Der Hobbyspieler und der Tryhard

von am Sa., 15. März 2025 | Kommentare

Seitdem ich 2005 das erste Mal bei einer WJEM teilgenommen hatte, wollte ich immer württembergischer Meister werden. Im Jahr 2009 gelang mir das in der Jugend. Neun Jahre danach wurde ich württembergischer Meister im Schnellschach. Und wie oft ich im Team irgendwelche Titel auf Verbandsebene gewonnen habe? Egal. Aber einen Titel konnte ich bis jetzt einfach nicht gewinnen.

Und das lag nicht daran, dass ich nicht dazu fähig sein würde. Jedoch gibt es ein eher persönliches Problem bezüglich der württembergischen Einzelmeisterschaft im Blitzschach. Das Qualifikationsturnier dazu, die Bezirksmeisterschaft, fand bis jetzt immer am 1. November statt. Wer mich kennt, weiß, dass das mein Geburtstag ist. Wisst ihr eigentlich, wie geil es ist, dass mein Geburtstag an einem Feiertag ist? Falls das irgendein Unternehmen oder irgendeine Schule liest, welche mich anstellen will: ich werde nur in Bundesländern arbeiten, in denen Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag ist. Danke für Ihr Verständnis.

Jedenfalls ließ ich mich noch nicht dazu herab, bei den Blitz-Einzelmeisterschaften im Unterland mitzuspielen. Beim Mannschaftswettbewerb spielte ich tatsächlich zwei Mal mit, weil es gar nicht anders ging (und ich bestand darauf, dass mein Geburtstag nicht erwähnt wird), aber seitdem wir ein Abo auf den 2. Platz bei den WBMM abgeschlossen haben, juckt mich das auch nicht mehr.
Lustigerweise fand sich im Jahr 2024 kein Ausrichter für die WBMM. Nachdem ich auch noch Felix Hagenmeyer in seinem jugendlichen Übereifer ausgebremst hatte (er wollte das Turnier unbedingt am 1.11. ausrichten), war es beschlossene Sache. Die Bezirksblitzmeisterschaften konnten nicht am 1. November stattfinden. Mein perfider Plan ging auf. Muahahahaha.

Die Bezirksmeisterschaften gewann ich relativ souverän, auch wenn ich dabei ein paar Geschenke an Heilbronner Kollegen verteilte. Immerhin konnte ich auf diese Weise sogar zwei Vereinskameraden mitnehmen. Ivan Ramirez Marin qualifizierte sich regulär, während Dennis Birke zwar nur Fünfter wurde, aber er durfte wegen einer kurzfristigen Absage nachrücken. Zusammen mit dem ewigen Dritten und damit vorqualifizierten Tobias Peng bildete der Heilbronner SV ein Quartett. Und jetzt die Preisfrage: welcher der vier Menschen sah kurz vor Turnierbeginn total erschöpft aus?
a) Dennis, der einen kaputten Schlafrhythmus hat und über zwei Stunden mit mir Zug fuhr
b) Tobias, der aus Frankfurt kam und nach dem Turnier weiter nach Hamburg musste
c) ich, für den „Schlaf“ ein Fremdwort ist
d) Ivan, der entspannt in Ulm wohnt und nur wenige Minuten Weg zum Spielort hatte

Natürlich ist die Antwort d).

Mein Dilemma war, dass ich zwar Württembergischer Meister werden wollte, aber irgendwie nicht so Lust auf die Deutsche Meisterschaft hatte. Welch unfaire Welt. Also für Tobias, der schon Jahre in Folge Dritter wurde und auch noch erfuhr, dass Marius Deuer kurzfristig einen Freiplatz erhielt. Lustigerweise war ich trotzdem an 1 gesetzt, da Marius im Blitz wohl noch nicht so erfolgreich war, aber bei einem Rundensystem war das eh egal. Die Spiele sollten beginnen!
Es waren 22 Teilnehmer (bewusst nicht gegendert, weil nur Männer…), also 21 Runden. Und ich konnte früh Blut lecken, denn Marius verlor bereits in Runde 2 gegen den FIDE Rating Officer des Deutschen Schachbundes, Andreas Klein. Danke für alles, Andreas! Damit konnte ich mich zunächst absetzen. Kurz vor der Pause holte mich Tobias leider auf den Boden der Tatsachen zurück, sodass alles ein wenig knapper war als erhofft. Marius konnte die Führung übernehmen und ich war nur Dritter. Aber ich machte mir keine Sorgen, denn der 3. Platz war für Tobias reserviert. Die Frage war nur, ob ich Zweiter oder Vierter werden würde.

Ivan erwischte einen schwierigen Start (u.a. gegen Dennis verloren) und ich machte es ihm nach der Pause nicht leichter, als ich ihn ein wenig hops nahm.

Das Sakko spannt so sehr, weil ich einen derart massiven Rücken habe. Ladies?
Direkt nach dem Duell gegen Ivan gab ich noch einen halben Punkt gegen Sören Pürckhauer ab. Also stand ich gegen Marius, der damit auch nach Punkten in Führung lag, unter Zugzwang. Ich riskierte alles und wurde dafür fast belohnt:

Danach schrieb ich den Meistertitel ab. Also schauen wir mal, was die anderen so gemacht haben.
Dennis hatte im Allgemeinen einen schweren Stand, gehörte er doch zu den Elo-schwächsten im ganzen Turnier. Darüber hinaus beging er Selbstgeißelung, denn er eröffnete jede Partie mit dem selbst erfundenen „Birke-System“. Das bedeutet 1.c3 2.a3 oder halt 1…c6 2…a6 mit Schwarz. Sehen wir von der Verwirrung der Gegner ab, führt dies im besten Fall zu Chebanenko-Slawisch-Stellungen, im schlechtesten Fall zu einem schlechten Caro-Kann. Mit Weiß geht es noch, aber mit Weiß kann man sich ohnehin viel erlauben. Aus dem Blickwinkel finde ich es umso respektabler, dass er fünf Punkte holen konnte. Er verabschiedete sich mit einem Knall, denn in der letzten Runde bezwang er FM Gerhard Junesch, starke Leistung.
Ivan konnte sich nach dem holprigen Start zwar temporär zurückkämpfen, jedoch schaffte er nie den Anschluss an die absolute Spitze. So verbrachte er das gesamte Turnier im Verfolgerfeld und verabschiedete sich zwar nicht mit einem brillanten, aber mit einem akzeptablen Ergebnis von 14,5 Punkten und dem fünften Platz in Richtung China. Sayonara!
Tobias merkte man die Anstrengung deutlich an. Er wollte es unbedingt schaffen. Bei der Deutschen Schnellschachmeisterschaft war er schon dabei und das ziemlich erfolgreich. Würde es dieses Mal auch im Blitzschach klappen? Er kämpfte Runde um Runde, hatte selbst Marius Deuer am Rande des Abgrunds. Auch mit den anderen Heilbronnern hatte er keine Probleme. Und was für ein Schlussspurt es wurde! In den letzten sieben Runden holte Tobias ganze 6,5 Punkte. Am Ende hatte Tobias 16 Punkte. Das würde doch reichen?!

Lol nein. Da kam tatsächlich dieser Typ, der nur wegen eines dummen Zufalls mitspielte und zerstörte seinen Traum. Ja, ich war es. Nach meiner Niederlage gegen Marius in Runde 12 verlor ich keine Partie mehr. Ich gewann sogar fast jede Partie. Inklusive einer lustigen Partie gegen Julian Maisch, welche wie folgt begann:

Nur ein Remis in der vorletzten Runde gab ich ab, welches mir sogar zum Verhängnis wurde. Denn Marius verlor zeitgleich gegen Martin Hartmann (SK Bebenhausen). Und hätte ich nur diese vorletzte Runde gewonnen, dann hätte ich einen perfekten Endspurt mit 9/9 vollenden können und wäre Württembergischer Meister geworden…aber naja. Vorqualifiziert für das nächste Jahr bin ich schon. Und dann spielen wir halt bei der Deutschen mit. Ach ja. Auch wenn ich es vielleicht so habe aussehen lassen, besonders knapp war es nicht. Am Ende hatten Marius und ich 1,5 Punkte Vorsprung vor Tobias. Netterweise habe ich meine 2400 Blitz-Elo zurückgewonnen. Es ist also nicht alles schlecht. Zumindest für mich. Juhu.

Auch beim Schachverband Württemberg gibt es einen Bericht. Vielen Dank für die reibungslose Organisation. Diese beinhaltete auch, notorische Zuspätkommer wie Thilo Kabisch gar nicht mitspielen zu lassen. Mal ehrlich, wie schafft man es denn, um 13:30 Uhr erst zu kommen, wenn der Anmeldeschluss um 11:45 Uhr war? So viel Stau kann es selbst auf der A8 nicht geben.

Hier noch ein paar Fotos, danke an Robin Lutz vom SVW-Newsletter.

Falls du es so weit geschafft hast und wütend bist: ich weiß, dass „Sayonara“ japanisch und nicht chinesisch ist. Aber wenn du dich deswegen aufgeregt hast, habe ich alles erreicht, was ich wollte. Hihi.

Veröffentlicht unter Allgemein, Meisterschaften, Turniere, Württ. Blitz

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