Wie bekommt man acht Heilbronner Sonntag früh nach Tuttlingen? Wie sich herausstellte, war diese Frage für uns gar nicht so leicht zu beantworten: Spieler 1 wohnt hier, Spieler 2 hat kein Auto, Streckensperrung für Spieler 3, Zug von Spieler 4 fällt aus, Spieler 5 wird am Vortag krank … Gestern Abend stand dann endlich unser Schlachtplan: Einen Späher schickten wir voraus, der Rest der Mannschaft kam aus drei Himmelsrichtungen nach und um Punkt 10 Uhr hatten wir es tatsächlich vollzählig an die Bretter geschafft!
Im Gegensatz zur Anfahrtslogistik begann der Mannschaftskampf verdächtig problemlos:
Kim-Luca bekam in ausgeglichener Stellung ein frühes Remisangebot, das er aufgrund seiner stark zusammengeschmolzenen Restzeit gerne annahm. Kurz darauf konnte ich uns schon in Führung bringen, als mein Gegner im frühen Mittelspiel einen Bauern einstellte und danach an der wahrscheinlich zähesten Verteidigung vorbeiging:
Ein paar Züge früher hätte die Dame nicht nach e7 gehen sollen. Jetzt kann Weiß einen Bauern gewinnen.
Tobi musste an diesem Wochenende mehr Kilometer zurücklegen musste als alle anderen zusammen, hatte seinen Gegner aber trotzdem nach 20 Zügen an den Abgrund gedrängt und hätte beinahe eine wunderschöne Kurzpartie gewonnen. Leider übersah er die Kombination und ließ seinen Gegner wieder ins Spiel kommen.
Nach 21. dxe7 Te8 scheint es nicht weiterzugehen, weil d8 ausreichend gedeckt ist. Oder doch?
Ähnlich lief es bei Sebastian, der seinen Gegner mit dynamischen Bauernopfern sehenswert überspielte, dann aber im Gestrüpp der Gewinnvarianten stolperte und schließlich die Dame hätte opfern müssen:
Danach war der Vorteil weg und die Partie kippte zwischendurch sogar komplett, aber Schwarz fand auch nicht die richtigen Züge. Zur Zeitkontrolle hatte Schwarz dann eine Remisschaukel und die Frage war, ob er auf mehr spielen musste.
Aus unserer Sicht waren damit erstmal zwei „eingeplante“ volle Punkte weg und ich wurde etwas nervös: Daniel (der es sich nicht nehmen ließ, in der Eröffnung unseren Schiedsrichter zu testen) hatte zwar eine Gewinnstellung, aber nur noch ein paar Minuten für etwa 15 Züge. Ivan hatte früh einen Bauern verloren und stand hoffnungslos passiv, das war eine sichere Niederlage. Gunnar hingegen hatte einen Bauern mehr, aber die weißfeldrigen Löcher in der Königsstellung schienen dem Gegner unangenehmes Gegenspiel zu geben. Mit etwas Pech könnte das also sehr eng werden.
Richard brachte uns dann erstmal einen halben Punkt weiter: Nachdem sein Gegner eine Möglichkeit versäumte, die Stellung für sein Läuferpaar zu öffnen, schien Richard am Drücker zu sein, aber die ungleichfarbigen Läufer hatten genug Remispotential.
Im Lehrbuch gewinnt in ähnlichen Stellungen der Durchbruch 32… b4 33. axb4 a4; im wahren Leben kommt der weiße König rechtzeitig zurück, um den d-Bauern zu stoppen. Daher 32… a4 und Remis.
Kurz darauf konnte Daniel den Sack zumachen: Trotz Zeitnot ließ er seinem Gegner keine Chance, man könnte höchstens kritisieren, dass auch er sich nicht von seiner Dame trennen wollte:
34… Dxd3 35. cxd3 c2 hätte hübsch gewonnen; die Partiefortsetzung 34… Dxc2 35. Se1 De2 36. Txc3 Ld2! 0:1 ist aber auch sehr elegant, weil nun außer der Dame alle weißen Figuren hängen.
Gleichzeitig wollte Tobis Gegner mit einer kleinen Kombination und Zwischenschach seinen leichten Vorteil ausbauen, übersah aber, dass Tobi seinerseits einen Zug früher ein Zwischenschach hatte. Das Resultat war eine glatte Mehrfigur und die verwertete Tobi natürlich problemlos. Und auch Gunnar konnte zeigen, dass das gegnerische Gegenspiel letztlich nur ein Strohfeuer war:
Damit hatten wir den Sieg in der Tasche und Sebastians Gegner entschloss sich, das Remis zu nehmen. Nun lief nur noch Ivans Partie, der immer noch hoffnungslos auf Verlust stand. Aber irgendwie schien sein Gegner den Durchbruch nicht zu finden und grübelte und überlegte, bis er nur noch vom Inkrement lebte. Schon schlichen sich die ersten Ungenauigkeiten ein, bis die Stellung überhaupt nicht mehr klar war und dann war es auf einmal passiert:
Plötzlich muss Weiß den einzigen Remiszug (!) finden und erlaubte stattdessen mit 49.Dc3? ein (für uns) schönen Abschluss.
Trotz der etwas zu vielen Brettpunkten im Gepäck war die Logistik für die Rückreise überraschend schnell gelöst. Natürlich sind nicht alle genauso zurückgefahren, wie sie hingefahren sind – das wäre ja langweilig…