Frisch zurück aus Bielefeld: Was ein Turnier, was eine Location, was für Drama!
Wie die meisten Teilnehmer kam ich am Freitag, bereits ein Tag vorher an, was Stress reduziert und möglicherweise gute Vorbereitungen ermöglicht, zumal mein persönliches Ziel war, das Turnier zu gewinnen und dadurch meinen Traum zu erfüllen, bei einer Weltmeisterschaft im Einzel mitzumachen. Aber machen wir erst mal Schritt für Schritt:
Samstag nach der Registrierung treffe ich mit Frikadellen, Salat aus dem Turniersaal (wichtiges Detail für später) auf Benedikt Dauner, den BW-Schnellschachmeister aus diesem Jahr (in absolut dominanter und überragender Manier) und wir kommen ins Gespräch über das Übliche. „Wie hast du geschlafen, welches Hotel…“ „Hab schlecht geschlafen, hatte so ein billiges Hotel und das Bett war komisch..“. Benedikt, wenn du das liest: Dafür zahlt normalerweise der Verband, du musst beim Hotel nicht sooo sparen 😀
Kurz darauf fing Runde 1 an und ehrlich gesagt, ist Runde 1 von jedem Tag die wichtigste Runde für mich. Ein guter Start steigert das Selbstbewusstsein, die Konzentration. Verliert man Runde 1 fangen bereits die Selbstzweifel an „Das ist heute vielleicht nicht mein Tag etc.“. Mein Gegner, Martin Heider, fragt mich vor der Runde bereits ob ich nervös bin, worauf ich unehrlicherweise „nein“ geantwortet habe. Ja, Martin, ich war scheiße nervös. Dementsprechend verlief so auch unser Spiel, sehr abtastend, wo Martin im Endspiel mit dem Läuferpaar drücken wollte, ich aber verteidigen konnte und beim Kontern einen Bauern gewann. Zum Schluss übersah ich eine Taktik und es ging friedlich remis aus. Kein schlechter Start.
Runde 2 kam ich gegen Patrick Zelbel, den Nr. 2 gesetzten mit Schwarz. Das wusste ich allerdings nicht vor der Runde, ich wollte einfach gewinnen. Die Eröffnung verlief ein wenig unorthodox und kurz darauf fanden wir uns in folgender Stellung wieder:
Patrick spielte Dc4. Wie setzt Schwarz fort und gewinnt eine Figur?
Ich war sehr froh, als er Dc4 gespielt hatte, allerdings machte sich in diesem Moment etwas in meinem Magen. Ihr erinnert euch an die Vorgeschichte mit der Frikadelle und den Salat? Ja, nicht nur war er nicht wirklich genießbar, sondern hat *uhm..Probleme verursacht, die erforderten, dass ich schnellstmöglich aufs Klo musste. Nur hatte ich eine Figur mehr und noch einen Königsangriff zu überstehen..In diesem Moment spielten sich „Was-Wäre-Wenn“-Szenarien in meinem Kopf ab. „Was, wenn er jetzt Remis bietet, nehme ich mit Mehrfigur an, damit ich schnell mein Problem lösen kann?“ Letzten Endes entschied ich mich dazu, zu blitzen und schnellstmöglich alle Risiken der Stellung mitzunehmen. Irgendwie gewann ich am Ende doch halbwegs souverän und suchte prompt das Klo auf. An Patrick, tut mir leid, wenn ich während der Partie evtl. unruhig oder hektisch schien.
Nach dem Sieg kam ich prompt auch gegen den nun offiziellen Deutschen Meister K.M.Nothnagel. Gibt eigentlich nicht viel zu berichten hierüber. Ich dachte, ich hatte Druck in der Eröffnung und wollte unbedingt auf Sieg spielen, er sah eine Taktik und hat den Rest souverän abgewickelt. Zum Schluss gab es nur eine kuriose Szene in seiner Zeitnot, als ich dachte, dass ich das Geschehen kippen könnte.
Er hatte soeben d6 gespielt. Ich wollte direkt Dxd6 spielen mit Tb1+ und Lg3#. 4 Züge davor hat er an einem Zug 8 Minuten überlegt, weshalb ich nicht glauben konnte, dass er das übersieht. Allerdings geht Dxd6 nicht, da nach Tb1+ noch Sg1 geht und mein Vorhaben ruinieren würde. Also entschied ich mich auf langsamerer und anderer Weise zu verlieren. Nach der Partie gestand Marian, dass er ebenfalls einen Schockmoment bei d6 hatte und geglaubt hatte, die Partie aus der Hand gegeben zu haben. Keine Sorge Marian, du hast verdient gewonnen, das war kein Glück.
In Runde 4 kam ich gegen Papa Kopylov. Kurz gefasst: Ich hatte viel Initiative, klassischer Fall von „too many good options“, ich wählte die falsche, die leider ins Remis führt. Da wäre mehr drin gewesen
In Runde 5 kam ich gegen Nr. 1 der Setzliste, Hagen Poetsch. Ich rede am Besten nicht viel über die Partie, Hagen war sichtlich nicht bei 100%. An dieser Stelle alles Gute an ihn und hoffentlich gute Besserung! 🙂
Damit war Tag 1 beendet und ich hatte 3/5. 2021 hatte ich Tag 1 mit 3,5/5 beendet und bin zu überglücklich und voller Vorfreude in Tag 2 getaucht, was sich dann gerächt hatte. Denselben Fehler wollte ich dieses Mal nicht machen. Für Tag 2 wurde ich in der 6. Runde gegen Aljoscha Feuerstack gelost, einen unangenehmen, starken Gegner, vor allem mit weiß.
Ich habe den Abend dieses Mal nicht mit großen Vorbereitungen wie letztes Mal verbracht (habe kurz geschaut, er spielt schottisch, spanisch.). Um aber nicht zu viel Druck auszuüben und mich ein wenig innerlich zu entspannen, war stattdessen Netflix & YouTube mein Abendprogramm, sowie ein leckeres Abendbuffet. (Danke an den Deutschen Schachbund diesbezüglich, das Essen ist von mir approved! (9/10))
Gegen Aljoscha kam natürlich übrigens weder spanisch, noch schottisch, noch e4 aufs Brett, sondern katalanisch. Nach einm wilden Spiel und einem Bauernopfer von mir, konnte ich mir in seiner Zeitnot einen Vorteil herausspielen und entscheidend einen Königsangriff starten.
Es folgte in Zeitnot …Dg2. Dd3+ Te4+ f4 f5 h3 und g5+ nebst Matt.
Damit war die wichtige 1. Runde des neuen Tages gemeistert.
Es folgte eine umkämpfte Partie gegen Benedikt Dauner, der definitiv einen schlechten Tag mit 0/4 erwischt hatte. Kopf hoch, das wird wieder Champ! Da diese im Livestream und auf ChessBase zu sehen sind, kommentiere ich nicht allzu viel darüber. Witzig ist nur, dass die Variante aufs Brett kam, über die wir am Vortag beim Abendessen noch gelacht hatten 😀
Damit hatte ich aus dem Start von 2/4 ein 5/7 gemacht. Rudolf Bräuning, der mich nach meinem Start von 2/4 fragte, was mein Ziel für das Turnier wäre, meinte daraufhin, „dann musst du wohl nun alles gewinnen!“
Ich war auf meinem Weg dahin. Gegner in der vorletzten Runde war Daniel Kopylov, der seinerseits ein starkes Turnier spielte. So konnte ich früh Druck ausüben und fühlte mich in der Stellung sehr wohl
jedoch hat Daniel durch präzises Spiel zunehmend einen Vorteil erarbeitet. Jedoch hat das auch Zeit gekostet, denn er lebte schon tief unter einer Minute.
nach Dd3 spielte ich Te4, um Te1+ vorzubereiten als Taktik. Te4 war auch dazu da, um f3 als Antwort zu provozieren, was letzten Endes mir den Sieg gebracht hätte. Mit 20s auf der Uhr hat er das aber erahnt und spielte dann Df3. In der Partie boten sich in dieser Phase 2-3 Taktikfallen an, die er aber allen gekonnt auswich trotz knapper Zeit, sodass ich nun auch unter 20s geriet.
Hier spielte ich schnell Kh7 und habe mental mir direkt eine Ohrfeige gegeben, da ich direkt danach gesehen hatte, dass Tf8 mir sehr gute Chancen geben würde. Kurz darauf opferte ich mit 1s auf der Uhr noch meinen Springer für den Königsangriff, den er abwehren konnte. Abgezockt sicherte sich Daniel verdient den Sieg.
Damit waren meine Titelträume dahin und so blieb es in letzter Runde nur noch übrig, möglichst weit vorne zu landen. Es ging gegen Torben Knüdel. Kurioserweise hatte ich eine Variante gerechnet, die gar nicht funktioniert hätte und wo ich vermutlich direkt hätte aufgeben könnten..
Die Idee c3 zu spielen, ist „simpel“: Entweder verlässt die Dame die Diagonale a7-g1 und ich kann f4 spielen, oder die Dame verlässt die Deckung vom Springer e5. Auf Dxc3 hätte ich also prompt f4 gespielt…doch, was hätte ich in diesem Fall übersehen?
Zum Glück nahm Torben auf d3 und ich konnte nach hartnäckigem Widerstand den Sieg einfahren. Dadurch schließe ich mit 6/9 die Deutsche Meisterschaft auf Platz 4 ab!
Halt Stop. Meinte ich Platz 4? Nicht ganz, der wurde mir noch in letzter Sekunde von Martin Heider genommen, als Pascal Barzen leider patzte. Martin, ich habs mir inzwischen angeschaut und verstehe nun, was du meintest mit, „schau dir unser Turmendspiel mal an :D“
Welcher Turmzug verliert?
Spaß beiseite, verdienter 4. Platz an Martin Heider, der hoffentlich bald seinen IM-Titel einlösen wird.
Hier ein Bild der Siegehrung: Von l.n.r: 1. Platz FM M.K Nothnagel, 2. Platz GM Michael Richter, 3. Platz FM Daniel Kopylov, 4. Platz Martin Heider, 5. Platz Xiang-Tobias Peng
Ein Blick aufs Turnier gibt es unter folgenden Links