Oberliga: Höhenflug und Dämpfer
von Ramin Geshnizjani am Do., 27. Februar 2025 | KommentareDie Zweite eilt von Sieg zu Sieg … zu Niederlage
5. Runde: HSchV II – SF HN-Biberach 6,5:1,5
Kurz nach Silvester empfingen wir die zweite Biberacher Mannschaft in der Oberliga, diesmal die aus dem Heilbronner Stadtteil (das darf nächste Saison gerne ein Auswärtsspiel sein ;-)). Anders als gegen die anderen Aufsteiger (Tuttlingen, Wernau, Stuttgart II) konnten wir hier unserer Favoritenrolle souveräner gerecht werden und einen ungefährdeten Sieg einfahren. Am Spitzenbrett musste sich Gunnar zwar nach langem Kampf geschlagen geben, aber da Tobi mit etwas Glück seine Verluststellung um 180° drehen konnte, blieb das unsere einzige Niederlage. Christian gab seine vorteilhafte Stellung anhand der aussichtsreichen restlichen Stellungen Remis, aber an den anderen Brettern kamen wir nach und nach zu vollen Punkten. Sehr elegant waren dabei Sebastians Gewinnkombination und Felix‘ Abschluss:
Ludwig – Arns: 23. Lg3! droht Matt auf h6 und nach 23… Lxf6 24. exf6 ist der Springer auf g7 gefangen!
6. Runde: Stuttgarter SF – HSchV II 3,5:4,5
Und damit war alles bereit für das Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten. Weder Stuttgart noch wir konnten in Bestbesetzung antreten, sodass es zu einem Duell auf Augenhöhe kam (DWZ-Erwartung: 4,0:4,0). Und entsprechend hart wurde an den Brettern gekämpft: Frühen Remisen Fehlanzeige, und obwohl sich an einigen Brettern alsbald Tendenzen abzeichneten, blieb der Mannschaftskampf als Ganzes unklar – bis zur Zeitkontrolle, als sich die Spannung mit einem Paukenschlag komplett entlud.
Gunnar schaffte es am Spitzenbrett, dem Internationalen Meister Mark Kvetny Paroli zu bieten und schließlich einen halben Punkt abzunehmen (Stockfish bewertet die Schlussstellung als vorteilhaft, aber den Punkt muss man erst mal herauspressen). Pascal war ganz in seinem Element, überspielte seinen Gegner positionell und krönte die Partie taktisch:
Auf der langen Diagonale spielt die Musik: 29. d5! cxd5 30. Tf5+! 1-0 und Schwarz wird im nächsten Zug mattgesetzt
Tobias opferte mutig Bauern, um mit beiden Türmen auf der 2. Reihe einzudringen. Das hätte ihn an einer Stelle in Teufels Küche bringen können; nachdem sein Gegner die Chance verstreichen ließ, mündete die Partie in einem ausgeglichenen Turmendspiel. Thomas spielte gewohnt ungewöhnlich, was seinen Gegner zum Grübeln brachte, aber mir persönlich erschien die weiße Stellung doch etwas krumm. Stockfish ist jedoch anderer Meinung und attestiert Thomas stellenweise sogar Vorteil, aber beim Übergang ins Endspiel kippte die Partie und nach einem Einsteller war es dann aus.
Sebastian spielte die wohl heißeste Partie des Tages: Sein junger Gegner ließ sich seine Bauernstruktur zerpflücken und setzte mit seinem Läuferpaar voll auf Initiative. Trotz vieler Ausschläge der Engine behielt Sebastian die Stellung jedoch im Griff und rechnete auch in Zeitnot präzise:
Der oben erwähnte Paukenschlag passierte an Brett 2: Ivan landete gegen Igor Neyman nach der Eröffnung in einer zu passiven Stellung und stand bald eigentlich hoffnungslos auf Verlust. Aber irgendwie schaffte es Neyman nicht, den Sack zuzumachen, Ivan konnte sich halbwegs konsolidieren, und plötzlich griff Neyman fehl:
Die Partie ist tatsächlich schon vor ein paar Zügen gekippt, aber hier erzwang 35… De5! die sofortige weiße Aufgabe – Damentausch als Gewinnkombination!
Diese 180°-Wendung war die Entscheidung; ich konnte meine 0,00-Stellung sofort Remis geben und zusammen mit Tobis Remis und Sebastians Sieg hatten wir die 4,5 Punkte. Christian war kurzfristig eingesprungen und wurde in der Eröffnung auf dem falschen Fuß erwischt. Zäh, wie er ist, kämpfte er sich wieder in die Partie zurück, nur um in Zeitnot doch noch mal fehlzugreifen. Für ihn wohl nur ein schwacher Trost, aber die Niederlage war letztlich nur Ergebniskosmetik – wir hatten das Spitzenspiel (wenn auch glücklich) gewonnen und unseren Vorsprung auf zwei Mannschaftspunkte ausgebaut.
7. Runde: HSchV II – SG Schwäbisch Gmünd 3,5:4,5
Und damit war alles bereit für das Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten. Wieder ein Duell auf Augenhöhe; bei uns feierten Marcel und Jannis ihren Einstand in der Oberliga, während unsere Gäste auf IM Jurek verzichten mussten.
Anders als in Stuttgart ging der Mannschaftskampf aber gleich von Beginn an in die richtige Richtung: Marcel kam zu einem schnellen und bequemen Schwarzremis und auch Gunnar schien mit Schwarz gegen GM Velicka keine allzugroßen Probleme zu haben, den Punkt zu teilen. Ivan hatte einen Bauern geopfert und machte Druck gegen den schwarzen Damenflügel, während Pascal nach einem Zentrumsdurchbruch ebenfalls am Drücker war. Jannis, der zweite Oberligadebütant, eroberte das Zentrum und schließlich überzeugend eine Figur und brachte uns in Führung. Thomas nahm seinen Gegner in die katalanische Zange, aus der jener sich mit einem Bauernopfer befreien konnte. Doch nach ein paar Ungenauigkeiten war die Kompensation weg, Thomas‘ Mehrbauer aber noch da und entschied die Partie.
Leider war Pascals Vorteil doch nicht so groß wie er aussah; sein Gegner fand die richtigen Züge und hielt das Remis. Zwischenstand also 3,5:1,5 und mit dem nächsten halben Brettpunkten würden wir unseren Vorsprung in der Tabelle zementieren können. Aber statt des nächsten halben Punktes kam die große Wende.
Kim-Luca war DWZ-mäßig der größte Underdog, brachte seinen Gegner aber mit couragiertem Angriffsspiel an den Rand der Niederlage. Aber in den Verwicklungen fand er nicht die richtigen Fortsetzungen und die Partie kippte weg.
Kurz nach der Zeitkontrolle verlor auch Ivan den Faden:
Die Stellung ist wahrlich nicht leicht. Stockfish empfiehlt 42. Ta1 mit +1 in einer Variante, in der c5 fällt und der schwarze König nach h5 gejagt wird. 42. Dd5?! erlaubte 42… Se6! mit Gabeldrohung auf f4, die Weiß nun cool mit 43. h4!= hätte ignorieren sollen. Stattdessen geschah 43. Df3 Sxc5 44. Sxb7? e4! und das gab Schwarz nicht mehr aus der Hand.
Gmünd hatte also zum 3,5:3,5 ausgeglichen, aber der Mannschaftskampf war de facto bereits gelaufen, weil ich beim Übergang ins Endspiel ein Springermanöver übersah, das mich entscheidend Material kostete. Nichtsdestotrotz versuchte ich, irgendwie das Remis abzuklammern und fast wäre mein Masochismus belohnt worden, weil mein Gegner sich doch einen Fehler leistete.
Statt (letztlich vergeblich) zu versuchen, mit 54… Kc5? den Damenflügel zu halten, hätte ich mit 54… Se6! meinen b- gegen seinen g- und e-Bauern tauschen müssen. Ich dachte, mein a-Bauer würde zu schwach werden, aber offenbar sind die beiden Freibauern stark genug, um das Gleichgewicht zu halten.
Eine gute halbe Stunde später musste ich dann die (Einzel- und Mannschafts-)Niederlage quittieren, sodass Schwäbisch Gmünd nun nach Mannschaftspunkten mit uns gleichgezogen ist. Die gute Nachricht ist, dass wir immer noch ein paar Brettpunkte Vorsprung und das zumindest nominell leichtere Restprogramm haben: Die nächste Runde sieht mit der Begegnung Gmünd-Biberach das Spitzenspiel um den Aufstieg (da unsere Erste parallel mit zwei Siegen ihren Klassenerhalt mathematisch abgesichert hat, werden wir weder aufsteigen dürfen noch müssen), während wir nach Grunbach reisen. Da die Aufsteiger aus dem Remstal sich gegen Stuttgart und Gmünd jedoch ziemlich teuer verkauft haben, wird das definitiv kein Selbstläufer. Die Oberliga bleibt spannend.
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