Nach dem deutlichen 6,5:1,5 Sieg in der 6. Runde gegen die Nachbarn aus Böckingen musste die zweite Mannschaft heute in der Landesliga gegen die starken Marbacher antreten. In der letzten Saison verloren wir in Marbach 3:5 und konnten dabei keinen Einzelsieg erringen.
In dieser Saison wollten wir es natürlich besser machen.
Viele Bretter waren hart umkämpft. Wir konnten uns an vier Brettern einen Mehrbauern sichern. Doch stellten wir an drei Brettern eine Figur ein, und da Figuren bekanntlich mehr zählen ging der Mannschaftskampf auch wiederum mit 3:5 verloren.
Den Anfang der Einstellorgie machte ihr Berichterstatter. An Brett 6 stellte er im 12. Zug mit Weiß gegen Jazeschen einzügig eine Figur ein. Die Stellung bot keinerlei Konterchancen und die Aufgabe folgte schnell.
Dafür bekam bekam Marcel am Nachbarbrett mit den schwarzen Steinen schon nach sechs Zügen einen Bauern geschenkt. Sein Gegner Jürgen Klemm erhielt jedoch eine anhaltende und unangenehme Initiative. Marcel verlor den Bauern zurück, konnte dafür in ein vorteilhaftes Doppelturmendspiel abwickeln:
22… b5 mit der Idee 23… b4 (Variante: 22… b5 23. a3? Txb3! -+) und Weiß kann sich nicht mehr rühren. Schwarz kann in aller Ruhe mit König und Turm die schwachen Bauern h3 und/oder a2 angreifen und wahrscheinlich auch abholen. Meine Engine sieht Schwarz mit ca. 1,3 Einheiten im Vorteil, gibt aber keine konkrete Variante. Marcel wählte den falschen Bauern. Er zog 22… a5 gefolgt von 23… a4. Nach Abtausch erhielt Weiß Gegenspiel auf der b-Linie und die Gegner einigten sich friedlich. Schade um die verpasste Gelegenheit. Marcel hat sich ein wenig geärgert, das sollte er nicht tun, denn er hat viel gelernt und beim nächsten Mal gewinnt er diese Art Stellung.
Am achten Tisch spielte unser Youngster Severin, der kurzfristig für den erkrankten Christian eingesprungen war. In seiner spanischen Partie war er froh, dass sein Gegner Volkmer auf das gefährliche Marschall Gambit verzichtete. Es erbrannte ein typischer spanischer Kampf am Damenflügel, wo schließlich auf der a-Linie alle Schwerfiguren abgetauscht wurden. Zwischenzeitlich hätte Severin eine Gegenattacke am Königsflügel initiieren sollen, doch Severin spielte auf Sicherheit, blockierte die Bauern und konnte die Partie in den sicheren Remishafen lenken.
Am Spitzenbrett ließ sich Thomas mit den schwarzen Steinen gegen Bernhard Lach auf eine etwas bizarr wirkende Variante der Schottischen Partie ein (1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. d4 exd4 4. Lb5 g6 5. Lg5 und nun muss der schwarzfeldrige Läufer auf e7, danach wanderte die schwarze Dame auf b4). Nach 12 Zügen und Damentausch ergab sich wieder eine normale Stellung, ähnlich einer spanischen Abtauschvariante mit heterogenen Rochaden. Anscheinend wollte Thomas im „krummen Stil“ weitermachen. Ein Turm verirrte sich nach h7, der Springer gesellte sich auf g7 dazu. Am Damenflügel war sein König dann einem Mattangriff ausgesetzt, der nicht abzuwehren war. Thomas’ kreatives Spiel wurde heute nicht belohnt, dennoch spielt er eine ganz starke Saison.
Kim-Luca an Brett 7 ging seinen Gegner Hans Taxis mit Albins Gegengambit und heterogenen Rochaden zweischneidig an. Während sein eigener Angriff am Königsflügel nicht aus den Startlöchern kam, rollte am Damenflügel eine weiße Bauernlawine auf seinen Monarchen zu. Kim-Luca beschränkte sich aufs Verteidigen. Mit Können und dem nötigen Quentchen Glück überstand er den Angriff und einigte sich in ungefähr gleicher Stellung auf Remis. Ein gewonnener halber Punkt!
Zwischenstand zur Zeitkontrolle 1,5:3,5 gegen uns. Optimisten hatten noch Hoffnung, denn in den letzten drei Partien waren die Heilbronner Spieler im Besitz eines Mehrbauern.
Schauen wir zuerst die spannende Partie zwischen Patrick Wenninger (Weiß) gegen Jörg Rabl am zweiten Brett an. Im angenommenen Slawen war nach 10 Zügen folgende Stellung auf dem Brett:
Wenninger, Pa. – Rabl, J. und mehr als 1400 andere
Weiß hat die Bauern h6 und g5 mit Sxg5 beseitigt und gewinnt die Figur auf f6 zurück. Was soll Weiß hier spielen? Patrick nahm sofort 11. exf6 und kritisierte sich selbst für diesen Zug nach der Partie. Denn nach 11… Lb7 kann Weiß seinen Läufer nicht mehr wie gewünscht nach g2 entwickeln. Also 12. Le2 Dc7! Schwarz verzichtet auf den Rückgewinn auf f6 und greift stattdessen h2 an. Patrick sicherte sich nun mit 13. g3 den Mehrbauern.
Ein Blick in Datenbank zeigt, dass die Diagrammstellung schon über 1400 mal auf Topniveau vorkam. Die Profis sind sich nicht einig, die Hälfte spielt sofort 11. g3, die andere Hälfte, darunter ein Herr Carlsen, spielt wie Patrick. Dieser sollte sich also nicht grämen, er ist in allerbester Gesellschaft. Dieses Diagramm soll zur Illustration dienen, welche tiefen Theoriekenntnisse in der Landesliga gefordert sind.
Die Stellung war im Folgenden zwar schwierig, doch wir kennen Patricks Verteidigungskünste. Nur sollte es heute einfach nicht sein. 10 Züge später hüpft der Springer auf das falsche Feld, was einen Figurenverlust zur Folge hatte. Patrick hat ein Kämpferherz, versuchte noch einige Tricks und Finten. Alles half nichts und er musste die Partie im 57. Zug aufgeben.
Ramin war der tragische Held des Tages. In einer skandinavisch eröffneten Partie hatte er seinem Gegner Uwe Rapp irgendwann den Bauern auf b7 weggenommen. In aufkommender Zeitnotphase wurde es kompliziert:
Ramin hatte dann Glück, dass sein Gegner bei schon gewonnenem Mannschaftskampf nicht mehr weiterspielen wollte und Remis bot, was natürlich sofort angenommen wurde.
Bleibt noch die Partie von Simon. Was hier wohl los war? Klar, der Heilbronner hatte einen Mehrbauern:
Die Partie lief bis zur Aufgabe von Schwarz noch 20 Züge weiter. Glückwunsch an Simon, der seinen Mehrbauern sicher und souverän verwertete.
Insgesamt ein verdienter Mannschaftssieg für Marbach, die in den entscheidenden Momenten wacher und cleverer waren. Wir merken uns das und freuen uns auf eine Revanche im nächsten Jahr.
Damit diese auch stattfinden kann, müssen wir den Klassenerhalt schaffen. So ganz durch sind wir noch nicht, denn es könnte in diesem Jahr drei Absteiger geben. In der nächsten Runde gegen die Nachbarn aus Neckarsulm sollten wir noch mindestens einen Mannschaftspunkt erzielen, damit wir unbeschwert zur letzten zentral ausgetragenen Runde nach Freiberg a. N. reisen können.
Danke für den Bericht, Ole.
Frage: in Simons Partie entstand nach 42. Ted1 zum dritten mal dieselbe Stellung. Ist es nun regeltechnisch so, dass Schwarz nicht reklamieren darf, da er nicht am Zug ist? Als er noch am Zug war hätte er ja auch nicht reklamieren dürfen, da die Stellung sich erst mit Ausführen seines Zuges zum dritten Mal wiederholt hätte.
Würde mich interessieren. Grüße Julian
Hallo Julian,
Du hast vollkommen recht: Die Ausgangsstellung war dreimal auf dem Brett. Beide Spieler hätten remis reklamieren können (§ 9.2. FIDE Regeln, dreimalige Zugwiederholung, falls es jemand nachlesen möchte).
Der „korrekte Antrag“ kann nur von dem Spieler gestellt werden, der am Zug ist.
– Simon als Schwarzer hätte nach dem weißen Zug 42. Ted1 remis beantragen können, da die gleiche Stellung zum dritten Mal soeben entstanden ist (§ 9.2. b)
– der Weißspieler hätte vor Ausführung seines 42. Zuges (und bevor er eine Figur berührt!) Ted1 auf sein Partieformular notieren müssen und remis reklamieren müssen (§ 9.2. a)
(Bemerkung: Falls ein Zug notiert wurde und der Antrag gestellt wurde, es sich aber herausstellt, dass es keine dreimalige Zugwiederholung war, muss der notierte Zug trotzdem ausgeführt werden!)
Diese Antragsprozedur gilt analog für die 50 Züge Regel.
Kleiner Tipp: In der Turnierpartie hat ein Spieler das ausdrückliche Recht, beim Schiedsrichter um Erklärung der Regeln zu bitten (§ 11.9). Deswegen rate ich bei Unklarheiten – auch während der Partie – einfach beim Schiedsrichter nachzufragen (z.B. wie stelle ich den Antrag auf eine dreimalige Zugwiederholung oder muss ich noch mitschreiben). Ob während dieser Frage die Uhr angehalten wird, liegt im Ermessen des Schiedsrichters.
Glücklicherweise (für uns) hatte keiner der Spieler remis reklamiert, sonst wäre auch dieser Mehrbauer nicht verwertet worden.
Viele Grüße
Ole
Zur Klaus-Junge-Variante (auch bekannt als Anti-Meraner-Gambit, Botwinik-Variante oder D44): Ich persönlich bevorzuge 11.g3 und freue mich mit Schwarz über frühes exf6. Dieses ist natürlich trotzdem möglich, aber nach Lb7 taugt Le2 wenig, es sollte dann immer noch 12.g3 kommen; das geht entgegen Oles Einschätzung doch, da auf c5 13.d5 rettet. Nach 12.Le2(?) bevorzuge ich Db6, aber Dc7 ist auch interessant, da es Weiß quasi zu dem Bauernopfer 13.Dd2, Txh2; 14.0-0-0 nötigt. Die Verwicklungen sind für diese Variante nur durchschnittlich wild. (Und wahrscheinlich bewerten diese neumodischen Maschinen die Hälfte der Verästelungen anders.)
Genau, 11. exf6 erlaubt Schwarz mehr. 12. g3 funktioniert auch wirklich, nur muss man halt dann wissen, dass nach 12. g3 c5 13. d5 b4, was erstmal gefährlich aussieht, der Zug 14. Lxc4! (wenn man so will, ein „Vorteil“ von Patricks Zugfolge) geht und sofort gewinnt, wegen der Idee 14…bxc3 15. dxe6 mit Mattdrohung auf f7. Wenn Schwarz nach Lxc4 abwarten will mit z.B. …Dc7, dann kann man auf e6 nehmen und De2 spielen.