Ja warte mal – was ist denn bitte „Value“ ?
„Value“, englisch für „Wert“, wird heutzutage vor allem in Gamer-Kreisen umgangssprachlich dazu benutzt, wenn eine Aktion, ein zu kaufendes Produkt oder ein potenzielles Ereignis ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis hat oder einfach cool ist.
Aber wieso hat Heilbronn „Value“ ?
Die Erste hatte wie die Dritte die Klasse gehalten, die Vierte war sogar aufgestiegen, nur die Zweite holte sich einen unnötigen Abstieg ab. Heute bekleckerte sich die 2. Jugendmannschaft nicht mit Ruhm – nur ein 3:3 zuhause gegen Forchtenberg, der Aufstieg noch nicht komplett sicher.
Beim vergangenen Wochenende in Sontheim/Brenz war es dann mehr Schaulaufen als ernsthaftes Spielen. Die von den Sontheimern organisierte zentrale Endrunde der Oberliga Württemberg mit der ersten „Württembergischen Schnellschachmannschaftsmeisterschaft“ am Tag zuvor war auf jeden Fall schön anzusehen, in einer ausreichend großen und hübschen Location ausgerichtet und bot mit der „B.A.R. – Burgerbar und Restaurant“ auch noch ein wunderbares Speiselokal in der Nähe des Sontheimer Bahnhofs.
Bei der WSSM traten wir mit zwei Teams an. In Team 1 fanden sich Tobias Peng, Thomas Tschlatscher, Nikolas Pogan und meine Wenigkeit wieder, mit Setzplatz 5 träumten wir von den Preisrängen. Im Mittelfeld lag die Zweite an Setzplatz 12 von 24 – Christian Wolbert, Simon Weißbeck, Julian Bissbort und Marcel Mikeler komplettierten die „Zweite“.
Am Anfang lief es wie erwartet und in der zweiten Runde kam es direkt zum vereinsinternen Aufeinandertreffen. Besser so, denn falls eines unserer Teams das Turnier gewinnen würde, könnte uns keiner Schiebung vorwerfen bei einer spät stattfindenden vereinsinternen Paarung! Das Match an sich gewann die Erste standesgemäß (nicht üblich bei uns, siehe KO-Pokal), nur Niko verlor gegen Simon und es wurde ein 3:1.
In der Folge trennten sich dann auch die Wege der beiden Mannschaften. Die Zweite pendelte immer zwischen oberem und unteren Mittelfeld. Das Ziel war dabei nicht einmal ein Geld-Ratingpreis DWZ<2000, sondern der Fresskorb für den 3. Platz in dieser Ratinggruppe. Man kann es den Spielern auch nicht verdenken, Fresskorb hat sicher mehr Value als 100 oder gar 200 €!
Leider verloren die Jungs gegen Ende den Faden. Aus einer aussichtsreichen Position heraus wurden die Runden 8 und 9 leider verloren. Am Ende stand mit 8-10 Mannschaftspunkten und 18,5-17,5 Brettpunkten der 16. Platz fest.
Wir von der Ersten konnten uns durchaus oben festsetzen. Wegweisend war die dritte Runde gegen unseren sonntäglichen Gegner Weiler im Allgäu, welche wir knapp mit 2,5-1,5 entscheiden konnten. Dafür verloren wir Runde 4 gegen Böblingen, die hatten zwar nicht ein ganz so starkes Tier wie Weiler an Brett 1 ("nur" IM Bertagnolli anstatt GM Cvek), aber dennoch waren es Niko und ich, die häufig an 1 und 2 gehörig auf den Deckel bekamen. Immerhin wurde ich in Runde 6 gegen Biberach zum Matchwinner, als ich beim Stand von 1,5-1,5 gegen Holger Namyslo gewinnen konnte. Value.
Der wahre Killer unserer Siegambitionen waren die beiden Niederlagen gegen die Mannschaften aus Schmiden/Cannstatt - zwar gewannen wir sogar noch gegen Schönaich (die immerhin 2550 und 2400 an den Brettern 1+2 hatten) mit 2,5-1,5, aber drei Niederlagen waren zu viel für den ganz großen Wurf. Platz 4 bedeutete dennoch Preisgeld (wir landeten vor Schönaich), mit welchem wir uns den Bauch in der oben genannten Burgerbar vollschlagen konnten.
Turnierseite WSSM.
Impressionen.
Zurückfahren lohnte sich nicht, also blieb der Großteil (nur Cheffe fuhr nach Hause) in Giengen/Brenz, um im Lobinger Parkhotel – vier Sterne! – zu nächtigen. Wir buchten zwei Viererzimmer (danke an Julian für seine Booking.com-„Genius“-Mitgliedschaft) und da wir nur zu siebt waren, spendierte uns das Hotel gleich mal eine Runde Bier (welches nicht von allen getrunken wurde, aber gut, dafür durfte jemand zwei Bier trinken). Außerdem konnten wir innerhalb der Vereinsführung klarmachen, dass unsere Übernachtung seitens des Vereins signifikant subventioniert wird. Also, wer gerne in Vier-Sterne-Hotels übernachtet, Bier kostenlos trinken will und nebenbei noch ein paar Elo gewinnen möchte, der ist beim Value-trächtigen Heilbronner Schachverein genau richtig!
Nachdem das Chaoten-Zimmer (Niko, Marcel, Thomas und ich) mal wieder viel zu spät schlafen ging (die Uhr zeigte fast 3:00 an), brach das unwichtigste Spiel der ganzen Saison an.
Ok, ganz unwichtig vielleicht nicht, denn es gab eine Live-Übertragung bei chess24, absolut blamieren wollte man sich nicht, zumal sicher Leute die Partien verfolgen würden…das brauchte sich Niko nicht zwei Mal sagen zu lassen, nach 18 Zügen und ca. einer Stunde stellte er seine Uhr ab und gratulierte seinem Gegner Benedict Hasenohr zum Sieg. Schade war’s!
Unser Gegner vom südlichsten Zipfel Württembergs ließ schreckhafte Erinnerungen an Schwäbisch Hall II wach werden. Der Kern der Allgäuer besteht aus ganzen sechs Tschechen, komplettiert von den drei Eigengewächsen Hasenohr und den Wunder-Brüdern.
Mit einem der Wunder, namentlich Fabian, bekam es Tobias Peng zu tun. Er spielte gewohnt schnell und intuitiv richtig sowie interessant, indem er trotz eigenem kurz rochierten König einen Bauernsturm am Königsflügel entfesselte. Sein Gegner bekam schon früh Zeitprobleme und konnte die praktischen Probleme seiner Stellung nicht lösen, Tobias errang einen schnellen und überzeugenden Sieg.
Für die Führung sorgte Patrick bei seinem zweiten Einsatz. Ihm kam der Zufall zur Hilfe: an sich übersah er vollkommen, dass sein Gegner seinen h2-Bauern mit Schach fressen konnte. In der Folge erwies sich aber die Öffnung der g- und h-Linie nicht für Patricks, sondern für den schwarzen König als tödlich. Der Mehrbauer war letztendlich nichts wert und Patrick gewann im Königsangriff.
Anders als Niko konnte Julian ja viel schlafen, also konnte man von ihm sicher viel erwarten. Mittendrin sah es hier nach einer Null aus. Julians Königsschutz wurde entblättert (wobei er ihn freiwillig auflöste) und er verlor sogar noch Material in Form von zwei Figuren gegen einen Turm. Irgendwie bekam es sein Gegner trotz massiven Zeitvorteils einfach nicht auf die Reihe, einfach die Partie zu gewinnen. Stattdessen stellte Weiß selbst Material ein und stellte sich sogar so hin, dass Julian einen klaren Gewinn hatte, die Engine zeigt ca. -7 an. Mit 48 Sekunden auf der Uhr nahm Julian doch lieber den Spatz in der Hand und das Remis, auch wenn er die Gewinnidee im Groben sah.
Mal weg von den wilden Angriffs- und Opferspektakeln hin zu vernünftigem Schach: an Brett 1 bekam es Ulrich mit dem Schach-Schwergewicht GM Cvek zu tun. Dabei spielte er einen Aufbau, welchen ich gerne gegen Leute benutze, die Grünfeld in der Regel ausweichen. Ironisch kommentierte er nach der Partie, dass die Varianten gut wären und er nach 50 Jahren endlich gesehen hätte, was man gegen so Sf3/c4-Kram spielen könnte. Gerne helfe ich auch IMs aus! Bei weiteren Business-Kontakten bitte eine Mail senden, Preis regeln wir dann im Direktkontakt.
Jedenfalls konnte Ulrich problemlos ausgleichen und bei Remisschluss durch Zugwiederholung sieht die Engine Ulrich sogar leicht im Vorteil, aber Remis an 1 mit Schwarz hat großartigen Value.
Robin hatte noch etwas von den vergangenen Niederlagen wiedergutzumachen. Er spielte seine gewohnten Anti-Königsindisch-Systeme (ich glaube es ist das Awerbach-System), kam auch gut raus und fand starke Züge, um den positionellen Druck aufrechtzuerhalten. Einen einzigen Zug jedoch war er nicht aufmerksam und verlor mit einer kleinen Taktik gleich mal Haus und Hof. Das enstehende Turm vs. Springer-Endspiel war dann nicht mehr zu halten. Sehr schade, jedoch holte Robin in der Saison zuvor viele wichtige ganze Punkte, die entscheidend für den Klassenerhalt waren.
Blieb noch Simon Weißbecks Schicksal. Auch er gehörte sicher zu den Langschläfern, also kam da ein Punkt…? Leider ging hier der Punkt an die Gegner. Weiß überraschte Simon mit einer seltenen Variante im Vorstoßfranzosen. In der Folge verpasste Simon es, das Läuferpaar des Gegners zu halbieren, auch wenn es dabei um den „schlechten“ schwarzfeldrigen Läufer ging. Somit wurde Läufer gegen Läufer getauscht und Simon ging an seinem französischen Läufer sowie seiner schlechteren Struktur zugrunde.
Also 4-3 gegen uns und wer konnte der Held werden? Genau, ich! Mich verwunderte schon einmal, dass mein Gegner über 2300 Elo hatte, damit zum FM-Titel berechtigt ist, jedoch nur den CM-Titel für Spieler über 2200 Elo trug. Von der Struktur her kam etwas sehr Ähnliches wie gegen WIM Osmanodja beim Pfalz-Open aufs Brett und auch hier versäumte es mein Gegner etwas gegen meinen Plan der allmählichen zentralen Expansion mit dem Läuferpaar im Rücken zu unternehmen. Zusätzlich stellte Schwarz noch einen Bauern ein. Zwar stellte ich mich mit der Verwertung des Vorteils nicht ganz so glücklich an, aber ich hatte es einfach im Gefühl, dass das Turmendspiel mit Mehrbauer gewonnen sein musste und so kam es dann auch. Ich war ein Held!
Ok, es war nur ein 4-4 im unwichtigsten Saisonspiel. Schlussendlich landeten wir punktgleich mit Weiler auf Platz 7 – 10-10 Mannschaftspunkte und 38-42 Brettpunkte sind sehr gut für unsere erste Oberliga-Saison seit über 30 Jahren. Dafür, dass wir genau 0,00 € für neue Spieler ausgegeben haben, hatte die Saison schon sehr viel Value.
Man kann die Partien sowohl im Internet nachspielen als auch die Livekommentierung noch einmal ansehen.
Liveübertragung chess24.
Livekommentierung YouTube.
Wer übrigens auf Spannung im Aufstiegskampf hoffte, wurde schwer enttäuscht. Böblingen wurde mit wenig Blutvergießen Meister der Oberliga. Kurz nach Spielbeginn erreichte uns eine Nachricht des Stuttgarter Mannschaftsführers, dass die halbe Mannschaft „versehentlich“ nach Biberach/Riß anstatt Sontheim/Brenz gefahren wäre. Das lasse ich mal so stehen.
Am Ende gewann Böblingen gar nicht einmal so überzeugend mit 5-3 bei vier kampflosen Siegen. Dennoch bleibt der Aufstieg verdient, denn bei den anderen neun Saisonspielen verloren die Böblinger nicht und spielten drei Mal Remis (ein Mal gegen uns!). Herzlichen Glückwunsch noch einmal und viel Erfolg in der 2. Liga!
Nach unten hin kam es dann doch so wie erwartet. Schwäbisch Gmünd bot noch einmal fast alles auf, was es hatte, während bei Erdmannhausen einer der Top-Scorer fehlte. Der souveräne 5-3-Sieg der Gmünder besiegelte den Abstieg der Erdmannhäuser.
Anbei noch ein paar Fotos, welche wir im Laufe des Wochenendes geschossen haben.