Es folgt eine Rückschau auf die letzten beiden Wochenenden mit der ersten Mannschaft.
Was passt zu einem Zirkus? Wilde Tiere? Drahtseilakrobaten? Nein, ich rede natürlich von Clowns. Und es gibt manche Clowns, die glauben, dass die Berichte nur nach siegreichen Wochenenden kommen. Ich mein, ein simpler Blick auf unsere Website würde das widerlegen. Jedoch leben wir im Jahr 2025 und es gibt genug Leute (nach aktuellen Umfragen 20-21% der wahlberechtigten Menschen), die sich großen Teilen der Realität verweigern. Noch mehr Clowns. Es sind Millionen!
Der wahre Grund für den verzögerten Bericht ist das emotionale Loch, in das ich gefallen bin. Wie manche von euch wissen, spiele ich seit dem Herbst 2024 auch in der Schweizer Liga, in der sogenannten „Schweizerischen Gruppenmeisterschaft“. Theo Stijve legte ein gutes Wort für mich ein und so darf ich für Payerne spielen. Nun, Details meines Privatlebens sind sicherlich nur für mich interessant und gehören wahrscheinlich auch nicht auf die Seite des Schachvereins, aber ich benutze das mal als Selbsttherapie (wer kann sich heutzutage auch einen richtigen Therapeuten leisten?).
Als ich am 7. Dezember auf dem Weg nach Payerne war, schrieb mir eine Frau, welche ich über eine Dating-App kennengelernt hatte. Wir hatten uns bereits getroffen und viel miteinander geschrieben und telefoniert. Sie meinte, sie würde eventuell den Abend in Heilbronn verbringen. Nun, Spielbeginn 14 Uhr in Payerne und ich war von Zügen abhängig. Das bedeutete, ich müsste in drei Stunden fertig sein, um die letzte Verbindung nach Heilbronn zu bekommen. An Brett 1 in der 1. Bundesliga gegen den Großmeister Florian Jenni.
Nun, tatsächlich fand ich in besserer Stellung eine Zugwiederholung und konnte mich gerade rechtzeitig loseisen. Zu allem Überfluss herrschte in Payerne ein strömender Regen. Das war schon fast „Romeo & Julia“-Niveau. Verschwitzt und klatschnass stieg ich in die S30 nach Fribourg und alle Züge kamen pünktlich. Es wirkte zu perfekt.
Was es auch war. Am Folgetag beendete sie den Kontakt zu mir. Also vorübergehend. Am 26. Dezember (dem ersten Turniertag des Basel Masters) endgültig. Der größte Clown hier bin wohl ich. Der 7. Dezember 2024 war der letzte Tag, an dem ich mich wirklich gut gefühlt habe. Am 9. Dezember passierte noch etwas anderes, was nichts mit der Frau zu tun hatte und wirklich nicht hierher gehört. Jaja, ich weiß, es kommen wieder bessere Tage. Blabla blubb. Aber seit dem erwähnten Wochenende geht gar nichts bei mir. Im Vergleich zu mir würde die Titanic keineswegs wie ein Wrack aussehen.
Springen wir ausgehend vom 7. Dezember eine Woche zurück. Es ist der 30. November und ein Doppelspieltag in Schwäbisch Hall stand an. Auf dem Papier hörten sich Karlsruhe und Ettlingen nach machbaren Aufgaben an, jedoch trugen wir ein Handicap mit uns rum. Philipp Wenninger meldete sich kurzfristig krank, sodass wir notgedrungen auf Colin Ensslinger setzen mussten. Nun, Colin fängt zwar wie „Clown“ mit C an, aber war kein Problem, denn am Ende hatte nur sein Gegner die weiße Schminke im Gesicht. Ein wichtiger Sieg, denn Ivan Ramirez‘ Partie endete im selben Zeitraum – leider mit dem schlechteren Ende für uns.
In meiner Partie englitt mir der hart erarbeitete leichte Vorteil. In folgender Stellung hatte ich die letzte Chance, ernsthaft auf Vorteil zu spielen:
Der Bauer d6 hängt und ist nicht zu decken, jedoch würde e4 im Gegenzug auch fallen. Wie kann Schwarz am Zug hier leichten Vorteil behalten?
Needless to say, ich hab den Weg nicht gefunden und tauschte in ein ungefähr ausgeglichenes Endspiel ab. Naja okay, ein Remis mit Schwarz würde ja nicht schlimm sein. Die anderen würden sicher die Kohlen aus dem Feuer holen!
Die anderen:
Simon spielte hier mit Schwarz …Dxb2?? und fand seine Dame gefangen nach La2-b3! Sie entkam nur durch das Hergeben von viel Material.
Philipp Huber spielte hier Sb5-d4?? und übersah, dass nach …Dc7! Txc6 Dd7 De5 Td8 seine ganze Stellung auseinanderfliegen würde.
Theo genoss hier eine Königsindisch-Traumstellung. Aber leider ist Theo Theo und spielte hier anstatt 0-0 den Theo-Zug g2-g4, wonach die Stellung ziemlich schlecht wurde.
Naja also, dann musste ich versuchen, eine nicht gewinnbare Stellung auf Gewinn zu spielen! Denn nur bei Fabian konnten wir ob der guten Stellung auf einen vollen Punkt hoffen. Und wie wir wissen: keine gute Tat bleibt jemals ungestraft. Im 40. Zug verrechnete ich mich gottlos und tauschte in ein verlorenes Bauernendspiel ab. Damit war alles getan…
Die Geschichte vom Spiel gegen Ettlingen war auch schnell erzählt. Fabian stellte zu Beginn des Mittelspiels einen Turm ein. Ivan revanchierte sich für seinen Fauxpas des Vortages und zerstörte seinen Gegner, wobei dieser mit extrem langsamer Spielweise auch großzügig nachhalf. Philipp Huber gewann zwar auch, aber das war mehr Glück als Verstand (der Gegner hatte zwei Züge für +5, einer davon war, einen hängenden Turm zu schlagen). Und der einzige, der sonst realistische Gewinnchancen hatte, war…ich. Mal wieder. Juhu. Naja, machen wir es kurz, auch am 1. Dezember gab ich meinen Vorteil aus der Hand und überzog größtenteils wegen der prekären Situation der Mannschaft. Es sollte ein langer und dunkler Dezember werden.
Leider blieb auch diese Niederlage nicht von einer Clownshow befreit. Kurz bevor ich die Partie aufgegeben hatte, ballte mein Gegner seine Faust als Zeichen der Freude. Naja, muss man halt machen, wenn man aus den anderen 17 Partien gegen mich nur ein Remis geholt hat. Aber gut, ich kann verstehen, wenn man sich freut, also gab ich normal auf und wollte meines Weges gehen. Nach wenigen Minuten brachte mein Gegner tatsächlich die Chuzpe auf, zu mir zu kommen, um sich zu entschuldigen. Erstmal, man kann sich nicht selbst für etwas entschuldigen, man kann nur um Entschuldigung bitten. Schließlich hast du mir etwas getan, wie willst du dich dann selbst von der „Schuld“ befreien? Zweitens verfiel mein Gegner kurz nach Gesprächsbeginn in einen defensiven Modus, wodurch ich mich in meiner Vermutung bestätigt sah. Es tat ihm nicht wirklich leid. Drittens und das ist wohl die absolute Höhe, kam mein Gegner nur zu mir, weil Philipp Huber ihm das eingeredet hatte. Lass meine Angelegenheiten meine Sache sein. Sonst darfst du nächste Saison für HN-Biberach spielen, die erst kürzlich von unserer Zweiten deklassiert wurden.
Machen wir jetzt etwas, was bei Game of Thrones in den letzten Staffeln gar nicht gut ankam. Einen Zeitsprung! Während bei GoT so zahlreiche „plot holes“ ungefüllt blieben, überspringen wir bei mir die Zeit, damit ich nicht weiter über das (sprichwörtliche) Loch in meinem Herzen reden muss. So kommen wir beim 11. Januar 2025 an. Die Voraussetzungen für den doppelten Mannschaftskampf in Illertissen-Jedesheim waren optimal. Sowohl Noah Fecker als auch Philipp Wenninger waren wieder mit von der Partie, ich hatte nur drei Stunden geschlafen, weil ich am Vorabend mit Dmitry und Daniel feiern war und Simon lag mir in den Ohren, dass er ohne Mittagessen die Runde NIIEEEMAAAALS überstehen würde. An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass bei unserem ersten Bundesliga-Wochenende in Speyer alle verloren hatten, die Döner mit Fleisch aßen, während die anderen, die vegetarisch oder gar nichts gegessen hatten, gepunktet haben. Eine bessere Werbung für Tierschutz kann es nicht geben.
Wenigstens war die Autobahn frei und mein Auto explodierte (leider) nicht, sodass wir uns gegen 12:30 Uhr an einem Tisch im Lokal „Zur güldenen Möwe“ einfanden. Nach dem Verspeisen eines Poulets im Teigmantel an einer Eigelb-Öl-Sauce (McChicken btw) waren wir bereit, uns dem leichtesten Gegner überhaupt zu stellen, dem SK Bebenhausen. Dieser trat wegen des Fehlens von Lars Waffenschmidt unerwartet schwach an, während wir unsere Geheimwaffe, den Penginator 1997, an Brett 8 ins Rennen schickten.
Jedoch war ich mir nicht sicher, ob Tobias Peng oder Calvin Wolff da am Brett saß, denn Tobias spielte hier 4…Lc5? und verfiel nach 5.Sxe5 in eine dreißigminütige Denkphase. Also, ich weiß nicht, ob alles daran „Denken“ war. Vielleicht hat er sich erstmal 20 Minuten selbst fertig gemacht, wie schlecht er doch ist und dass er am liebsten Seppuku begehen würde. Also, nachdem er die japanische Staatsbürgerschaft annimmt, natürlich. Jedenfalls spielte Tobias 5…0-0?!?!?! und Oliver Omert antwortete „prompt“ 6.Sf3?, wonach Weiß keinen Vorteil mehr hatte. Stattdessen hätte das Damenopfer 6.Sxc6 dxc6 7.h3! Sxe4 (Tobias‘ „Plan“) 8.Sxe4 Te8 9.De2 f5 10.Sxc5! Weiß einen Turm und zwei Leichtfiguren für eine Dame beschert – Gewinnstellung. Nach dieser verpassten Chance spielte nur noch Tobias und so holte er seinen ersten Sieg im Team Schweiz light.
Insgesamt fielen den Bebenhäuser Stellungen wie Dominosteine. Ich kannte das Gefühl, in der Liga zu gewinnen, gar nicht mehr. Selbst mit den Spielen in der Schweiz gewann ich zuletzt am 26. Oktober 2024 in einem Mannschaftskampf. Mein Gegner sah mir mein Leid an und machte mir ein verspätetes Geburtstags-/Chanukka-/Weihnachtsgeschenk beziehungsweise ein verfrühtes Zuckerfest-Geschenk, sucht es euch aus.
Weiß hatte gerade Sxe4 gespielt. Was ist die Strafe dafür?
Da selbst Philipp Wenninger gegen den Tübinger Topscorer, Boris Latzke, trotz -7-Stellung nicht verlor, war der Ausgang des Matches klar. Am Ende gewannen wir 6:2 und das auch nur, weil Philipp Huber einmal zu oft den Selbstzerstörungsknopf betätigte (das ist sowieso meine Aufgabe) und Theos Springer gegen Rudolf Bräunings Läuferpaar etwas stijve wirkten. Ansonsten hätte das auch ein 7:1 werden können.
Aber war schon gut gemacht von Hubi und Theo, denn nach dem letzten 7:1 ging es dramatisch bergab mit uns. So feierten wir in Hubis Geburtstag hinein (zwei Tage hinteinander Alkohol hatte ich schon lange nicht mehr) und wir gingen rechtzeitig (diesmal wirklich) schlafen. Denn auch Jedesheim musste erstmal geschlagen werden.
Das ist ein gutes Stichwort, denn Jaroslaw Krassowizkij an Brett 1 sah schnell so aus, als hätte man ihm eins übergezogen.
Krassowizkij spielte hier Lxf7?? und verlor einfach seinen Läufer nach h7-h6 nebst Th8-h7. Mann, das Gesicht hättet ihr sehen müssen. Damit gewann Fabian zum ersten Mal überhaupt beide Spiele an einem Wochenende für uns. Und das auch noch gegen seinen Ex-Klub in Deutschland! Somit füllte sein Versprechen „new year, new Fabian“ gleich mal mit Leben. Voller Leben war auch ich, was ich gar nicht glauben konnte. Das Tanzen zu mittelmäßigen Schlagern im Musikpark hat wohl etwas in mir ausgelöst. Zum ersten Mal seit langem spielte ich eine schöne Partie, welche ihr mit Computeranalyse auf Lichess nachspielen könnt.
Für Philipp Huber war es mal wieder Zeit, zu gewinnen. Wie bei einem Metronom geht es bei ihm hin und her. Zum Erfolg verhalf ihm die „Trompete“, damit ist nicht das Musikinstrument gemeint, sondern seine Lieblingseröffnung. Na, wer errät sie?
Das war es aber auch an Erfolgserlebnissen. Niko Pogan (für Tobias eingewechselt) und Simon kamen jeweils nicht über ein Remis hinaus. Einen großen Schock gab es kurz vor meinem Sieg. Sowohl Noah als auch Theo stellten ihre sehr guten bis gewonnenen Positionen in wenigen Zügen ein. Bei Theo scheint es trotz Ende des Dezembers immer noch nicht zu laufen. Tipp von mir: versuche Online-Dating, dann kannst du dich über andere Dinge als über dein vermeintlich schlechtes Spiel aufregen. Oder spiel Overwatch. Funktioniert!
Damit lagen wir 4:3 in Führung, aber da Philipp Wenninger meine Anweisungen ignorierte und einfach Remis machte, war alles okay. Halt nein! Er verkündete mir gegenüber sogar großspurig, dass er auf Gewinn spielen würde. Okay. Selten habe ich Philipp so motiviert gesehen. Seine Freundin bringt wohl das Beste in ihm hervor. Aber leider hat sie „nur“ über 2000 Elo, denn sonst könnte sie ihm auch bei seinen schachlichen Fähigkeiten helfen. Den Sieg jagend wurde Philipp von Dmitriy Anistratov überspielt und beim Stand von 4:3 konnte Philipp nur noch aufgeben, denn er war Matt in 1.
Für mich persönlich (und Fabian) mal wieder ein sehr erfolgreiches Wochenende, auch wenn wir nicht das Maximum an Punkten holten. Dazu werden wir am 1. und 2. Februar wieder die Chance haben. Gegen Walldorf und Untergrombach wird sich endgültig entscheiden, in welche Richtung unsere Reise gehen wird. Drei Mannschaftspunkte auf Brombach hören sich uneinholbar an, aber tröstend wirkt, dass jeder gegen jeden gewinnen kann. Also alle außer Bebenhausen. Die werden nichts mehr gewinnen.
Es gibt kein Leben ohne Krisen. Leben heisst Veränderung. OK, aber wie damit umgehen? Krisenkompass-App! Das ist meine Empfehlung. Testen lohnt. Die App ist aussagekräftig, praktisch und kostenlos.
G’sund & Gruss!
Bernhardus
Wenn man sich dauerhaft im Krisenmodus befindet, ist das dann noch eine Krise oder schon Normalzustand? 🙂
Danke für den Kommentar und den Tipp!
Grüße
Enis
OK, ergänzende Rückmeldung und Info für alle: Ja, eine Psychotherapie ist kostspielig, aber nicht für Patientinnen und Patienten. Bezahlt wird immer von der Krankenkasse. Bedeutsamer Sachverhalt!
G’sund & Gruß! Bernhard