Kommt zu viert und werdet blamiert

Da die Württembergische Blitzmannschaftsmeisterschaft zwischen Vierer-Teams ausgespielt wird, könnte dieser Titel auf jede Mannschaft zutreffen. Im Deutschunterricht habe ich gelernt, dass die Interpretation des Autors nicht unbedingt mit der Interpretation durch die Leser übereinstimmen muss. Und wenn ich besser aufgepasst hätte, würde ich sicher noch wissen, wie man es nennt, wenn die Interpretation des Autors durch jene der Leser verdrängt wird. Wie dem auch sei: entscheidet nach dem Bericht selbst, ob sich der Titel auf uns, einen anderen Verein oder alle Teams bezieht!

Ich warne euch vor, dass manche meiner Aussagen Anstoß erregen könnten, also wappnet euch und nehmt nicht alles ernst.

Zunächst sah es definitiv so aus, als würden wir uns blamieren. Mit zwei Mannschaften qualifiziert, hatten wir große Ambitionen, wenn auch nur wegen der Tatsache, dass wir die mit Spannung erwartete WBMM 2020 in Heilbronn nicht ausrichten durften. Aber 2022 fand sie in Schwaigern statt, das liegt ja in der Heilbronner Umgebung und die Schwaigerner sind cool (falls ihr mal höher als Bezirksliga spielen wollt, meldet euch bei mir).
Die Aufstellung eines der Teams – nominell Heilbronner SV 2, aber von der Besetzung her die „Erste“ – war sehr schnell klar. Beim zweiten Team wiederum gab es keine einzige Konstante. Letztendlich müssen wir uns bei den Kornwestheimern bedanken, welche die Jugendbundesliga-Begegnung am 7. Mai kurzfristig abgesagt hatten. Dadurch konnten Daniel Schäfer, Calvin Wolff und Roman Kulkovets (in dieser Reihenfolge) mitspielen. Als Dorfältester diente Robin Stürmer (Brett 1). Er spielte nur mit, weil ich mit meinen dunklen Machenschaften dafür sorgte, dass das Nachholspiel Böblingen II – HSchV II am 8. Mai stattfinden sollte. Das sorgte dafür, dass Robin eh im Heilbronner Land unterwegs war.

Und was machte die Erste (nach Spielstärke)? Naja, auf Tobias Peng warten. Jedoch trifft ihn keine Schuld. Seine ursprüngliche Zugverbindung wies eineinhalb Stunden Verspätung auf. Also wenn irgendein Politiker sich wundert, wieso Leute trotz eines Benzinpreises von 1 Niere/Liter weiterhin Auto fahren…da habt ihr eure Antwort. Glücklicherweise gab es die übliche akademische Viertelstunde Verspätung und mit einem Puls von 180 rannten Tobias und ich rein, um direkt gegen unsere Zweite zu spielen.
Um 180 Grad drehte sich dabei nur die Partie zwischen Robin und mir. Nachdem er früh einen Bauern verloren hatte, konnte er seine Stellung konsolidieren und ein paar Nadelstiche am Königsflügel setzen. Als die Zeit beiderseitig sehr knapp wurde und die Stellung maximal unklar war, bot Robin Remis an. Sehr fair! Weil wir eh schon gewonnen hatten, zockte ich weiter und schenkte Robin seinen ersten Sieg. Naja, zumindest der zweite Teil war keine Absicht. In der Folge verliefen unsere Tage auch ziemlich gegensätzlich: meistens holte Robin Punkte gegen die Leute, gegen die ich verlor und umgekehrt.
Daniel verlor gegen Thilo Kabisch auf Zeit, Calvin fiel auf eine Eröffnungsfalle von Simon Degenhard herein und Roman schlug sich wacker, jedoch war Tobias Peng zu gut drauf. Also 3-1 für die Erste.

In der zweiten Runde hatten wir spielfrei, die Zweite durfte gleich gegen Šahovski klub Novi Zagreb Schönaich I spielen. Witzig war, dass wir die Gegner der Zweiten immer in der Folgerunde abbekamen. Somit waren Dumbledore und seine drei jungen Schützlinge sozusagen unsere Vorkoster. Wie Harry Potter trägt Daniel eine Brille, Calvin könnte mit seinen langen Haaren fast als Hermine Granger durchgehen und Roman ist der lustige Sidekick, also Ron Weasley.
„Natürlich“ verlor die Zweite 0-4, wobei Robins Partie hart umkämpft war, leider reichte die Zeit (5+0, also kein Inkrement) nicht aus. Anfangs war nur Roman der Hoffnungsträger. Er setzte gegen Stuttgart I ein Ausrufezeichen und bezwang (wahrscheinlich) Josef Gabriel. Danach gab es ein weiteres 0-4 gegen Dornstetten-Pfalzgrafenweiler. In der 5. Runde gegen Stockenhausen-Frommern wachte Robin wieder auf, gewann eine wilde Partie (Turm + 3 Bauern vs. Springer + Läufer) und sorgte damit zusammen mit Romans zweitem Sieg für den ersten Mannschaftspunkt! Leider gab es danach ein 0,5-3,5 gegen Lauffen (wieder punktete nur Roman), gegen Kornwestheim wiederholte sich das Ergebnis, wobei Robin dieses Mal das Remis holte.

Bei uns lief es deutlich besser, was aber zu erwarten war. Ich habe nicht gelogen, als ich geschrieben habe, dass die Tage von Robin und mir gegensätzlich verliefen. Gegen den Schönaicher GM war gar nichts knapp, weil ich eine Figur eingestellt hatte. Gegen Kevin Narr flogen die Figuren nur so vom Brett und er beging den vorletzten Fehler. Und gegen Dornstetten spielte ich eine halbwegs gute Partie mit Qualitätsopfer, welches die weiße Königsstellung zerschmetterte. Wir holten ein 2-2 gegen Schönaich, besiegten Stuttgart 3-1, Dornstetten 4-0 (glaube ich) und Stockenhausen 3-1 (ebenfalls keine 100%ige Sicherheit). Nur ich musste mal aufhören, Figuren einzügig einzustellen. Gunnar Schnepp machte es mir einfach, denn er wählte die selbe Zugwiederholung wie im KO-Pokal vor wenigen Wochen. Was wird denn passieren, falls ich irgendwann IM werde? Gehen die Leute dann auf die Knie, um ein Remis gegen mich zu erbetteln? Für eine Blitzpartie irgendwie jämmerlich. Simon wurde im Königsgambit von Holger Scherer vernichtet, damit zitterten wir uns zu einem 2,5-1,5. Ach ja, Tobias‘ Partien werde ich nicht erwähnen, da er bis auf ein Remis alles gewann. Selbst gegen Schönaichs IM Julijan Plenca. „Ich dachte, das war ein 1500er?!“ kam von Tobias nach der Partie. Falsch gedacht…
Im Übrigen möchte ich hier Volodymyr Vyval von Stuttgart grüßen und nochmals um Entschuldigung bitten, dass ich dich über die Zeit heben musste. Das musste ich für den Mannschaftssieg tun.

Sieben Runden waren gespielt, das bedeutete Mittagspause. Nach einem Drittel des Turniers (21 Teams) waren die Kinder in der Zweiten teilweise demoralisiert. Aber niemand will mir ja glauben, wenn ich selbstständiges Training einfordere, um auf höherem Niveau mithalten zu können. In der Ersten lief dafür alles wie geschmiert, mit dem 2-2 gegen Schönaich hatten wir alles selbst in der Hand. Da ich mir selbst noch nicht zu 100% traute, dachte ich noch gar nicht an den Titel.

Das zweite Drittel war von Duellen mit anderen Unterländer Teams und mit den vier Teams des SK Bebenhausen geprägt. Robin interpretierte das Tübinger Quartett so, dass die Bezirksmeisterschaft in Neckar-Fils wohl zu schlecht besucht wurde. Naja, fraglich, wie weit man mit Masse statt Klasse kommt. Aber der Reihe nach.
Zunächst kam Ingersheim mit dem GM (Großmaul) Marcel Bluma. Leider verlor die Zweite 0-4. Danach folgten zwei Niederlagen mit 1-3, gegen Schwäbisch Gmünd und Schwaigern. Es punkteten Robin und Roman. Daniel und Calvin hatten damit zehn Niederlagen in Folge aufzuweisen und dementsprechend sahen die Gesichter aus. In Runde 11 war gegen Bebenhausens Dritte der Bann gebrochen. Daniel kämpfte wacker und sorgte für den zweiten Mannschaftspunkt. Ich versuchte, Calvin mit „Daniel ist älter als du, also bist du nächste Runde dran“ zu motivieren. Gut, Bebenhausens Erste war dafür noch zu stark, aber gegen ihre Zweite gelang Calvin gegen Oliver Omert (1936 Spielstärke!) sein erster Sieg. Leider verlor Robin auf Zeit, sodass ein weiterer Punktgewinn bis Runde 14 warten musste. Dort wurde Bebenhausen IV mit 3-1 besiegt. Mit dem ersten Sieg im Turnier wurde das zweite Drittel beendet.

Erinnert euch daran, die Zweite war unser Vorkoster. Daher waren wir überall favorisiert, bis auf gegen Bebenhausen, wobei Simon und Tobias verdammt gut drauf waren. Obwohl Marc Schallner in eine Eröffnungsfalle tappte, setzte uns Kornwestheim stark zu und wir quetschten ein 2,5-1,5 heraus. Ingersheim konnte nur einen halben Brettpunkt mitnehmen. Marcel Bluma wollte mich vor der Partie mit Trashtalk ablenken und hatte danach keine Chance. Im Übrigen war das die Revanche für die Niederlage auf Bezirksebene. Danach gab es drei 4-0 gegen Gmünd, Schwaigern und Bebenhausen III. Nun also ein weiterer Kracher. Gegen Georg Braun verwechselte ich zwei Theoriezüge und verbriet viel Zeit damit, die Stellung zusammenzuhalten. Das kostete mich einen Turm. Thilo überspielte R.B. völlig, hatte mehr Zeit und eine Mehrfigur. Plötzlich flog die Hälfte der schwarzen Figuren vom Brett und die andere Hälfte teleportierte sich wild übers Brett. Also verlor Thilo auf Zeit. Zum Glück holten die anderen die Kohlen aus dem Feuer und retteten ein 2-2. Mit einem 3,5-0,5 gegen Bebenhausen II (wobei ich ein Matt in 1 für mich übersah, was zum Glück keine Konsequenzen hatte) waren wir auch nach dem zweiten Drittel in Führung.

Auch in der Kaffeepause wollte ich nicht an den Titel denken. In sieben Runden könnte viel passieren. Für mich war es im Übrigen nur eine Wasserpause, denn Kaffee trinke ich zu Hause oder bei Starbucks.

Vom ersten Sieg beflügelt hatte die Zweite große Ambitionen im letzten Drittel. Gegen Böblingen hielten Robin und Daniel wacker mit und erkämpften sich zwei halbe Punkte. Leider gab es nicht mehr zu holen. Dafür wurde Ludwigsburg, im Schnitt über 100 Punkte stärker, klar mit 3,5-0,5 besiegt. Danach wieder ein Dämpfer gegen Spraitbach, 1-3. Negativ zu erwähnen ist das Verhalten des Spraitbacher Brett 4 (über 2100 Elo), welcher von Roman gnadenlos überspielt wurde und danach die Bebenhäuser Taktik anwenden musste: Figuren umwerfen und teleportieren, um auf Zeit zu gewinnen. War nicht einmal notwendig, weil Roman beim Stand von 1-2 ein Remis anbot. Da wir bereits am Turniertag unsere Meinung mitgeteilt hatten, gibt es hier keinen Kommentar dazu. Auch Sontheim/Brenz schlug die Zweite 3-1, danach folgten noch ein 2,5-1,5 gegen Stuttgart II und ein 0,5-3,5 gegen Schönaich II. Zum Schluss hatte die Zweite spielfrei und durfte uns beim Showdown zusehen.
Mit drei Siegen und zwei Remis (8-32 Mannschaftspunkte) landete die Zweite auf dem 19. Platz. In seiner Darstellung lobt Robin (10/20) Daniel (3,5/20), Calvin (3/20) und Roman (6,5/20) für ihre Leistungen. Dem kann ich mich nur anschließen, denn die Gegner waren größtenteils viel, viel stärker.

Von den verbliebenen sieben Runden machte ich mir vor allem gegen Böblingen und Schönaich II Sorgen. Erstere waren mit Jens Hirneise, Branimir Vujic, Thanh Kien Tran und Jewgeni Martaler (ehemals Pogorelow) sehr stark besetzt. Und bei Letzteren spielte ein IM an 1, während an 2 der unglaubliche Nils Richter wartete.
Zu Beginn des Endspurts kopierte ich nach einem 4-0 gegen Bebenhausen IV Robins Taktik und erzwang ein Remis durch eine Zugwiederholung. Lustigerweise stand ich am Ende auf Gewinn,


jedoch wollte ich mit weniger Zeit nicht überziehen. Dadurch schlugen wir Böblingen 2,5-1,5. Bis zur Schlussrunde gegen Schönaich II warteten vier „Pflichtsiege“: je ein 4-0 gegen Ludwigsburg und Spraitbach, 3-1 gegen Sontheim/Brenz (eine weitere Revanche, weil mich Sören Pürckhauer bei der WBMM 2019 besiegte) und Stuttgart II (ratet mal, wer von uns nach einem Einsteller verlor).
Nun, Schönaich II hatte keine Chancen mehr auf den Titelgewinn, aber sie hätten Schützenhilfe für ihre Erste leisten können. Jene hatten im Vergleich zu uns zwei Mannschaftspunkte mehr abgegeben, jedoch mehr Brettpunkte aufzuweisen. Damit war klar, dass wir nicht verlieren durften.
Gefühlt zum ersten Mal im Turnier hatte ich deutlich mehr Zeit als mein Gegner, IM Menezes. Und ich stand auch noch deutlich besser. Kurz nach links geschaut: „Shake Hands“ bei Tobias und Gerhard Lorscheid, 1-0 für uns, außerdem gewann Thilo gerade eine Qualität. Leider verlor er trotzdem, zeitgleich gewann Simon, was Thilo mir mit seiner Aussage „Remis reicht“ indirekt mitteilte. Passend dazu hatte ich eine Zugwiederholung auf dem Brett und das war wohl wirklich nicht der Moment, um zu zocken, da ich nicht wusste, wie groß unser Vorsprung auf Schönaich I war.

Württembergischer Meister! Wegen Corona sind wir übrigens weiterhin amtierender Württembergischer Meister im Schnellschach. Am Sonntag können wir Württembergischer Meister im Langschach werden. Können wir echt alle drei Titel holen?
Besonders stachen Simon (18,5/20) und natürlich Tobias (19,5/20) hervor. Thilo (13/20) und ich (13,5/20) hatten hin und wieder Pech bei knapper Zeit. Wobei ich meine 14,5/20 selbst versaut hatte nach dem Spiel gegen Stuttgart II…

von links nach rechts: Ottmar Seidler (SF Schwaigern), Thilo, Tobias, ich, Alkohol, Simon, Klaus Fuß (SVW) und Sabine Rotermund (Bürgermeisterin Schwaigern)

Damit dürfen wir zur Deutschen Blitzmannschaftsmeisterschaft fahren, welche am 17. Juli in Wittenberge (Brandenburg) stattfinden wird. Und wir sind wie der Rest der Top 4 für die WBMM 2023 vorqualifiziert: Schönaich I, Schönaich II und Böblingen. Bebenhausen I wurde Fünfter.

Abschließend möchte ich mich bei den SF Schwaigern und dem SVW für die Ausrichtung bedanken.
Weitere Infos hier: klick mich


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