Herz-Beben

Sarah Connor hat mich nicht verklagt, also bin ich mir sehr sicher, dass auch Helene Fischer mich in Ruhe lassen wird!

Nach Einführung der berüchtigten „Alarmstufe II“ Anfang Dezember 2021 wurden in allen Ligen sehr viele Spiele verlegt oder gar abgesagt. Die Verlegungen sorgten dafür, dass die Monate März, April und Mai sich wie ein stark angespannte Feder verhalten. Die Spannenergie wird gerade kontinuierlich in kinetische Energie umgewandelt. Am meisten Bewegung ist wohl in der 1. Jugendmannschaft, welche ab Ende April vier Spiele an fünf Wochenenden bestreiten wird.
Diese macht auch den Anfang in diesem Bericht. Nach der Unterbrechung der Liga im Winter 2021 wurde Anfang März beschlossen, dass alle Spiele regulär nachgeholt werden sollen. Leider war ich zu dem Zeitpunkt coronisiert, sodass ich meine äußerst wichtige Meinung nicht kundgeben konnte. Das führte zu einem sehr engen Terminplan, welchen ich weiter oben angedeutet habe. Start des Marathons war am 19. März mit einer Stadtrundschau in Baden-Baden. Ist echt schön da, zumindest in meiner Erinnerung, denn ich war nicht da (hatte Wichtigeres zu tun…schwöre!). Außerdem wollte ich nicht sehen, wie meine Jungs abgeschlachtet werden. Tipp: lässt man das Tier komplett ausbluten, dann ist die Schlachtung wenigstens Halal. Passend zum Ramadan, welcher gerade „läuft“!
Jedenfalls holte nur Neuling Roman Kulkovets einen halben Punkt an Brett 6. Insgesamt waren einzelne Heilbronner überfordert, andere hatten sehr gute Chancen, vergaben sie aber kläglich. Über die Partien rede ich auf meinem YouTube-Kanal.

Nur zwei Wochen danach empfingen wir den SK Bebenhausen. Dieses Mal sorgte ich für die notwendige moralische Unterstützung – zumindest zeitweise. Denn am 2. April hat meine Mutter Geburtstag, also konnte ich dem Kampf nur anfangs und gegen Ende beiwohnen – und natürlich ging zwischendrin alles schief…
Der Start war jedoch vielversprechend. Bebenhausen reiste nur zu fünft an, was extrem unerwartet war. Schließlich nutzen die Tübinger jede Gelegenheit, um Schach zu spielen. Besonders doof für unseren Ukrainer Roman, welcher nichts zu tun hatte. Auch Dennis Birke litt an Brett 5, aber nicht wegen seiner Stellung. In Ermangelung an Alternativen musste ich Dennis zwingen, zu spielen, dadurch verpasste er die Bezirksjugendeinzelmeisterschaften. Ach ja, das hatte ich vergessen. Haben die Leute Anfang März nicht die ganzen Terminüberschneidungen bedacht?! Am 7. Mai findet die Württembergische Blitz-Mannschaftsmeisterschaft statt, aber da soll auch Jugendbundesliga gespielt werden. Als ob es keine Jugendlichen gäbe, die nicht auch Blitz spielen wollen…
Okay, ich schweife ab. Dennis gewann sehr schnell eine Figur und spielte den Rest der Partie ungewohnt ruhig runter. Zeitgleich setzte es einen Paukenschlag an Brett 1, leider einen negativen für uns. Daniel Schäfer spielte im Italiener zu früh …Lc8-e6 und fiel auf den Standard-Trick d3-d4-d5 rein, welcher den Läufer und den Springer auf c6 gabelt. Mit einem schmeichelhaften 2-1 im Rücken fuhr ich nach Hause, um bei Mama zu sein. Schließlich stand Calvin bombastisch und bei Severin sowie Lukas war alles offen.
Calvin jedoch kombinierte wohl „bombastisch“ mit dem Monat des Ramadan und machte einen auf islamistischen Terroristen – nur dass er falsch zielte und seine eigene Stellung in die Luft sprengte. Lukas verrechnete sich und verlor eine Figur gegen zwei Bauern. Die Gegenwehr war eher spärlich (bitte bitte nie in ein klar verlorenes Endspiel abtauschen, wenn man eh schon schlecht steht) und Severin war sichtlich gefrustet, nachdem er einen unnötigen taktischen Schlag gegen seine Königsstellung zuließ. Damit verlor die 1. Jugendmannschaft 2-4. Da ich es sonst jedem gesagt habe, schreibe ich es auch hier: das war das zweit-peinlichste Spiel, was ich je miterlebt habe. Nur das 2-4 gegen VIER Baden-Badener war noch schlimmer.

Sonst ist auch sehr viel passiert. Bei der BJEM qualifizierten sich zahlreiche Teilnehmende des Heilbronner SV, Calvin Wolff ist Bezirksmeister, obwohl er für die WJEM vorqualifiziert ist, Roman Kulkovets folgt ihm auf Platz 2, sehr viel Schönes zu sehen. Die Ergebnisse sind unter folgenden Links sichtbar:
Ergebnisse U14-U20.
Ergebnisse U8-U12.
Gratulation zur Qualifikation für die WJEM an Leonard Jüngling (ebenfalls Meister!), Julius Winter, Kosta Tselepidis, Alexander Rotenberg, Anastasia Wiebe, Calvin Wolff, Roman Kulkovets, Niklas Arndt, Artyom Yugay, Richard Walter, Josephine Bergfeld, Felix Hagenmeyer, Erol Hasanov, Anna Fichtner, Johannes Stahl und Jannis Hagenmeyer. 16 – SECHZEHN – Heilbronner bei der WJEM. Die Masse stimmt auf jeden Fall, so wie bei mir, nachdem ich 15 Kilogramm abgenommen habe.
Möglicherweise schreibt jemand noch einen Erlebnisbericht…?

Im KO-Pokal gewannen drei Heilbronner gegen drei Ivanchuks 3:0, während Rochade Neuenstadt im Unterlandpokal personellen Engpass hatte und gleich kampflos aufgab.

Darüber hinaus gewannen die bisherigen Sorgenkinder in der Verbandsliga und Kreisklasse endlich mal Mannschaftskämpfe. Die Zweite kann dadurch noch den Klassenerhalt schaffen, auch weil wohl aus der Oberliga zwei Mannschaften in die VL Süd absteigen werden. Die Dritte hingegen kann gar nichts mehr schaffen, aber wenn wir schon Julian Bissbort in der Dritten aufstellen, müssen sie irgendwann gewinnen…
Auch hier hoffe ich, dass ein Erlebnisbericht kommt, aber ich kann niemanden zwingen.

Und damit kommen wir zum Highlight dieses Berichts. Der 10. April 2022. Oberliga Runde 8. SK Bebenhausen 1 – Heilbronner SV 1. An diesem Tag hatten wir die Chance, ein komplett neues Kapitel in der Vereinsgeschichte aufzuschlagen. Denn mit einem Sieg würden wir in die 2. Bundesliga Süd aufsteigen. Freuten wir uns vor sechs Jahren darüber, nach über 30 Jahren mal wieder in der Oberliga zu spielen, so erscheint diese Entwicklung surreal. Ich meine, wir können noch ein paar Jahre weiter zurückgehen, ins Jahr 2013, als ich nach Heilbronn zurückkehrte. Damals waren wir gottfroh, ein 4,5-3,5 gegen Ingersheim (no front) rausgequetscht zu haben. Und heute wollen wir in die 2. Liga aufsteigen.
Aber früh war klar, dass Caissa uns der schwierigsten Prüfung überhaupt unterziehen wollte. Zuerst musste unsere Aufstellung am Vortag kurzfristig geändert werden. Das kann passieren und glücklicherweise sprang Ramin total motiviert ein. „passt, morgen hatte ich noch nichts vor (und es geht um den Aufstieg)“. Gib es zu, Ramin. Du hast dir den Tag frei gehalten, in der Hoffnung, doch noch zu spielen! Jeder will halt eine Legende werden, ist schon ok.
Google Maps zeigte im Engelberg-Tunnel Stau an. Die angegebene Ankunftszeit schien davon nicht beeindruckt gewesen zu sein. Alles nach Plan! Am Tunnel angekommen, mussten wir den Plan über Bord werfen. Der Tunnel war gesperrt! Wieso? Unfall? Beginnende Baustelle? Ich weiß es nicht. Mir wurde flau im Magen. Wir können doch nicht den Höhepunkt der Saison kampflos ausfallen lassen. Meine Verzweiflung wurde schnell zu großer Wut, denn die Kommmentare mancher meiner Kollegen waren nicht sehr hilfreich. Doch es geschah ein Wunder – nein, nicht die Wiedergeburt von Jesus, glaubt nicht jedes Märchen – wir durften auf einer einzelnen Spur des Gegenverkehrs durch den Tunnel fahren. Damit wurde zumindest der Totalschaden abgewandt, auch wenn wir knapp 20 Minuten zu spät kamen.

Gut drauf war ich trotzdem nicht, denn spätestens seit meiner tragikomischen Rolle als Verbandsspielleiter, welche fast in einem Interregnum endete, bin ich auf die Verantwortlichen beim SK Bebenhausen nicht mehr gut zu sprechen. Jedoch erinnerte ich mich an ein Buch, welches ich kürzlich las. Manche Emotionen stören die Konzentration und diese ist essentiell für gutes Schach. Nun kann man entweder eine „problemorientierte“ oder eine „emotions-orientierte“ Strategie verfolgen. Da ich das Problem, unsere Gegner, nicht entfernen konnte, musste ich meine Emotionen kontrollieren und sie in Motivation umwandeln.
Zudem kam Thilo Kabisch zu spät – viel zu spät. Erst um 11 Uhr stand er im Spiellokal: „jetzt hab ich wohl verloren“. Ah echt? Wer hätte das erahnen können. Auch dieses Problem konnte ich nicht lösen, daher wieder Emotionen kontrollieren, regulieren, halbwegs ruhig bleiben…

Das klappte letztendlich auch. Meine Partie gewann ich durchaus überzeugend.

Wer will der Nächste sein, der sich mit 1.c4 eine Tracht Prügel abholt?

Die Freude war nur von kurzer Dauer. Bei Philipp Huber standen die Haare zu Berge…also doppelt. Seine Stellung war eine Katastrophe und vor dem Spiel ging er aufs Klo, um mit Wasser seine Haare zu stylen. So sah wenigstens etwas an Philipps Brett akzeptabel aus.
Der andere Philipp meinte großspurig auf der Hinfahrt, dass er kein Repertoire hätte und 1.a3 spielen würde. Gesagt, getan. Witzig und traurig, dass man gegen 1.a3 keinen Eröffnungsvorteil rausholen kann. Weiß OP, pls nerf. Tatsächlich schien eher Philipp gegen Georg Braun zu drücken, aber dieser neutralisierte den minimalen Druck, was unseren Troll zum Dauerschach zwang. Ach ja, Philipps Ex-Teamkollegin Hanna Marie Klek hat öfters mal mit 1.a3 angefangen, aber ich meine mich zu erinnern, eine ihrer Verlustpartien mit diesem „speziellen“ Zug live gesehen zu haben.

Die anderen beiden Auswärtsspiele, die stattfanden (Nürtingen sagte das geplante Spiel am 13. Februar kurz vor knapp ab), gewannen wir auch zu siebt, also was soll’s? Simon beklagte sich über seine fehlende Spielpraxis, vertauschte in seiner vorbereiteten Variante Züge und laborierte an einem leicht schlechteren Endspiel. Die Verteidigung schien dafür umsichtig genug zu sein und es wurde Remis.
Richard bereitete sich mit einem antiken russischen Buch über Französisch vor. Autor war Suetin. Bücher, was sind das? Und so ein altes Buch, pfft. Erstaunlicherweise ging die Vorbereitung gut auf und die Stellung war durchaus spielbar. Nach der Zeitkontrolle stand es wie folgt.


Richard rechnete hier sehr lange und spielte die von der Engine favorisierte Zugfolge Dh4 f6 Dh8+ Kf7. Aber die Engine sagt auch, dass danach nur Dh5!+ Dg6 Dg4! mit drohender Invasion den Vorteil festhalten würde. Stattdessen kam nach Kf7 die Zugfolge Tg1 Dg6 Kc1 fxg5 Txg5?? Df6 Aufgabe, denn es droht …Da1# und sonst kommt …Txd2 Kxd2 Dxg5+ mit Figurengewinn.

Damit war unser Schicksal auch schon besiegelt. Niko war vom Start des Mannschaftskampf (einer weniger, 20 Minuten Zeitnachteil) sichtlich frustriert und konnte nicht mehr als ein ausgeglichenes Läuferendspiel rausholen. Niko, Emotionskontrolle! Die Partie ging Remis aus. Ramin sah zwar, dass wir nicht mehr gewinnen konnten, aber er verewigte sich trotzdem, indem er einen taktischen Fehler seines Gegners ausnutzte und ein Turmendspiel mit Mehrbauer gekonnt verwertete. Damit holten unsere beiden Edeljoker Robin und Ramin jeweils 3/3. Shampoo! Äh, ich meine, Chapeau.

Am Ende also kein Sekt, sondern 3,5-4,5 und Frustessen beim lokalen Shawarma-Anbieter. Das ist irgendwie ein kleiner Yufka mit Pommes drin. Und ich konnte den Unterschied im Geschmack zum Döner nicht finden. Entweder habe ich wieder Corona oder der Laden war nicht der beste oder da ist gar kein großer Unterschied.
Es wird zu einem Showdown am 15. Mai kommen. Ob mein kleines Herz das aushält? Wir gegen Schmiden/Cannstatt, während unsere beiden Verfolger Bebenhausen und Deizisau 2 unter sich ausmachen, wer von ihnen uns auf die Pelle rückt. Ich kann nur sagen, dass ich mich über die plötzlich aufkommende Spannung in der Oberliga überhaupt nicht freue.


Kommentare

Herz-Beben — 7 Kommentare

  1. Wer nachvollziehen möchte, wie wir uns seit der gestrigen Niederlage fühlen, dem möchte ich den Song „Stuck in a Moment (You Can’t Get out of)“ von U2 ans Herz legen:

    https://www.youtube.com/watch?v=9FrE6hBRiro

    Passt im Übrigen nicht nur zu der Tatsache, dass wir nun nochmal 5 Wochen schmoren dürfen, bis wir den Ausrutscher wieder ausbügeln können, sondern auch herrlich zu der Tunnelsperrung gestern…

    Let’s get ourselves together, stand up straight and carry our own weight. It’s just a moment, this too shall pass.

  2. Wenn Du wüsstest, was ich sonst so höre 😀
    Ich behaupte mal, das haben U2 selbst schon gehört, als sie noch Kinder waren…

    Aber stimmt natürlich, wenn man behaupten kann, dass man den Song schon aktiv gehört hat, als er rauskam (muss so um 2000 gewesen sein), ist „alt“ wahrscheinlich der richtige Begriff.

  3. Hallo Ensi, vielen Dank für die Info zur BJEM U8 bis U18.

    Bei der Aufzählung ist Dir eine kleiner Fehler unterlaufen. In der U8 hat auch Winter,Julius die Qualifikation geschafft. Nicht 15 sondern 16 Teilnehmer!

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