der einzelnen Spieler ergaben sich folgende Paarungen:
Bluma, Marcel – Blum, Nicolas
Zikeli, Saskia – Stürmer, Robin
Schuran, Werner – Bissbort, Julian
Turski, Tomasz – Zuferi, Enis
Robin hatte dabei leider nie eine realistische Chance, zu gewinnen. Die Hauptvariante (3. Sc3) der Caro-Kann-Verteidigung behandelte er mit 3…g6 ungewöhnlich, auch wenn dies ein spielbarer Weg ist. Einen weißen Läufer auf d3 tauschte er dabei über Lf5 ab, was ihm einen Doppelbauern auf der f-Linie bescherte, den er dann nicht korrekt verteidigte und somit verlor. Sehr lange verteidigte er dann ein Turmendspiel mit zwei Leichtfiguren mit einem Minusbauern. Zeitweise erschien ein Remis sogar greifbar, da Robin aktives Figurenspiel hatte und zudem einen weißen Doppelbauern auf der g-Linie erzwang, was den Mehrbauern ein gutes Stück entwertete. Nach erzwungenem Turmtausch entfaltete sich jedoch leider die Macht des Läufers gegenüber des Springers bei Bauern auf beiden Bretthälften, womit der Sieg Saskias nur noch Formsache war.
Tja, 0-1 also.
Nicolas hatte gegen Marcel Bluma nach einem Läuferspiel (1. e4 e5 2. Lc4) zwar minimalen Vorteil rausgeholt, Marcel konnte sich aber umsichtig genug verteidigen. Als Nicolas dem schwarzen Springer auf f7, welcher nur passiv deckte, freien Zugang zum Brett gewährte, schien die Partie gelaufen, denn dies war die letzte (von zugegebenermaßen sehr wenigen) Situation, in der Nicolas einen umsetzbaren Vorteil hätte erspielen können. Folglich war der logische Ausgang der Partie ein friedliches, nie wirklich gefährdetes Remis zwischen zwei starken Spielern.
Tja, 0,5-1,5 also.
Julian spielte die interessanteste und abwechslungsreichste Partie des Tages. In der Rossolimo-Variante (1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5) fühlte sich Julian scheinbar nicht wohl und setzte mit g6, e6 und Sge7 auf ungewöhnliche Weise fort. Weiß kam zur Ausdehnung seines Zentrums via c3 und d4, als der d-Bauer drohte, nach d6 einzudringen, erwiderte Julian selbst d6 und e5, wodurch die Partie in eine königsindische Variante überging. Wie zu oft verbrauchte Julian zu viel Zeit und geriet nach einem Bauernraub auf b2 in arge Verlegenheit, da sich somit Linien für die weißen Türme öffneten. Aus einem Zeitnotgefecht heraus sah sich Julian mit zwei Leichtfiguren und potenziellem Angriff gegen den König einem Turm von Weiß mit zwei Freibauern gegenüber, wodurch die Stellung weiterhin genauestes Spiel erforderte. Leider verpasste Julian wenige Züge nach der Zeitkontrolle die einzige Chance, zu gewinnen, indem er mit seinen Figuren die weißen Bauern unter Drucks setzte, um so die weißen Figuren zu binden und stellte sich auf passive Verteidigung gegen den gedeckten Freibauern auf d5 um. Somit war es für Werner Schuran kein Problem trotz Minusfigur nach geopferter Qualität den Remishafen zu erreichen.
Tja, 1-2 also.
Ich blieb also als Letzter…nein. Genau genommen war ich weit vorher als Erster fertig. Wieso ich das erst jetzt erwähne? Vielleicht will ich von meiner eigenen Unfähigkeit ablenken und mir einreden, dass wir selbst mit einem Sieg meinerseits nicht weitergekommen wären (Stichwort Berliner Wertung). Oder ich spare mir das Beste, bzw. in dem Fall das Schlechteste, für den Schluss auf.
Ich probierte mich wie gegen Michael Edam (KO-Pokal) und Georg Braun (BW-Jugendliga) an 1.e4 und bekam die Pirc-Verteidigung vorgesetzt. Gegen diese Eröffnung hatte ich bis jetzt nur eine Partie gespielt und dies auch nur nach Zugumstellung (1. d4 g6 2. e4 Lg7 3. Sc3 d6 4. f4 Sf6), jedoch gewann ich dort in überzeugender Manier gegen einen relativ starken Gegner nach einem Feuerwerk der Figurenopfer nach knapp 20 Zügen. Also dachte ich mir „wird schon klappen“ und spielte erneut den Dreibauernangriff. Erstaunlicherweise klappte alles nach Plan und nach 14 Zügen stand ich theoretisch komplett auf Gewinn, da ich die h-Linie öffnen konnte und zudem jegliches schwarzes Gegenspiel gegen meinen lang rochierten König im Keim erstickt hatte. Der Gewinnplan war klar und in meinem Kopf dauerte die Partie noch maximal 10 Züge. Naja, bis der Blitz halt einschlug:
Der von Fritz 13 erstellte Pfeil zeigt es ja. Schwarz hat grad – ohne großes Überlegen – Sc5 gezogen und droht meine Dame zu gewinnen. Sein Pokerface gab mir keine Information, dass ich hier mit der simplen Fesselung Dc3 einfach die Figur gewonnen hätte. Mein Gegner Tomasz meinte dazu nur: „Danach hätte ich sofort aufgegeben“. Tja…
Ich realisierte nur …Se4 und blendete den Springer komplett aus, da mir Se4 eben nicht als Drohung erschien. Somit ging es weiter daran, den eigenen Masterplan zu vervollständigen. hxg6, Sg5, Th7, Tdh1, Txg7+, Th7+, Dh2 (irgendwie halt auf die h-Linie bringen) und aus ist es. Also zog ich hxg6…grad als ich den Zug notieren wollte, erschien der Springer auf b3. Völlig konsterniert gab ich die Partie sofort auf und musste mich erst einmal wieder fassen, da mir so ein grober Patzer schon lange nicht mehr passiert ist.
Achja: selbst ohne Dc3 und Gewinn des Sc5 zeigt die Engine einen Vorteil von knapp +3 – drei Bauern – an, da Schwarz praktisch mit einer Minusfigur (Lc8) spielt und auf der h-Linie einzufahren droht.
Tja, 1-3 also.
Ein bitteres Ergebnis, aber die starken Ingersheimer (denen ich hier noch gratulieren will), die uns fast auch in der Liga besiegt hätten, haben völlig verdient gewonnen und dürfen somit ins Finale einziehen. Vielleicht auch der richtige Zeitpunkt für so eine Ohrfeige, da am 16.02. das Spitzenspiel, „Spiel um den Aufstieg“ gegen den SK Schwäbisch Hall II ansteht.
Nach mehreren Stunden intensiver Vorbereitung und einem leckeren Burger (Schleichwerbung für das Sharkey’s) machten wir uns trotz allem gut gelaunt auf dem Weg nach Hause, um fit für das schwere Spiel zu sein.
Fastaufstieg der ersten Mannschaft — 9 Kommentare, Tendenz steigend.
Schöner Bericht über eine Niederlage — 0 Kommentare, einfach mal wegschauen!?
Von der Ferne habe ich mich über diesen Beitrag gefreut, auch wenn mir die Einleitung doch zu denken gibt, lieber Enis — verlierst du mehr Schachkämpfe oder wirst du öfters von Freunden verhauen, nachdem du ihre Beziehung zerstört hast? Ein sehr interessanter Vergleich. 🙂
Sb3+ ist ein sehr interessanter Zug…. Sc5?? Dc3 wäre ein schöner Konter einer plumpen Falle gewesen, aber so ist Schach: Mal verliert man, mal gewinnen die anderen.
Aus Niederlagen lernt man ja bekanntlich am meisten. 😉
Kopf hoch und weiter so interessante Artikel schreiben (und kommentieren).
Herzliche Grüße
Jochen
Die Einleitung war extra dramatisch gewählt, um die Leute anzuziehen 😉
Da man aus Niederlagen bekanntlich am Meisten lernt, war das vergangene Wochenende eben sehr lehrreich für mich.
Am 23. und 29.3. gibt es dann wieder Siege von mir.
Kopf in den Sand stecken ist bei mir eh nicht drin und auch dem Schreiben bleib ich noch eine Zeit lang treu.
Grüße
Enis
Für das Kommentarungleichgewicht gibt es (mindestens) eine simple Erklärung: Der Bericht über das Sonntagsspiel stand schon länger drin und hat das Ergebniss vom Samstag vorweggenommen; außerdem ist ausführlicher und stillvoller (Apfel / Apfelsinne) geschrieben. Desweiteren ist der Ligabetrieb für die meistens Leser interessanter als der Pokal, und bei 8 Partien gibt es mehr zu kommentieren als bei vieren.
Bei Nicolas war’s übrigens kein Läuferspiel sondern Wiener Partie und bei mir wurde auf f5 mein Läufer gegen ihren Damenspringer getauscht (Ihren weißfeldrigen Läufer hat sie fast bis zum Schluß behalten.). Zwischenzeitlich hatte ich mal die Möglichkeit in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern abzuwickeln, doch dann hätte sie einen von ihrem Läufer gedeckten Freibauern auf d7 gehabt (nach 14 Halbzügen). Ich war mir nicht sicher, ab sie am Königsflügel die Bildung eines zweiten Freibauern erzwingen kann, oder nicht (irgendwann ist auch mein Rechenhorizont erreicht.). Mein Alternativplan hat sich gegen ihr sehr starkes Spiel als unzureichend herausgestellt. Ich bin mir zwar sicher, dass ich mich danach nicht ideal verteidigt habe, konnte aber immer noch keine wirklich überzeugende Verbesserung finden.
Enis spielte viel erfolgreicher, wenn er nicht so arrogant wäre.