Taktik aus dem wahren Leben (91)

Das Thema dieser Serie ist die „Taktik des Alltags“, also taktische Situationen, mit denen wir Normalsterbliche in unseren Partien konfrontiert sind. Wer genügend Partien gespielt hat, weiß, dass brillante Opferangriffe leider die Ausnahme bilden; entscheidend ist viel häufiger, die kleinen Chancen, die sich links und rechts am Wegesrand auftun, zu erkennen und zu nutzen.

Alle Beispiele kommen aus dem „wahren Leben“, entstammen also meinen eigenen oder Heilbronner Partien. Manchmal kam die Kombination oder taktische Möglichkeit aufs Brett, manchmal wurde sie jedoch auch übersehen. Die Spanne reicht vom simplen kurzzügigen Bauerngewinn bis zu komplexeren Kombinationen, bei denen klassische Motive eventuell in versteckter oder „verfälschter“ Form auftreten können. Hin und wieder ist auch mal eine „Perle“ dabei, entweder in Form einer Kombination „für die Galerie“ oder als gehaltvolle Stellung mit vielen interessanten Motiven und Möglichkeiten, die naturgemäß zum großen Teil unter der Oberfläche bleiben und erst in der Analyse auftauchen.

Die heutige Aufgabe ist nur die Spitze des Eisbergs. In dieser gehaltvollen Stellung gibt es eine taktische Möglichkeit für Schwarz, die man auf jeden Fall sehen sollte. Ob man diese auch spielt, hängt davon ab, ob man die weiße Gegenspielidee erkennt (das ist deutlich schwieriger) und richtig beurteilt (die Königsdisziplin).


Lösung


Kommentare

Taktik aus dem wahren Leben (91) — Ein Kommentar

  1. Die naheliegende taktische Idee ist 1. … g4 2.Sf2 Txh2 und falls 3.Sxg/e4, dann Th1+ 4.Kxh1 Dxf1+ 5.Kh2 fxg/e4 6.Dxe4+ Df5 mit gesunder Mehrfigur. Die weiße Gegenspielidee wird wohl 2. Txf5 sein; bei gxh3 3.Dxe4 hat Weiß sehr starken Angriff für die Figur, kritisch ist 2. … Kxf5 3.Sf2 und da Schwarz den e4 nicht verteidigen kann, Kg6 4.Dxe4+ Kf7 5.Sxg4. Nun hat Weiß drei Bauern und Angriff für den Turm. Der Versuch dies aus der Diagrammstellung analytisch zu lösen, ist ein sicheren Weg in die Zeitnot, also die intuitive Bewertung: Zwei der drei weißen Mehrfreibauern müßen den König verteidigen und sind daher harmlos. Das Umwandlungsfeld des dritten wird von zwei Figuren sicher kontrolliert, also beschränkt sich sein Wert auf die Kontrolle von Feldern in der Nähe des sK. Ergo ist der Turm ein gewaltiger Materialvorteil und Weiß muß auf Erfolg im Königsangriff hoffen. Da Schwarz alle drei Figuren gut zur Verteidigung nutzen kann, sehe ich ausgezeichnete Chancen diesen als Strohfeuer zu enttarnen und danach den Mehrturm zu verwerten.
    Bleibt noch die Suche nach einfacheren Alternativen: 1. … Dd3 2.Dxd3 exd3 3.Sf2 e4 sieht auf den ersten Blick einfach gewonnen aus und wäre es auch, hätte S das nötige Tempo für g4, doch nach 4.g4 von Weiß zerbröselt die schwarze Bauernkette und der vormals traurige Randspringer wird brandgefährlich.

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