14 Uhr m. c. t.

von am So., 9. März 2025 | Kommentare

Passend zum Empfangen dreier Mannschaften in der Hochschule Heilbronn interpretierte eines der Teams unsere Angaben wohl etwas freier, als wir es uns erhofft hatten.

Die Zeitangabe „c. t.“ kennen wohl einige Menschen, welche mal im Studienbetrieb involviert waren. Ausgeschrieben heißt es „cum tempore“, was sich (danke großes Latinum) als „mit Zeit“ übersetzen lässt. Damit ist gemeint, dass Vorlesungen 15 Minuten später als die volle Stunde beginnen. Sprich: 8 Uhr c. t. bedeutet „Beginn um 8:15 Uhr“. Marcel Mikeler meinte sogar mal, dass an der Universität Heidelberg dann einfach die Türen geschlossen werden. Ich hoffe, die ach so schöne Stadt und die hübschen Frauen machen solch barbarische Vorgehensweisen wett.
Beim Suchen des Begriffs im Internet stieß ich auf „m. c. t.“, also „magno cum tempore“, übersetzt „mit viel Zeit“, d.h. Beginn um 30 Minuten versetzt. Ja, ich habe nicht das Wort „googeln“ benutzt, da ich wegen der großen Mango mit Toupet ab sofort alles aus den USA boykottiere, was nur so geht. Vielleicht sollte ich meinen Matrix-Account (Instant Messaging) aus 2020 wieder reaktivieren, was sicher damit enden würde, dass jeder bei WhatsApp bleibt. Pain.

my reaction to current events in this world

Nach einem relativ entspannten Aufbau, welcher durch Ole Wartlick und das Facility Management auf dem Bildungscampus gut organisiert wurde, war ich bereit, unsere Gäste zu empfangen. Und es sah schnell gut aus. Die Deizisauer und Schmidener kamen vollzählig. Selbst Thilo Kabisch schaffte es relativ pünktlich – er hat wohnhaft in Heilbronn auch einen sehr weiten Weg vor sich, muss man verstehen. Aber irgendwas stimmte hier nicht. Ach ja, unsere Reisepartner vom SK Schwäbisch Hall fehlten. Da sah (metaphorisch – natürlich hörte ich es) ich, dass mein Telefon klingelte. Es war Mario Meinel vom SK Hall. Sie würden den Spielort nicht finden. Also machte ich mich auf die Reise und ging den halben Bildungscampus ab, um ein paar verlorene Schachspieler:innen zu finden. Kann ja nicht so schwer sein, uns Nerds sieht man zehn Meilen gegen den Wind.

keine Haller weit und breit

Nach ein paar weiteren Anrufen wurde mir klar, dass die Hohenloher ja am Campus Sontheim gelandet waren. Oh Mann! Ich lasse dich entscheiden. Ja genau du da vor deinem Bildschirm. Wer trägt dafür die Verantwortung? Zu meiner Verteidigung bringe ich folgendes Beweisstück A an.

Am selben Tag, dem 3. Februar, änderte ich auch die Angabe im Ergebnisdienst. Es war für alle öffentlich einsehbar, dass die Begegnungen der Runden 8 und 9 im Gebäude N auf dem Bildungscampus stattfinden würden. Was denkt die Jury? Soll Enis Zuferi zu albanischem Suxhuk verarbeitet werden? Oder komme ich ungeschoren davon?
Nun, nachdem unsere Begegnung vom Schiedsrichter Thomas Wiedmann pünktlich um 14 Uhr gestartet wurde, geduldeten sich die Deizisauer Schachfreunde noch. Deren Spiel gegen Schwäbisch Hall begann um 14 Uhr m. c. t. – was vom Schiri mit einem Zeitabzug von einer halben Stunde belohnt wurde. Wer jetzt aber glaubt, dass dies die Haller in irgendeiner Weise gestört hätte, wurde eines Besseren belehrt. Noch dominanter hätte Hall kaum gewinnen können. Vorne vier Remisen, hinten vier Siege und Deizisau durfte Wunden lecken.

Was passierte währenddessen bei HN vs. Schmiden? Nun, zunächst nicht viel. Unser Team wurde „rundum“ erneuert – naja zumindest so gut es ging, ohne der Zweiten wegen der „Festspiel-Regelung“ die Leute wegzunehmen.


Oder um es anders zu sagen, spätestens nach der doppelten Null in Walldorf Anfang Februar war klar, dass wir mit Messern bewaffnet waren, aber wir Gast bei einer Schießerei waren. Also mir war das zumindest klar, manch anderen nicht. Umso besser, dass die Runden 8 bis 11 in Heilbronn stattfinden, denn die Innenstadt ist seit einigen Monaten eine Waffenverbotszone. Das dient dazu, südländisch aussehende Menschen zu schikanieren unserer Sicherheit. Damit sollten die Punkte doch in Heilbronn bleiben.

Und es wurde ein für diese Saison typischer Heilbronn-Sieg. An einzelnen Brettern vielleicht wacklig, an anderen war vielleicht mehr drin. Aber insgesamt überzeugend. Fabian durfte Thilo wie schon letzte Saison überspielen. Das sind jetzt schon drei Siege für uns in einer Saison, langsam macht mir Mr. Zemento Angst! Noah spielte eine schöne Französisch-Partie, in welcher er seinen Gegner Steffen Eisele nicht nur alleine mit dem französischen Läufer ließ, sondern auch noch einen Bauern gewann und das Endspiel fast perfekt spielte. Theo…nein, Theo hat nicht gespielt. Er sagte wenige Tage vor dem Spiel ab und wollte ein bisschen Mitleid von mir. Ohne mich seid ihr besser, ich verliere eh nur, lasst mich sterben, allgemein war Theo gut im Yappen. Dafür durften Gunnar und Ramin ihr Debüt in der OL Baden-Württemberg geben. Gunnar hielt sich gegen Martin Krockenberger zurück und machte lieber einen soliden Zug mehr als notwendig, was in einem Remis endete. Bei Ramin ging es drunter und drüber. Zuerst überspielte er Volker Scheeff in einem Franzosen (wahrscheinlich besteht das Aufnahmeformular für den Schachklub Schmiden in einem Test „wie gut kennst du die französische Verteidigung?“), stellte in einem zähen Mittelspiel seine Dame ein, dafür revanchierte sich Schwarz mit einem totalen Kontrollverlust über die Partie nur einen Zug später. Interessant (in einem Vladimir Kramnik-Akzent). Philipp Wenninger duselte sich etwas zum Sieg, aber hey, Skill ist, wenn Luck zur Gewohnheit wird oder so. Sein Namensvetter blieb solide und holte ein Remis, während Simon Degenhard sich dazu entschied, sich nicht ander soliden Caro-Kann-Mauer von Markus Löhr aufzureiben, sondern er überspielte ihn gekonnt in einem Anti-Grünfeld. Da könnte man wohl einen Witz daraus machen. Wenn du Grünfeld spielen willst, lern lieber ein Repertoire gegen 1.c4 und 1.Sf3, denn 1.d4 wirst du nie wieder sehen 🙂
Das war dann wieder ein 7:1. Traurig, dass wir nach Brettpunkten zu den Top Teams gehören, aber immer noch nicht von allen Abstiegssorgen befreit waren. Ich mein, lustig wäre es schon, die Erste steigt ab, die Zweite wird Meister in der Oberliga Württemberg. Das wäre sicher die lustigste Spielerversammlung in der Geschichte des Heilbronner Schachvereins! Mit spannenden Diskussionen und der ein oder anderen Atombombe.

Zweite…ah, da war ja was. Sie empfing am Sonntag den Zweitplatzierten. Also schon wie am Spieltag davor, nur dass der Zweitplatzierte dieses Mal Schwäbisch Gmünd statt Stuttgarter SF hieß. Ohne den größten Lucker des Jahres, Tobias Peng, aber trotzdem mit einem guten Team ging es an die Bretter. Und der Anfang war vielversprechend. Marcel Mikeler machte früh Remis (wobei den Spielern da nicht klar war, wer schlechter gespielt hatte), während Jannis Hagenmeyer bei seinem Debüt in der Zweiten einfach über die schwarze Stellung drüberrollte. Immerhin darf er das, denn im Gegensatz zu seinem Bruder darf er schon alleine legal Auto fahren. Gunnar sowie Pascal Neukirchner holten Remisen, während Thomas Tschlatscher den ehemaligen „Heilbronner Schreck“ Andreas Hönick entzauberte. Vielleicht klappt es ja nur gegen unsere Erste, lieber Andreas? Jedenfalls waren wir alle guter Dinge, denn bei 3,5:1,5 konnte kaum noch etwas passieren, dachten wir. Naja, zumindest bis der Blick auf die Stellungen fiel. Während der Vibrationsmotor meines Smartphones wegen der ständigen Nachrichten von Tobias Peng an seine Grenzen kam, betrachtete ich kurz die restlichen drei Partien. „Kurz“ reichte in dem Fall auch. Gerade als ich bei Ivan Ramirez Marin zusah, stellte dieser eine Figur ein. Ramin musste ein gottlos schlechtes Endspiel verteidigen, während Kim-Luca kurz vor einem Figurenverlust stand. Jeder, der nicht auf Pilzen ist, konnte das 3,5:4,5 bereits sehen. Lustigerweise hatte gerade Ramin noch eine Chance, das Spiel zu drehen, aber er ware zu sehr fokussiert auf die „Abwarten und Tee trinken“-Strategie…

Nicht einmal Kim-Luca konnte die Kohlen aus dem Feuer holen. Zwar bleibt die Zweite Tabellenführer, aber nur noch wegen Brettpunkten. Um wenigstens Meister zu werden, müssen gegen Grunbach und Tettnang Siege her. Hört sich beim Blick auf die Tabelle leicht an, aber wer weiß schon, wozu die Gegner fähig sind…
2. Mannschaft

Wartet mal. Wie konnte ich eigentlich während dem Spiel der Zweiten mein Handy benutzen? Ach ja, das lag daran, dass ich nach circa einer Stunde schon fertig war. Meine Partie fing (ich mit Schwarz) an: 1.d4 Sf6 2.Sc3 d5 3.Lf4. Ein ungewöhnlicher Start für meinen Gegner Valerij Bronznik, welcher sonst gerne den Springer nach f3 stellte. Sollte ich nun 3…c5 oder 3…g6 spielen? Diese Varianten hatte ich zuletzt vor fast zwei Jahren ernsthaft betrachtet. Bei 3…g6 gab es so eine ekelhafte forcierte Remis-Variante, aber was war schon die Wahrscheinlichkeit, dass es passieren würde? 1%?
Naja, im Glücksspiel war ich nie erfolgreich, also kam es natürlich so. Zu allem Überfluss konnte ich mich nicht einmal an das forcierte Remis erinnern, ich musste es am Brett finden. Immerhin sorgte es für Aufsehen bei den Zuschauern! Ihr seid dran:

Schwarz am Zug forciert Remis.

Wenigstens mal wieder nicht verloren an einem Wochenende. Und bis jetzt galt: wenn ich etwas hole, holt das Team auch Punkte. Sollte das dieses Mal wieder so sein? Zumindest nach der ersten entschiedenen Partie war mir klar, dass es so sein würde. Nachdem ich all meine Autorität zusammengekratzt hatte, um Theo am Sonntag ans Heilbronner Brett zu zwingen, revanchierte er sich für das entgegengebrachte Vertrauen. Und wie er es tat. In unglaublichem Style.

Wie zerstörte Theo hier mit Weiß die schwarze Königsstellung komplett? Wer richtig viel rechnen will: am Ende stand der schwarze König auf e2.
Vielleicht beflügelt von diesem unerwarteten Sieg, vielleicht ohnehin schon motiviert, landeten sowohl Simon Degenhard als auch Felix Hagenmeyer souveräne Start-Ziel-Siege. Simon durfte bereits in der Vergangenheit genau diese Variante spielen und sein Gegner verbesserte sie…gar nicht. Auch eine Art und Weise, Schach zu spielen. Möglicherweise sollte ich wieder die Polugajewski-Variante im Najdorf auspacken, was ist schon die Chance, dass mein Gegner die Widerlegung kennt? Felix‘ Gegnerin Angelika Valkova spielte nicht ihre eigene Empfehlung, welche in einem Chessable-Kurs zu finden ist und wurde für diese Heuchlerei natürlich bestraft. Zwei Siege meiner (ehemaligen) Schüler an den letzten beiden Brettern…ach ja. Wie schön. Bevor ich in den Ruhestand gehe oder sterbe, sollte ich einmal ein Team mit mir und sieben meiner besten Schüler:innen aufstellen. Das wäre doch mal Romantik pur.

Abgesehen davon passierte nicht viel. Fabian hatte nicht viel Lust, zu drücken, Noah konnte nicht drücken (er hatte die Nacht davor gekotzt), Philipp Wenninger wollte nicht drücken und Philipp Huber drückte den Selbstzerstörungsknopf. Er hatte erst im 29. Zug seine Entwicklung „vervollständigt“ und zu dem Zeitpunkt bereits zwei Bauern weniger. Dass er am Ende noch eine Chance bekam (zumindest laut Bulletin, welches vielleicht nicht korrekt ist) und diese ausließ, ist schon blanker Hohn.

Zu guter Letzt entledigten wir uns dank dieses 5:3-Sieges aller Abstiegssorgen. Wahrlich eine Saison, welche wir abschreiben können. Also bei der ersten Mannschaft, dass die Zweite und Dritte auf Meisterkurs liegen, ist natürlich eine andere Sache. Was wohl Robin dazu sagen würde, wenn die DRITTE MANNSCHAFT nächste Saison in der Verbandsliga spielen könnte? Ich erinnere mich nur zu gut an die Vorträge vor 10-11 Jahren, dass wir (= Erste) uns zunächst in der Verbandsliga beweisen müssten und dass wir gegen den Abstieg spielen würden, während ich bereits von den Sternen träumte und ja…selbst ich kann bei dieser Erinnerung ein gewisses Schmunzeln nicht unterdrücken. Mein jugendlicher Leichtsinn hat gewonnen.

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Kommentare:

AndyHö sagte am 13. März 2025 um 10:22:

Ja, nachdem ich nicht mal mehr gegen Heilbronn gewinnen kann, muss ich wohl meine "Schachkarriere" beenden. Wäre ich noch so jung wie Enis, dann hätte ich natürlich "auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn" herausposaunt. Aber nachdem ich ja nun schon die ersten Seniorenturniere spielen darf, muss ich eben eingestehen, dass die besten Jahre vorbei sind :-)

Enis Zuferi sagte am 13. März 2025 um 16:45:

ach, gibst du schon so leicht auf? ;) in der nächsten Saison darfst du es mit ein wenig Glück wieder gegen unsere Erste versuchen...

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