Zwei Riesenschritte weiter
von Ramin Geshnizjani am Mo., 31. März 2025 | Kommentare95,2% – So hoch schätzte das Liga-Orakel die Wahrscheinlichkeit ein, dass wir unsere Tabellenführung in der Oberliga in den ausstehenden zwei Runden durch das Ziel tragen würden. Was das Orakel nicht wusste: Dank Spielermangel bekamen wir gerade so acht Leute für unser Auswärtsspiel in Grunbach zusammen und zwar nicht die stärksten acht. Da die Remstäler aber mitten im Abstiegskampf steckten, mussten wir mit ihrer Bestbesetzung rechnen, sodass wir uns auf ein weiteres enges Duell auf Augenhöhe einstellten. Was wir nicht wussten: Die Grunbacher Personalprobleme waren mindestens genauso schlimm!
Tatsächlich trat Grunbach „ohne Vier“ an, sodass wir doch wieder in die Favoritenrolle schlüpften und dieser (fast) komplett souverän gerecht werden konnten. Den Auftakt machte Felix mit einem sehenswerten Königsangriff:
Thomas übersah in der Eröffnung eine versteckte Ressource, wonach er objektiv leicht schlechter stand – zumindest wenn sein Gegner seine Dame gegen Turm, Läufer und Bauern geopfert hätte. In der Partie gab er jedoch seine Figur, wonach Thomas‘ Läuferpaar wertvoller war als die vier gegnerischen Bauern. Auch hier war das Ende sehenswert:
Nach 25. Lf1! übersah Schwarz die zweite Drohung und gab nach 25… Th4? 26. Txc6+! auf. Aber auch das erzwungene 25… Tb3 hätte nicht geholfen, denn nach 26. Tg3! Tb6 27. a5 Tb2 28. La3 Ta2 29. Lc4 gehen dem Turm die Felder aus!
Tobi opferte seinen Damenflügel für starken Druck auf den gegnerischen König und hätte fast auf 3:0 erhöht; übersah in Gewinnstellung jedoch den letzten Trick seines Gegners:
Nach 29… Tf5! nebst 30… Txb2 fällt der f2 und die weiße Königsstellung. Nach dem „schnelleren“ 29… Tbxb2? rettete sich Weiß mit 30. Txf7! Kxf7 31. Tc7+ Ke8 32. Tc8+ ins Dauerschach
Severin geriet aus der Eröffnung heraus unter Druck, konnte aber alle direkten Drohungen parieren und schließlich einen vorgerückten Bauern verhaften. Leider war der Mehrbauer komplett wertlos (rückständig ohne Aussicht auf ein Vorrücken, dazu noch von allen weißen Schwerfiguren angegriffen) und nachdem er ihn wieder zurückgab, nahm er das Remisangebot seines Gegners an.
Auch Jannis verbrachte die Eröffnung und den Großteil des Mittelspiels auf den letzten drei Reihen, aber sein Gegner schaffte es nicht, den Raumvorteil und Druck in etwas Zählbares umzuwandeln. Nach und nach verschwanden die Figuren, Jannis‘ statische Vorteile gewannen an Bedeutung und als er im Läuferendspiel anfing, Bauern zu pflücken, musste sein Gegner die Waffen strecken.
Kurz darauf sicherte Gunnar den Mannschaftssieg mit einem scheinbar mühelosen Start-Ziel-Sieg: Nach frühem Damentausch sah die Stellung eigentlich ziemlich ausgeglichen aus, aber irgendwie hingen beim Gegner plötzlich Bauern und konnten nicht mehr gedeckt werden. Die Verwertung im Springerendspiel war dann kein Problem.
Damit war klar, dass wir an der Tabellenspitze bleiben würden, sodass mein Totalausfall keine ernsten Konsequenzen hatte. Aus der Eröffnung kam ich eigentlich gut heraus und stand dann auch klar besser, verbriet auf der Suche nach der besten Fortsetzung aber zu viel Zeit. Ein paar Fehleinschätzungen später (sowohl Sorgen vor nicht funktionierenden gegnerischen Option als auch das Unterschätzen seiner tatsächlichen Ressourcen) war meine Stellung trotz Mehrbauer nicht mehr so leicht zu spielen und in Zeitnot kollabierte ich dann total. Eigentlich hätte ich die letzten 10 Züge auch einfach würfeln können; mein Gegner verbesserte indes systematisch seine Stellung und brach dann entscheidend durch.
Bei diesem Ehrenpunkt für Grunbach blieb es dann aber, denn Sebastian ließ seine Gegnerin nie ins Spiel kommen und überwand auch ihre lange Verteidigung mit einem netten Schlussakkord:
Nach 56. Kg8! ist das Mattnetz geknüpft: Der Springer hängt wegen Th7# nicht und nach 56… Ta8+ 57. Se8 droht auch noch von der Seite Matt mit Te6.
Mit dem 6:2 haben wir die Tabellenführung erfolgreich verteidigt und darüber hinaus erhielten wir noch ordentlichen Rückenwind: Biberach gewann das wahrscheinlich entscheidende Duell um die Vizemeisterschaft (und damit den Aufstieg in die BW-Liga) gegen Schwäbisch Gmünd, wodurch unser Vorsprung wieder auf einen Mannschaftspunkt (und einige Brettpunkte) angewachsen ist. Eine sehr komfortable Ausgangslage vor der Schlussrunde am 13.04., in der wir uns gegen den Tabellenletzten aus Tettnang „nur noch“ keinen Ausrutscher mehr leisten dürfen. Das Liga-Orakel wird nach dem nächsten Update vermutlich eine Wahrscheinlichkeit jenseits der 99% ausspuckenvertraut uns zu fast 99%; bei uns werden aber Erinnerungen an die Landesligasaison 2012/13 wach: Damals führte Marbach sogar mit zwei Mannschaftspunkten Vorsprung die Tabelle an und spielte gegen die sicher abgestiegenen Erdmannhäuser. Meister wurde der SK Lauffen. Sichere Absteiger können also verdammt gefährlich sein.