Sehr schnell würde die Deutsche Schnellschacheinzelmeisterschaft auf den frischgebackenen baden-württembergischen Meister Tobias Peng zukommen. Um eine vielleicht einmalige Chance zu ergreifen, nahm er große Hürden auf sich und unterbrach seinen Auslandsaufenthalt in den USA, um den Heilbronner SV zu vertreten. Ob das gut ausging, weiß Tobias selbst zu berichten:
Nach langer Anreise aus den USA, Jetlag und einer Erkältung, die mir sicherlich nicht wenig Schlaf geraubt haben, kam ich hochmotiviert bei meinen ersten Einzelmeisterschaften auf Bundesebene an. An 40 von 52 gesetzt hatte ich keine großen Ambitionen, zudem war Rasmus Svane mit 2650 Elo an 1 gesetzt. Jener bestätigte mit 9 Punkte aus 9 Runden sowie 2,5 Punkten Vorsprung seine absolute Favoritenrolle.
Zu Runde 1 kam ich gerade noch pünktlich, nachdem der letzte heiße Tee in mich gekippt wurde, in der Hoffnung, den Husten zumindest temporär zu stillen. So kam ich gegen den an 14 gesetzten Tobias Bärwinkel mit Weiß und es ergab sich ein interessanter Spielverlauf:
In dieser Stellung sah ich Txf6, was mir in der Abfolge einen Mehrbauern im Endspiel versprochen hätte. Allerdings stünde Weiß dort eher passiv, weshalb ich mich dagegen entschieden hatte. Stattdessen griff ich zu Ld5?? und habe mir direkt nach dem Zug eine verbale Schelle verteilt. So wurde aus einem etwas schwierigem Endspiel mit Mehrbauer direkt eine Niederlage.
Zu Runde 2 war ich motiviert, einen Sieg einzufahren. Mit 0 aus 2 wären meine Ambitionen auf eine gute Platzierung sicherlich dahin gewesen und die Rückreise in die USA hätte dann wohl nicht mehr länger auf sich warten lassen. Gegen FM Bernd Laubsch kam ich mit Schwarz in die Berliner Verteidigung und konnte problemlos ausgleichen. So tauschte ich meinen Doppelbauern gegen seinen b-Bauern und verschaffte mir einen Freibauern auf der A-Linie, der letzten Endes auch das Rennen machte.
In Runde 3 kam ich gegen FM Sebastian Fischer, gegen den ich kurioserweise bei der BW-Schnellschachmeisterschaft in Runde 1 gelost wurde. Im Skandinavier konnte er zunächst Raumvorteil erlangen, was mir nicht ganz gefallen hatte, da ich eher gerner aktiv und aggressiv spiele. In einem chaotischen Endspiel, wo wir beide dann in Zeitnot gerieten und mein König durch das Brett gejagt wurde, sind wir in folgende Stellung geraten: Schwarz hat soeben das Schach auf c1 mit Sc4? Abgedeckt.
Diese Taktik ließ ich mir nicht entgehen und konnte glücklich hier einen ganzen Punkt mitnehmen, zumal Sebastian hier kurze Zeit später seinen König auf die d-Linie stellte, sodass ich den letzten Turm direkt abtauschen konnte.
In Runde 4 bekam ich abermals einen FM zugelost, Rainer Kleeschätzky. Auch er wählte Spanisch gegen mich, allerdings entschied er sich für die Anti-Berliner-Variante mit d3 nach Sf6. Es folgte eine Umgruppierung meiner Figuren auf den Königsflügel, worauf er sich glücklicherweise auf eine passive Stellung einstellte. In der folgenden Stellung spielte ich nach dem Abtausch c5, in der Hoffnung, dass ich den Springer nach e5 stellen und gewinnbringend in seine Stellung eingreifen konnte.
Dies hat zum Glück auch geklappt. Der Gegenangriff auf dem Damenflügel ist nämlich zu langsam. Er versuchte noch seine Türme auf der a-Linie zu verdoppeln, aber nach wenigen Zügen konnte ich mit Sf3+, Txf3 und Dg4 ihn zur Aufgabe zwingen. Nach der Partie gab er zu, dass er nur exf3 gesehen hatte und nicht mit meinem Turm gerechnet hat.
So konnte ich die Anfangsniederlage mit 3/4 ganz gut retten. Für die letzte Runde an Tag 1, kam es abermals gegen einen Titelträger, den an 6 gesetzten Dr. Markus Hochgräfe. In einem unspektakulären Spiel haben wir uns beide relativ schnell auf remis geeinigt, sodass wir (oder zumindest ich) endlich auch das Hotelzimmer für außerschachliche Aktivitäten nutzen durften. Das Bett war wirklich sehr bequem zum Schlafen! Nicht zu bemängeln.
Am Abend gab es ein „get together“-Buffet, das wir mit den anderen Schachfreunden gemeinsam verbracht hatten. So hatte ich mich den anderen Württembergern Kvetny, Richter und dem Vorjahresmeister Neukirchner (RLP) angeschlossen. Manche Gestalt hat sich ein wenig über meine euphorische Reaktion auf den Sieg beim BW-Schnellschach im Stream lustig gemacht. Haters gonna hate!
Kurz darauf hat Enis freundlicherweise mir geholfen, mich auf den Gegner am nächsten Tag vorzubereiten: Frederik Svane. Im Onlineschach hat er mich des Öfteren bereits mit kuriosen Eröffnungen übel zerlegt, sodass ich dieses Mal seine Spanisch-Varianten allesamt durchgegangen bin.
Aufs Brett kam natürlich das nicht, denn sein Bruder Rasmus hat ihm sicherlich seine Partie gegen mich gezeigt, wo er mich ebenfalls sehr übel zerlegt hatte mit 1.Sf3. Leute, die mich kennen, wissen, dass ich es sehr liebe, gegen Sf3 zu spielen und es kaum erwarten kann, es wieder vor Brett zu haben!
Nichtsdestotrotz kam das aufs Brett und ich entschied mich für eine sehr scharfe Variante, die ich im Online Schach mal ausprobiert hatte. Nach 10 Zügen war seine Uhr bereits unter 1 Minute und mit halboffenen König und nur einem Bauer mehr hatte ich schon Hoffnungen gehabt, wieder weiter vorne mitspielen zu dürfen. Jeder Taktik ist er aber leider aus dem Weg gegangen und konnte sich auch von der Zeit her stabilisieren, sowie geschickt verteidigen. Respekt an dieser Stelle, die Ruhe bewahrt zu haben! So gewann er am Ende verdient und für mich ging es erstmals wieder bergab nach den Runden davor.
In der sechsten Runde kam ich im Abtausch-Franzosen gegen IM Christian Braun und konnte mir schnell in einer Angriffspartie eine gewonnene Stellung herausspielen. Im entscheidenden Moment überraschte er jedoch mit 22 ..Scxe5??
Ich sah, dass ich nach 23. fxe5 Db6+ 24. Kh1 Sf2+ 25. Txf2 Dxf2 den Zug 26. Dg4! hätte.
Aus Aufregung davor und in Überlegung meinen Läufer noch in „Sicherheit“ zu bringen, zog ich jedoch 23.Lxe5?? Damit wurde die gewonnene Stellung direkt in eine verlorene Stellung verwandelt und statt eines Siegs gab es bereits die zweite Niederlage am Tag. Damit waren die Chancen auf eine gute Platzierung dahin und innerhalb von wenigen Minuten am 2.Tag bereits begraben.
Es folgten eine weitere Niederlage gegen FM Martin Voigt und ein Abschlusssieg gegen FM Karl-Jasmin Muranyi. Das Turnier beendete ich letzten Endes mit 4,5/9 auf dem 25. Platz. Die Enttäuschung war aufgrund meiner guten Form groß, allerdings ist Potenzial nach oben vorhanden. Das lässt Hoffnung für das kommende Jahr aufkommen. An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an alle Heilbronner, die mich bis hierhin unterstützt haben!
Schöner Bericht und starke Leistung, Tobi! Die Niederlage gegen den IM in Runde 6 war natürlich bitter, aber Du hast hier mehr als bewiesen, dass Du das Zeug hast, sogar bei einer Deutschen Einzelmeisterschaft vorne mitzuspielen! Das können nicht viele Württemberger von sich behaupten und verdient unser aller Respekt.
Und diejenigen, die dich nach deinem württembergischen Meistertitel des Cheatings bezichtigt hatten, sollten sich was schämen, oder besser noch, sich direkt bei dir entschuldigen.
Weiter so!
Man kann der Deutschen Bahn ja viel vorwerfen, aber zumindest eines machen ihre Durchsagen immer richtig: Man kann sich nicht selbst entschuldigen; man kann nur um Entschuldigung bitten. Und wenn ich schon bei der Stilkritik bin: Wieso wurde Tobias eigentlich „Cheating“ vorgeworfen und nicht Betrug?
Doch jetzt zur inhaltlichen Frage: Wenn der IM in der vierten Runde wirklich Spanisch gewählt hat, wie ist dann der e-Bauer zurück nach e3 gekommen?
Erstes Ziel bei solchen Veranstaltungen ist immer, über dem Setzplatz zu landen. Das hast du mit Abstand erreicht. Zweites Ziel ist, so viele Titelträger wie möglich zu ärgern. Auch das hast du überrefüllt.
1. ja, man kann nur um Entschuldigung bitten, das ist richtig.
Hier möchte ich noch anfügen, dass die gemeinten Personen (kenne den Großteil namentlich) niemals um Entschuldigung bitten würden. Selbst wenn Tobias am Brett Deutscher Meister geworden wäre, würden sie ihn für einen gewieften und bösartigen Betrüger halten. Ich habe da so meine Vermutung, warum sie das denken, aber ich werde dazu nichts öffentlich schreiben.
2. „Cheating“ wurde einfach aus dem Englischen geklaut, ist populär unter jüngeren Menschen, gerade bei Leuten, welche Videospiele im Online-Mehrspielermodus spielen.
3. Die Stellung sieht überhaupt nicht wie Spanisch aus, aber ich habe zu 99% nur das veröffentlicht, was Tobias mir geschickt hat.
Danke für die netten Worte, wie immer! War nur überrascht, es gehört zu haben, dass es Vorwürfe gegen mich gab. Es ist ja nicht das erste Schnellschachturnier in meinem Leben gewesen
Hallo Tobias, herzlichen Glückwunsch aus Öhringen zu dieser starken Leistung! Da hat es ein Ex-Öhringer richtig weit gebracht. Und Luft nach oben sehe ich auch noch – also weiter so.
Und wenn du mal wieder Lust auf unser Monatsblitz hast – immer noch 1. Freitag im Monat. Da würden sich viele freuen.