„Wir sind froh, dass es endlich losgeht!“ – Was man in letzter Zeit von vielen Olympioniken gehört hat, dürfte wohl auch auf den ein oder anderen Teilnehmer und vor allem die Organisatoren des diesjährigen „Württemberg Chess Meeting“ zutreffen.
Gegen 16.40 Uhr und damit relativ pünktlich begann gestern die Begrüßung in der repräsentativen (und klimatisierten!) Aula der Hochschule Heilbronn im Ortsteil Sontheim. Nach ein paar Begrüßungs- und Dankesworten von Vereinsseite hob Schirmherr Prof. Dr. Lenzen, Rektor der Hochschule, die Bedeutung des Schachspiels als universale und völkerverbindende Sprache hervor. Turnierdirektor Bernd-Michael Werner knüpfte daran an, indem er die gute Verbindung zwischen Schach, Wissenschaft und Bildung ins Zentrum rückte, bevor die beiden Schiedsrichter Klaus Fuß und Ramin Geshnizjani noch ein paar Worte über das Regelwerk verloren.
Dann wurde es das erste Mal spannend:
Die Auslosung des Masters stand an. Natürlich spielen hier alle Teilnehmer im Vollrundensystem früher oder später gegeneinander, aber es kann schon einen Unterschied machen, gegen wen man in welcher Runde und vor allem mit welcher Farbe antreten darf. Die Losfeen (das waren die Teilnehmer selbst) entschieden unter den Augen der beiden Schiedsrichter, dass es gleich in Runde 1 zum Heilbronner Duell Gunnar Schnepp gegen Ivan Ramirez Marin kommen sollte. Enis Zuferi spielte gegen den Qualifikanten des letztjährigen Kandidatenturniers Christopher Freiherr von Hauff, während Tobias Peng es gleich mit dem topgesetzten Großmeister Oleg Korneev zu tun bekam. Die weiteren Paarungen lauteten Dr. Georg Braun gegen Jens Hirneise und Nikolai Ninov, der zweite Großmeister im Feld, gegen IM Soham Das.
Während das Kandidatenturnier mit 24 Teilnehmern dann auch gegen kurz nach 17 Uhr beginnen konnte, wurden alle Masters-Teilnehmer nochmals ins Turnierleiterbüro gebeten. IM Soham Das war ein frühmorgendlicher Zugausfall in Berlin zum Verhängnis geworden, sodass er nun – nach weiteren Kapriolen der Deutschen Bahn – mit etwa fünfstündiger Verspätung am Heilbronner Hauptbahnhof ankommen sollte. Zum Glück hatte er seine ursprüngliche Ankunft in Heilbronn für 13 Uhr vorgesehen, sodass nun eine Verschiebung des angesetzten Rundenbeginns auf 17.30 Uhr gerade so reichte, damit Das seine Partie gegen Ninov antreten konnte.
Den durch die Verspätung entstandenen Zeitnachteil glich er relativ bald aus und auch sonst verlief die Partie immer im Gleichgewicht, sodass noch vor dem 40. Zug die Punkteteilung feststand. Im „dynamischen Gleichgewicht“ verlief wohl auch die Partie zwischen Georg Braun und Jens Hirneise, wenn auch mit sehr ungleicher Materialverteilung. Nach einem Schlagabtausch im Zentrum mit sich öffnenden Linien und Diagonalen gab Braun die Dame für Turm, Springer und Bauer. Nachdem er sein vorgerückter Bauer auf c2 endgülig aufgehalten wurde und Braun mit seinem Wanderkönig noch einen weiteren Bauern erobert hatte, begnügte sich Hirneise mit einem Dauerschach.
Eine Zugwiederholung gab es auch bei Tobias Peng. Mit Schwarz hatte er dem ehemaligen Elo-Schwergewicht (2671 im Jahre 2006 bedeuten damals Platz 32 in der Weltrangliste!) Korneev am Königsflügel arg zugesetzt. Einen „vergifteten“ Springer auf g3 wollte der Großmeister nicht schlagen und war wohl recht froh, als Peng die Schaukel anbat. Ein toller Auftakt für einen unserer vier Lokalmatadoren!
Ebenso gut machte es unser zweiter Lokalmatador Enis Zuferi, wenn auch gegen einen nominell deutlich schwächeren Gegner. Gegen Freiherr von Hauff spielte er aus der Eröffnung heraus sehr sauber, rückte seinen a-Bauern weit vor und ließ sich auch durch einen zwischenzeitlichen, aber völlig bedeutungslosen, Minusbauern nicht beirren. Der Bauer war bald zurückerobert, dann folgte noch einer, und schlußendlich entschied der weit vorgerückte a-Bauer die Partie – auf b7 und er hätte sich fast auch noch bis auf c8 durchgefressen, hätte Freiherr von Hauff nicht vorher die Segel gestrichen.
Das Duell der Heilbronner startete gemächlich mit frühem Damentausch und beidseitig gleicher Bauernverteilung. Nach der kompletten Öffnung der c- und d-Linie sowie weiteren Figurenabtäuschen im Zentrum war es aber an Ivan mit Schwarz, auf „mehr“ zu spielen. Er gewann alsbald den a-Bauern und manövrierte mit seinem Springer geschickt durchs Zentrum. Gunnar Schnepp auf der anderen Seite gelang dies nicht ganz so gut, er bezeichnete seinen Springerzug nach d2 nach der Partie gar als „Fingerfehler“ – er hatte ihn eigentlich (sehr viel aktiver) nach d4 stellen wollen.
All dies konnten die Zuhausegebliebenen dank dem Einsatz von Bernd Hähnle und Karlheinz Vogel über Lichess verfolgen, wenn auch die Übertragung noch die bekannten Kinderkrankheiten aufwies und zwischenzeitlich sogar unterbrach. Nachspielen kann man sie hier aber trotzdem in voller Länge und wir sind zuversichtlich, dass sich die Übetragung schon heute stabilisiert.
Runde 2 ab 10 Uhr hier.
Im Kandidatenturnier gaben sich die nominellen Favoriten Karl Wartlick, Markus Kottke und Patrick Seitz keine Blöße, wobei Letzterer schon die letzte Partie des Tages spielen musste, um den zäh verteidigenden Jürgen Kleinert vom Nachbarverein SV Böckingen zu bezwingen. Kurz vor 22.30 Uhr sah es noch so aus, als könnte Kleinert die Partie mit Bauer und (etwas beengtem) Läufer gegen Seitz‘ weit vorgerückten Bauer und Springer noch halten – ob es dann doch noch einen echten Gewinnweg gab, oder ob Kleinert der fortgeschrittenen Spiel- und knappen Bedenkzeit Tribut zollen musst, werde ich jetzt rausfinden gehen…
Dann vielleicht bis gleich im Turniersaal!