Unter diesem Motto stand das heutige Verbandsliga-Spiel in Feuerbach gegen den gleichnamigen Verein. Während ich mich bei der Hinfahrt bemühte, Jürgen (welcher ebenfalls Leute mitnehmen durfte) nicht aus dem Außenspiegel zu verlieren – mein roter Blitz gibt halt Einiges her! – nutzte Thomas die Gelegenheit, um wenigstens einen kleinen Teil des verlorenen Schlafs von letzter Nacht nachzuholen und machte es sich im Ledersitz meines Autos bequem.
Erstaunlicherweise waren sowohl Jürgen als auch ich für Schachspielerverhältnisse viel zu früh da, sodass wir um 5 vor 10 komplett im Spielsaal standen. Der Mannschaftsführer der Feuerbacher, Hans-Reiner de Boer, begrüßte uns daraufhin mit der Anmerkung, dass wir noch warten sollten, weil es ja 9:57 Uhr sei. Im Übrigen ist dieses kleine Detail, dass eine Paarung pünktlich freigegeben wird, tatsächlich ungewöhnlich.
Robin setzte dann noch einen drauf:
„Heute ist der 24. ?“
Tatsächlich war es früher, als er dachte…
Früher als gedacht gingen wir auch in Führung. Adam hatte gerade sein Partieformular mit den wichtigen Daten vervollständigt, als Herr de Boer ihm sagen musste, dass sein Gegner nicht kommen wird. Zwar nicht gerade das, was sich ein Spieler wie Adam von einem Verbandsliga-Sonntag erhofft, jedoch beschwert sich die Mannschaft über keinen Punktgewinn.
Einen weiteren Sieg landete Eberhard Schulze. Auf den ersten Blick schien die Partie aufgrund der völligen Symmetrie – beiderseitiges Königsläuferfianchetto mit Bauernpaar e4/e5 – blutleer und nur kurz vom Remis entfernt. Danach spielten Eberhard und sein Gegner darauf, die Stellung zu öffnen. Eberhard profitierte dabei abermals von seiner massiven Erfahrung und behauptete sich in den Verwicklungen mit vielen Schlagmöglichkeiten und Zwischenzügen. Am Ende fielen noch zwei Bauern und ein ganzer Turm bei Weiß. Das war doch etwas zu viel, um noch weiterzuspielen.
Robin wählte eine ähnlich ruhige Partieanlage mit Weiß. Er meinte, dass er heute im „Zahm-Modus“ gewesen sei, was den möglicherweise zu zurückhaltenden Aufbau erklärte. Sein Gegner FM Christian Beyer wollte diesen Aufbau energisch bestrafen und steckte zunächst eine Qualität ins Geschäft, um Robins Entwicklung zu verlangsamen. Danach wurde auch noch ein Springer seitens Schwarz geopfert, um einen Mattangriff mit zwei Läufern und Springer zu vollbringen. Robin fand dann noch eine versteckte Ressource, behielt einen Mehrbauern bei ziemlich blockierter Stellung und willigte dann ins Remis ein, da er sich nicht 100%ig fit fühlte, um die Stellung noch auf Gewinn zu spielen.
Zwischendrin wurden wir übrigens von einem Ehrengast besucht, Xinping Luo kam nämlich vorbei, um zu sehen, ob bei uns auch alles in Ordnung ist. Ich hatte zwar nicht sehr viel mit ihm zu tun, als ich noch jung war, da ist eher Ramin ein Ansprechpartner. Den meisten Jungen heutzutage sagt der Name auch gar nichts mehr. Dennoch war es eine Freude, ein altbekanntes Gesicht nach sehr langer Zeit mal wieder zu sehen!
Manch einer kann nicht gewinnen, manch einer fühlt sich nicht fit genug, um zu gewinnen, dann gibt es noch Leute, die mit einem Remis vollkommen zufrieden sind. So war es bei mir der Fall; mein Gegner, der Feuerbacher Mannschaftsführer, signalisierte mir durch eine zahme Eröffnungsvariante und viele Abtauschangebote sehr früh, dass er mit einem Remis völlig einverstanden wäre. Er bot mir dementsprechend nach 19 Zügen ein Remis an. Leider war dies eine der Stellungen, in der man viel lavieren konnte, ohne dass man irgendeinen Fortschritt erzielen konnte, vor allem, wenn der Gegner alle Einbruchsfelder und Schwächen konsequent deckt. So blieb mir nach 29 Zügen mit wenig Zeit auf der Uhr nur ein Remisangebot, was mein Gegner trotz der schlechten Lage seiner Mannschaft annahm.
Getreu dem Motto fand sich Christian bereits nach fünf weißen Zügen in einer Stellung, in der er out of book war. Aus meiner Sicht auf jeden Fall „früher als gedacht“, da wir diese spezielle Variante, welche auch heute auf dem Brett erschien, bereits bei der Deutschen Vereinsmeisterschaft intensiv vorbereitet hatten. Dementsprechend hatte Christian den Großteil der Partie mit einer leicht gedrückten Stellung zu kämpfen. Sein zahlenmäßig überlegener Gegner spielte dann jedoch ungenau, sodass es für Christian ein Leichtes war, in ein völlig ausgeglichenes, wenn nicht sogar minimal besseres Turm+Läufer vs. Turm+Springer-Endspiel abzuwickeln. Das ist aber auch eine der Stellungen, in der nur ein Magnus Carlsen die tödliche Kombination aus Geduld und Spielstärke aufbringen würde, um sie zu gewinnen, folglich ging die Partie remis aus.
Thomas zeigte sich durch den halbstündigen Schlaf sehr erholt und kam ein paar Ecken besser aus der Eröffnung heraus, als es beim Spiel der Zweiten gegen Böckingen der Fall war. Er kombinierte auf der Basis gegnerischer Ungenauigkeiten Flügelspiel sehr geschickt mit Angriff im Zentrum. Das Resultat war ein Mehrbauer mit zwei verbundenen Freibauern (e5 und f6) in der Mitte. Schwarz bekam zwar noch etwas Gegenspiel, jedoch war dies nie wirklich gefährlich, sodass Thomas mit einem in eine Dame umgewandelten Bauern eine souveräne Leistung krönte und den Sack im Mannschaftsspiel zumachen konnte.
Auch Jürgen erarbeitete sich wie Thomas gekonnt eine sehr gute Stellung, weil er die schwarzen hängenden Bauern so bearbeitet hatte, dass Schwarz nur ein Trümmerhaufen (fünf Bauern – vier Bauerninseln – ein Doppelbauer, keine verbundenen Bauern) als Bauernstruktur blieb. Zudem waren die meisten schwarzen Bauern auf weiß festgelegt, was Jürgens Läufer zugute kam und den schwarzen Läufer zur Passivität verdammte. Ich kann mir nicht erklären, was danach schief lief, denn plötzlich war eine Remisstellung auf dem Brett und die friedliche Einigung nicht mehr wert. Schade für Jürgen, hatte er doch eine positionell sehr lehrreiche Partie im Bezug auf hängende Bauern gespielt.
Unser Chef (nein, nicht Julian, der gönnte sich eine Pause) blieb dann noch als Letzter übrig. Sein Gegner wählte mit Weiß einen ähnlich zahmen Aufbau wie Robin, dem begegnete Ramin ähnlich energisch wie Christian Beyer. Die Opfer blieben hier aus, sodass Ramin eine angenehme Stellung durch Raumvorteil im Zentrum bekam. Sein Gegner opferte daraufhin freiwillig eine Qualität für einen Bauern. Hier weiß ich nun nicht, ob das ein Einsteller war oder das Opfer in der Absicht gebracht wurde, auch einen zweiten Bauern zu gewinnen. Letztendlich rechnete Ramin wohl weiter als sein Gegner und beide fanden sich in einer Stellung mit 4 weißen vs. 3 schwarzen Bauern an einem Flügel wieder, wobei Weiß immer noch eine Qualität weniger hatte. In meinen Augen konnte man das eigentlich nicht mit Schwarz gewinnen.
Ramin: „Hab heute eh nichts anderes vor…“
Also presste Ramin bis zum Ende, lockte die weißen Bauern nach vorne, drängte den weißen König ab, tauschte ein Turmpaar ab und hatte plötzlich einen freien Mehrbauern. Vorbei.
Am Ende stand ein durchaus verdienter, aber in der Höhe nicht so erwarteter 6-2-Sieg zu Buche. Schließlich sind die Feuerbacher bereits lange in der Verbandsliga dabei, während wir und das erste Mal seit Langem mal wieder gehalten haben. Dafür haben wir jetzt 11 Mannschaftspunkte nach acht Spielen und gegen alle DWZ-schwächeren Mannschaften mehr als solide gepunktet. Mit einem weiteren Sieg gegen Böblingen II können wir den dritten Platz festigen und eine gute Saison krönen, wir haben uns nämlich souveräner als gedacht gehalten.
Von Aufstieg nächster Saison brauchen wir aber nicht zu reden, da der Platz des Top-Favoriten von Schwäbisch Hall II ausgefüllt sein wird. An sich ist es in der Verbandsliga aber auch nicht so schlecht…zumindest kurzfristig nicht.