Wie Bayern und Bochum

Im Fußball sind Fanfreundschaften total normal. Da hätten wir Schalke 04 und den 1. FC Nürnberg, Hertha BSC und den Karlsruher SC (man möge mir vergeben, dass ich den Namen dieses Vereins ausgeschrieben habe) oder der FC Bayern München (wieder so ein mulmiges Gefühl) und der VfL Bochum. Was dahintersteckt? Keine Ahnung. Gerüchteweise soll der VfB Stuttgart eine Fanfreundschaft mit dem 1. FC Kaiserslautern pflegen, weil beide ein Problem mit dem KSC haben. Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Zu Beginn der Württembergischen Blitzmannschaftsmeisterschaft in Murrhardt am 13. Mai 2023 waren erstmal alles „Feinde“ oder besser gesagt Kontrahenten. Ganz besonders traf dies wohl darauf zu, wie wir von den anderen 27 Teams wahrgenommen wurden. Denn wir gewannen die Meisterschaft im Vorjahr, außerdem hatten wir keine zweite Mannschaft im Feld, da wir auf der Bezirksebene „nur“ ein Kinderteam spielen ließen.
Die Zahl „zwei“ spielte insofern eine zusätzliche Rolle, dass wir mit zwei Änderungen im Vergleich zu 2022 an den Start gingen. In der zweiten Saisonhälfte spielte sich Philipp Huber durch starke Leistungen in diversen Ligen und dem Deizisauer Neckaropen in den Vordergrund, wodurch er den Platz von Thilo Kabisch übernahm. Die zweite Änderung war nicht leistungsbedingt, denn Tobias Peng, ein begnadeter Blitzspieler und mit 19,5/20 DER Leistungsträger im 2022er-Team, musste kurzfristig absagen. Mit Steffen Mages war glücklicherweise ein Spieler gefunden, welcher wie Tobias ein Blitzschach-Aficionado ist.

Ein Blick durch den Turniersaal machte uns keine Angst. Nicht einmal der TSV Schönaich war mit Ausländern angereist. Wie ich heute erfahren habe, wäre das auch schwierig gewesen, denn Schönaich hat alle Söldner abgemeldet und versucht es ab sofort mit den sehr talentierten Jugendlichen wie Tobias Kölle und Marius Deuer. Die Stuttgarter SF und andere Verdächtige wie SC Böblingen, TG Biberach und SK Bebenhausen waren weitestgehend mit ihren Top-Spielern aus der Oberliga angetreten. Es versprach eine spannende Württembergische Meisterschaft zu werden.

Nur schienen wir kein Teil dieses Titelkampfs zu sein. Denn wir starteten mit einem 2-2 gegen den SV Herrenberg, weil ich ein gewonnenes Turmendspiel so sehr versaute, dass ich in einem Mattnetz landete. Ein erdrückender sowie schmerzhafter Start. Gleich in Runde 3 durften wir gegen Schönaich I spielen, welche uns keine Chance ließen. Besiegten wir ihr Balkan-Team im letzten Jahr noch mit 2,5-1,5, gingen wir dieses Jahr mit 0,5-3,5 unter.

Steffen am Kämpfen

Das erste Turnierdrittel war nur auszuhalten, weil wir bis auf die Stuttgarter SF und die TG Biberach gegen alle „starken“ Mannschaften spielen durften. Und wir besiegten sie auch, egal ob Schönaich II oder Bebenhausen I. Mit einem Ergebnis von 7S-1U-1V ging es in die Mittagspause, welche dank vegetarischer Maultauschen und Kartoffelsalat angenehm verlief.

Mit so viel Liebe galten wir sicher als Sieger der Herzen

Das zweite Drittel lief nicht unbedingt besser. Zwar waren die Gegner „leichter“, aber wir ließen auch hier drei Mannschaftspunkte liegen. Gegen die SF Mengen erduselten wir uns noch ein 2-2, weil ich auf Zeit gewann. Ja, das kam tatsächlich ein paar Mal vor, auch wenn wir 3+2 spielten, d.h. mit zwei Sekunden Inkrement pro Zug. Zwei Sekunden sind nicht viel! Die reichen gerade so, um ein technisches Endspiel halbwegs korrekt zu Ende zu spielen. Man kann weiterhin Leute „flaggen“ (d.h. auf Zeit zocken), nur kann das „Flaggen“ nicht mehr die Hauptstrategie sein, wie etwa beim 5+0 oder gar 3+0 Blitz. Dafür hatten wir gegen Kornwestheim kein Glück mehr, das Team hatte einen kollektiven Aussetzer und nur Simon bewahrte uns mit einem Sieg vor der Höchststrafe.

Vor dem Endspurt lagen wir mit 30-6 Punkten zwar auf einem soliden dritten Platz, jedoch konnten wir weder die Stuttgarter SF noch die Schönaicher (beide jeweils 34-2) aus eigener Kraft einholen. Zwar hatten wir das Duell gegen Stuttgart noch vor uns, aber das konnte uns natürlich nur zwei Punkte näher bringen. Also was tun?
Just in dem Moment kam die Erlösung wie aus dem Nichts auf mich zu. So wie Dumbledore im fünften Harry Potter-Film plötzlich im Zaubereiministerium auftauchte, um Voldemort zurückzuschlagen, als Harry kampfunfähig auf dem Boden lag, so kam Thanh Kien Tran auf mich zu. Der Retter in der Not versprach mir: „keine Sorge, Enis, wir regeln das“ und zwinkerte mir verheißungsvoll zu. Dann ging er von dannen, während das Sonnenlicht ihn verfolgte und die Engel sangen…
Naja gut, ganz so war das nicht, aber Böblingen half uns tatsächlich damit, dass sie Stuttgart besiegten. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. TTK, falls du das liest, wie sieht unsere Vereinsfreundschaft jetzt aus?

Sie waren übrigens die Einzigen, welche gegen Schönaich gewannen. Dieses Jahr waren sie auf einem anderen Level. Wir hätten sie selbst besiegen müssen, das hätte uns wie letztes Jahr geholfen, das Turnier spannend zu halten. Aber Schönaich ist dieses Jahr ein würdiger Gewinner. Nächstes Jahr holen wir Heilbronner uns die Blitzkrone zurück, ich verspreche es.

Im letzten Turnierdrittel schienen Philipp und Steffen wieder aufgewacht zu sein. Denn beide drehten furious auf, was uns für das direkte Duell gegen Stuttgart gerade recht kam. Obwohl wir schnell zurücklagen, weil Simon gegen Andreas Strunski verlor, hatte Stuttgart trotz Top-Aufstellung nichts zu melden. Philipp gewann wie in Deizisau gegen Lukas Forster (der sich in den letzten 12 Monaten sehr gut entwickelt hat) mit seinem Trompowski-Angriff, während Steffen Christian Beyer keine Chance ließ. Da sahen wir es, Steffens Talent bei kurzen Bedenkzeiten. Und ich durfte mich zumindest ein kleines Bisschen bei Mark Kvetny für meine Niederlage bei der Schnellschachmeisterschaft 2022 revanchieren, als ich ihn nach spannendem Kampf mit Höhen und Tiefen niederrang. 3-1 für Heilbronn.
Kurz danach räumten wir mit 2,5-1,5 den letzten verbliebenen Konkurrenten, den SK Wernau, aus dem Weg. So wurde der Weg für die Vizemeisterschaft geebnet. Wie letztes Jahr gab es einen „Fresskorb“, was ich für eine schöne Idee bei Teamwettbewerben halte. Obendrein noch die Qualifikation zur Deutschen Blitzmeisterschaft, welche jedoch nie gefährdet war. Denn Schönaich war als Vorjahresfünfter bei der DBMM für ebenjenes Turnier vorqualifiziert. Damit fahren neben uns auch die Stuttgarter am 10. Juni nach Dinslaken, um den Meistertitel nach Württemberg zu holen.

So sehen Turnierleiter und Vizemeister aus

Ausnahmsweise (in kurzen Bedenkzeiten bin ich schon schlechter als im Langschach) war ich mit 22/27 und vor allem mit einem Endspurt von 12,5/13 eine tragende Säule des Erfolgs, streng genommen trugen wir alle gleich viel zum Erfolg bei. An Brett 1 wurde ich nur von Tobias Kölle übertrumpft, welcher eben für den Turniersieger spielte. Alles in Butter.
Ein besonderer Dank geht an die Turnierleitung, welche mit ihren Aktionen für einen 100% reibungslosen Turnierverlauf sorgte. Beispielsweise wurden die Zettel für die Ergebnismeldung alle im Vorfeld ausgedruckt, wodurch es kaum Leerlauf zwischen den Runden gab. Danke an den SC Murrhardt und alles Gute zum 75-jährigen Vereinsjubiläum. Wir sind ja erst 2026 dran.

Alles Relevante zur WBMM auf den Seiten des SVW.


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