Noisy Neighbours

Bundesliga, geil. Endlich mal nicht nur gegen die Rudolf Bräunings, Robert Gabriels oder Alexander Häckers dieser Welt spielen. Endlich mal neue Gegner, ohne dass ich mich auf einen Trip nach Serbien begeben muss, bei welchem eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, mit Organmangel nach Hause zu kommen. Endlich mal auf Leute treffen, welche nicht dein Repertoire von vorne und hinten auswendig kennen und sich deswegen entscheiden, mit 1.Sf3 2.c4 anzufangen, damit du ja nicht dein geliebtes Grünfeld bekommst. Endlich mal Spaß!

Naja, schön wäre es. Das zweite Wochenende der 2. Bundesliga Süd bedeutete für uns, gegen Stuttgart und Eppingen zu spielen. Mit Stuttgart (I, II oder III) haben wir uns sicher schon 28 Mal gemessen, während Eppingen zwar ein neuer Gegner für die meisten Spieler unseres Kaders war, aber die Gesichter waren jetzt nicht unbekannt: Christopher Noe, Jonas Hacker, Danijel Gibicar…

Auch die Jugendlichen U20 bekamen das volle „Bundesliga-Feeling“, denn sie spielten in der Jugendbundesliga Süd gegen die Schachfreunde HN-Biberach. Biberach war nach dem Abstieg im Jahr 2020 und der verschenkten Saison 2020/21 wieder zurück in der Jugendbundesliga. Damals schafften wir ein 3:3 mit folgenden Leuten: Kim-Luca, Severin, Daniel, Lukas Dietzel und die Sawadski-Zwillinge. Welche dieser Personen ist in der aktuellen Mannschaft vertreten? Nicht spicken! Es ist nämlich gar keine. „Umbruch“ wäre noch ein netter Begriff für die aktuelle Situation der Jugendbundesliga-Mannschaft. Bei Biberach waren damals schon vier der jetzigen Stammspieler in der Mannschaft angekommen. Noah Geltz, Simeon Triantafillidis, René Späth und Jonas Martsfeld. Dummerweise waren drei unserer Spieler:innen (wenigstens haben wir jetzt auch (gute) Mädchen im Team) wegen Krankheit oder anderer Termine anderswo unterwegs.
Aber gut, Jannis (Hagenmeyer) und Dennis (Birke) waren gut drauf und vielleicht würde Felix (Hagenmeyer) wieder einen 400 Punkte stärkeren Gegner umhauen, so wie gegen Untergrombach…

Leider schaffte es Felix dieses Mal nicht ganz, den Sieg zu holen – einen zugegebenermaßen komplizierten Remisweg sah er nicht und so blieb dieser Punkt im Stadtteil. Jannis und Dennis gewannen, wie von mir antizipiert. Niklas Lob verlor eine knappe Partie, in welcher es drunter und drüber ging. Den beiden Johannes (Stahl und Rupp) merkte man an, dass ihnen die Praxis fehlt und landeten schnell in aussichtslosen Stellungen. Damit rächten sich die lästigen Nachbarn für das verlorene Finale im KO-Pokal-Unterland und zumindest in meiner Erinnerung war es das erste Mal, dass eines unserer Teams gegen ein Biberacher Team verlor. Na, da habt ihr Jungs euch aber in der Vereinsgeschichte verewigt, Glückwunsch!
Wen es interessiert, auf YouTube rede ich im Detail über die Partien der Jugendbundesliga.

Mit drei Niederlagen nach drei Runden wird das Eis bezüglich des Klassenerhalts immer dünner, aber vielleicht liegt ja das neueste Cheating-Gerät bei einem Teammitglied unter dem Weihnachtsbaum, sodass wir im neuen Jahr wieder angreifen können.
1. Jugendmannschaft

Die sechste Mannschaft, in der B-Klasse spielend, empfing die SF Schwaigern. Hier war definitiv „girl power“ angesagt, denn neben Niklas Arndt sorgten Anastasia Wiebe und Josephine Bergfeld für volle Punkte, sodass ein – zumindest nach DWZ – unerwartetes 3:3 geholt wurde. Trainer Reiner Scholte ist sicher erfreut ob dieses ekzellenten Ergebnisses.
6. Mannschaft
Warum heißt es eigentlich „MANNschaft“? Ok, in den meisten Sportarten spielen Männer und Frauen getrennt voneinander und im Schach sind Frauen immer noch absolut in der Minderheit. Aber wieso wird ein Team nicht „Frauschaft“ genannt, wenn es nur aus Frauen besteht? Ist das eine dumme Frage?

Kommen wir zur Hauptattraktion dieses Berichts. Wir durften (oder mussten?) die 3. und 4. Runde der 2. Bundesliga Süd ausrichten. Dabei empfingen wir unseren „Reisepartner“ Bad Mergentheim sowie das Duo Stuttgart und Eppingen. Nach einer turbulenten sowie eher einsamen Phase des Aufbauens waren sieben ausgeruhte Heilbronner und der erschöpfte Enis um 14 Uhr an den Brettern aufzufinden, um gegen Stuttgart einen Pflichtsieg zu holen. Ja, das habt ihr richtig gelesen. Ein Pflichtsieg. In unserer ersten Oberliga-Saison schlugen wir Stuttgart I irgendwie 5:3, wobei die stolzen Hauptstädter insgesamt eine schlechte Saison hatte. Die Kräfteverhältnisse schienen im Jahr darauf wieder korrigiert zu sein, als wir brutal mit 2:6 abgefertigt wurden. Und damals hatte sicher niemand gedacht, dass unser Aufeinandertreffen in der Saison 2018/19 die Vorentscheidung um die Oberliga-Meisterschaft 2019 war. Aber die glorreichen Tage der springenden Pferde scheinen längst vergessen zu sein, so wie bei der Scuderia Ferrari, deren Emblem dem Stuttgarter Stadtwappen verdächtig ähnlich ist. Die Italiener verloren just ihren (meiner Meinung nach brillanten) Teamchef Mattia Binotto, bei Stuttgart gingen vor der Saison Ivan Schitco, Andrei Macovei und Volodymyr Vyval über Bord. Die Aufstellung der Stuttgarter bei den ersten beiden Runden sah auch stark nach „wir erwarten keine Punkte“ aus.

Gegen uns jedoch wollten sie es noch einmal wissen und traten mit der (wahrscheinlich) bestmöglichen Aufstellung an. An 1 wurde IM Mark Kvetny jedoch schnell von so einem Spieler ohne Titel neutralisiert. In den FM-Duellen holten wir zunächst deutlich mehr Punkte. Theo und Noah bezwangen Igor Neyman respektive Christian Beyer nach hartem Kampf. Harald Keilhack eröffnete mit 1.Sf3 2.c4 (lest den ersten Absatz dieses Berichts noch einmal) und überraschte mich mit einem frühen Remisangebot, als ich den Ausgleich schaffte. Leider überlegte ich an manchen Stellen zu lange, sodass ich sein ungenaues Spiel nicht bestrafen konnte – Remis.


Keilhack spielte hier 26.g4??, als ich nur noch eine Minute auf der Uhr hatte. Welchen (einfachen) Gewinnzug übersah ich?

Das einzige Duell mit ausnahmslos titellosen Spielern entschied Philipp Huber für sich. Es kann ja nicht so schwer sein, sich gegen Trompowsky zu behaupten?! Nun gut, nicht mein Problem. Damit stand es sehr schnell 4:1 und während ich über die den Spielern (es spielte keine Frau lol) kostenlos zur Verfügung gestellten Getränke und Snacks herfiel, warteten wir auf den letzten halben Punkt. Sowohl vor Ort als auch online, denn die Ergebnisse werden live eingetragen. Und wir warteten…wir warteten…ich wurde von anderen Leuten angerufen, wann wir denn kommen würden, denn wir hatten um 20:30 Uhr ein gemeinsames Essen bei Burgerheart geplant…wir warteten…die erste Einsicht gab es bei unserem IM Fabian Bänziger, welcher IM Petar Benkovic in einem Damenendspiel sehr lange quälte, aber nur ein Dauerschach schaffte. Das Spiel ist aus, Deutschland ist Weltmeister! Ok, diesen Satz werden wir im Jahr 2022 wahrscheinlich nicht hören. Aber der Kampf war entschieden! Wir holten den Pflichtsieg. Dass Thilo im Duell der erfahrenen Haudegen Gerhard Lorscheid unterlag und Niko seinen Gegner Rolf Fritsch noch entkommen ließ, wurde automatisch zur Nebensache. SIEG! Der erste in der 2. Bundesliga. Überhaupt. So schreibt man Geschichte, liebe Jugendliche der Jugendbundesliga!

Ebenso ignorierten wir vorerst, dass Eppingen auf Blut aus war. Sie traten mit drei GMs, drei IMs – einer davon Christopher Noe, also ein GM der Herzen – und zwei FMs an. Folgerichtig zerstörten sie Bad Mergentheim schon fast mit 5,5:2,5. Aber egal! Wir genossen die Zeit im Burgerheart. Viele Leute bestiegen den Matterhorn, während andere Leute einen Eistee auf der langen Insel schlürften. Optimale Voraussetzungen für das große Duell am Sonntag.

Feucht-fröhlich hatte ich im Restaurant noch ein 6:2 für uns (bei einer Niederlage meinerseits) angekündigt, jedoch war mir am Sonntagmorgen nicht mehr so wohl. Schließlich war Eppingen im Schnitt 120 Elo-Punkte überlegen. Falls ich richtig gerechnet habe, so wäre der Erwartungswert 2,7 Punkte gewesen. Quasi dieselbe herbe Niederlage, welche Bad Mergentheim am Vortag erlitt. Dafür hatten wir an Brettern mit sehr großer Unterlegenheit meistens Weiß, immerhin ein Tropfen auf den heißen Stein. Dieser Tropfen schien sich in einen reißenden Strom zu verwandeln. Philipp Wenninger hatte eine solide Stellung mit großer Remisbreite. Theo erwischte seinen Gegner auf dem falschen Fuß und hatte Stellungs- sowie Zeitvorteil. Vor ziemlich genau acht Jahren verlor ich mal gegen Namig Guliyev, dieses Mal war ich auf Rache aus. Und auch Simon Degenhard setzte seinen Gegner früh unter Druck.
Mit den Schwarzbrettern war ich dafür umso weniger einverstanden. Richard stand gedrückt und Cofmann blitzte wie sonst auch jeden Zug heraus. Er ist wahrscheinlich der Tobias Peng von Eppingen. Aber ich vertraute auf Richards Erfahrung. Niko hatte nach 15 Zügen einen Bauern weniger, die Partie hakte ich bereits als verloren ab. Noah hatte sicherlich die schwierigste Aufgabe mit Schwarz gegen GM Medvegy. Einzig Fabian schien gegen Christopher Noe ein Duell auf Augenhöhe zu führen.

Philipp mit mehr als 0,0 Promille gegen einen GM, man kennt’s

Fabian begutachtet sehr genau den Schlüssel zu seiner Stellung – den Isolani auf d5

Mit dem Läuferpaar sollte klar sein, dass Theo vorne liegt

Nicht während des Spielens einschlafen, Noah!

Diesen gutaussehenden Typen sollte jeder kennen – und noch bin ich Single!

Niko mit offenem Mund, weil er über seine Stellung schockiert ist

Simon kann gar nicht glauben, dass ihm die Wanze im Ohr den brillanten Zug g4!! vorschlägt

Richard überlegt sich, welche seiner 367 Vorgängerpartien er abrufen soll

Alle Fotos hat Julian Bissbort gemacht. Der sollte auch den Bericht zum Wochenende schreiben, aber da König Raphael bald seinen vierten Geburtstag feiert (wer den 12/2018-Bericht zu HSchV – Stuttgart überflogen hat, wird gesehen haben, dass Raphaels Geburt dort erwähnt wird), kann Julian den wichtigen Dingen im Leben momentan keine Aufmerksamkeit schenken…

Kurz vor der Zeitkontrolle überschlugen sich dann die Ereignisse. So fraß Philipp frech einen Bauern auf a7. Der Großmeister fand trotz 30 Minuten Überlegung keine Widerlegung dieses Raubüberfalls und musste ein Dauerschach geben. Auch die Spieler an Brett 2 trennten sich friedlich. Ich überzog meine gute Stellung leider ein wenig und wurde der Fülle an (guten) Optionen überdrüssig, sodass ich mit einer schlechten Entscheidung den Weg zur Niederlage beschritt. Simon spielte nie g2-g4 und machte Remis. 1,5:2,5 aus unserer Sicht also. Richard wurde schrittweise überspielt und landete in einem verlorenen Endspiel: sein einziger Turm musste auf e8 einen weißen Freibauern auf e7 blockieren. Keine Traumkarriere eines Turmes. Noah schien in einem heißen Londoner System überrollt zu werden. Theo hatte zwar einige Bauern mehr, aber da waren die ungleichfarbigen Läufer…und Niko rettete sich mit Minusbauer in eine Stellung mit ungleichfarbigen Läufern, jedoch waren noch Dame und Türme auf dem Brett, also alles offen.
Und plötzlich – wenn es die einzige Partie gewesen wäre, hätten wir lautstark gejubelt – Medvegys Königsflügelbauern standen weit vorne. Da schützten sie den weißen König nicht mehr, aber vorübergehend den schwarzen. Schach, Schach, Schach – und Medvegy gab auf. Noah gewann! Ein unglaublicher Kampf und er belohnte sich nach dem verkorksten Start mit einem verdienten Sieg gegen den ungarischen Großmeister. Durch den Sieg schienen andere Leute ihre letzten Reserven zu mobilisieren. Okay, Richard kam da nicht mehr raus und verlor – Theo jedoch spielte das Endspiel mit einer Präzision, welche Akiba Rubinstein alt aussehen lassen würde. Gut, der ist schon lange tot, also braucht es fürs „alt aussehen lassen“ nicht unbedingt Theos Endspieltechnik. Ausgleich! Nur Niko spielte als Letzter noch, wie am Vortag. Sein Gegner versuchte sein Bestes, er drang auf die siebte Reihe mit seinem Turm ein, stellte Mattdrohungen auf, verwandelte seinen Mehrbauern in einen gedeckten Freibauern. Ich vertraute Niko und blieb draußen. Na gut, eigentlich war ich draußen, weil irgendjemand die deliziösen Schokobrötchen verputzen musste! Bei einem saftigen Biss in die kakaohaltige Creme kam Philipp Wenninger zu mir. Niko hätte die weißen Figuren zurückgedrängt und seinen Bauern zurückgewonnen. Wenn man Spaß hat, vergeht die Zeit angeblich wie im Flug – ich schwöre, nur Sekunden danach stand das Ergebnis fest. Niko Remis. Eppingen 4:4 Heilbronn. Dieses Mal waren wir die lästigen Nachbarn.

Die einzig traurige Nachricht an dem Tag war, dass Walldorf gegen Speyer gewann. Würden uns die vergebenen Chancen des Oktobers doch noch einholen? Ebenso vermag ich trotz Heilbronner Brille zu behaupten, dass wir mindestens so viele Chancen hatten, den Kampf mit Eppingen für uns zu entscheiden, wie die Kraichgauer. Aber egal. Wir haben drei von vier möglichen Punkten geholt.
1. Mannschaft

Vielleicht sind wir im Fernduell mit Walldorf momentan benachteiligt, aber wir können folgende Vereine aus eigener Kraft hinter uns lassen: Baden-Baden II (bis jetzt noch nicht das gefürchtete Powerhouse), Hofheim und Speyer (im Fernduell). Dieses Geschichtsbuch scheint noch leere Seiten aufzuweisen.

Den Schlusspunkt möchte ich setzen, indem ich mich bei allen Beteiligten bedanke. Neben den Spielern und Angehörigen insbesondere bei der Hochschule Heilbronn, vertreten durch Vereinsmitglied Prof. Dr. Ole Wartlick, welche uns die Aula zur Verfügung stellte. Ein besonderer Dank an Michael Eberhard, welcher den Tod durch Verdursten eigenhändig verhinderte. Und ebenso an die Heilbronner Stimme, vertreten durch Autor Martin Peter und Fotograf Klaus Krüger, welche mal wieder über Schach berichtete.

Jetzt gönne ich mir erstmal ein paar Tage Pause. Am 04./05. Februar müssen wir Heidesheim und Hofheim bezwingen.


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