Taktik aus dem wahren Leben (56)

Das Thema dieser Serie ist die „Taktik des Alltags“, also taktische Situationen, mit denen wir Normalsterbliche in unseren Partien konfrontiert sind. Wer genügend Partien gespielt hat, weiß, dass brillante Opferangriffe leider die Ausnahme bilden; entscheidend ist viel häufiger, die kleinen Chancen, die sich links und rechts am Wegesrand auftun, zu erkennen und zu nutzen.

Alle Beispiele kommen aus dem „wahren Leben“, entstammen also meinen eigenen oder Heilbronner Partien. Manchmal kam die Kombination oder taktische Möglichkeit aufs Brett, manchmal wurde sie jedoch auch übersehen. Die Spanne reicht vom simplen kurzzügigen Bauerngewinn bis zu komplexeren Kombinationen, bei denen klassische Motive eventuell in versteckter oder „verfälschter“ Form auftreten können. Hin und wieder ist auch mal eine „Perle“ dabei, entweder in Form einer Kombination „für die Galerie“ oder als gehaltvolle Stellung mit vielen interessanten Motiven und Möglichkeiten, die naturgemäß zum großen Teil unter der Oberfläche bleiben und erst in der Analyse auftauchen.

Weiß zog seinen Springer in der Diagrammstellung nach f3 zurück und stand besser. Aber da das hier eine Taktikserie ist, habt ihr euch hoffentlich bereits in ein anderes Zielfeld für den Springer „verliebt“. Stellt sich nur noch die Frage, was passiert: Schlägt der Einschlag durch oder hat Schwarz noch genug Ressourcen?


Lösung


Kommentare

Taktik aus dem wahren Leben (56) — 3 Kommentare

  1. Gemeint ist vermutlich 1. Sxe6! (Ich wage mich mal, das Ausrufezeichen zu setzen.)

    Dass 1. – fxe6?? 2. Lxe6+ verliert, ist klar. Auch 1. – Te8 2. Sxg7 Dxh3 3. Sxe8 sieht materiell nicht gut für Schwarz aus, zur Not ginge natürlich auch 2. Sf4 oder Sg5, wenn Weiß ein Bäuerchen reicht.

    Kritisch scheint nur 1. – b5 zu sein, zum Beispiel mit der Idee 2. Db3 Sc5!? 3. Sxc5 Dxh3 mit etwas Gegenspiel gegen den weißen König für den Bauern. Aber selbst hier sollte Weiß besser stehen, so dass ich nicht sehe, was gegen das ruhige (und langweilige) 2. Db3 spricht.

    Die Frage ist aber, ob nach 1. – b5 auch 2. Sxf8 (sieht verlockend aus) oder 2. Sxg7 gut sind.

    2. Sxg7 bxc4 3. Lxc8 (greift a6 an) Txc8 (egal welcher) 4. Sxh5 gxh5 sieht klar gewonnen aus mit sieben gesunden Bauern gegen sechs Krüppel.
    Besser ist vielleicht 2. – Dxh3 3. Dxc6 und es könnte mit 3. – Sb4 (was sonst?) 4. Dxb5 Sxc2 5. Sxh5 Sxa1 6. Sf4 weitergehen, aber ich würde vermuten, dass der sSa1 auf Dauer verloren geht, oder 5. – Dxh5 6. Tb1 mit zwei Mehrbauern.

    Ob auch 2. Sxf8 gut – oder vielleicht sogar besser – ist, kann ich gerade schwer berechnen. Es sieht naheliegend aus, aber möglicherweise kriegt Schwarz auch einiges Material, weil Sf8 ggf. nicht herauskommt. Im Blitz würde ich – leider? – ohne nachzudenken f8 fressen. Vielleicht geht es ungefähr so weiter?

    2. Sxf8 Dxh3 3. Dxc6 Sb4 4. Dxb5 Lxf8 5. c3 und der schwarze Springer lebt auch sehr gefährlich. Wie sieht es nach 4. – Sxc2 5. Tb1 (droht Sd7) Lxf8 aus? Wenn ich mich nicht verzählt habe, hat Weiß dann auch TBBB gegen SL, was vermutlich ziemlich gut ist.

    Spannende Stellung, aber zumindest 1. Sxe6! verdient – denke ich? – ein Ausrufezeichen. Ich bin gespannt, was in der Stellung alles drin ist, oder wie die Experten meine Varianten zerlegen. 🙂

    Herzliche Grüße an alle
    Jochen

    • Hallo Jochen,

      da hast du schon sehr viel gesehen! 🙂

      Das Hauptthema ist genau das Motiv 1. Sxe6! und jetzt sollte man als Weißer mindestens den Gegenschlag 1… b5! sehen und anfangen zu rechnen.

      Ich hab’s mir natürlich einfach gemacht und sofort Computerhilfe hinzugezogen (anders würde ich die Taktrate von einer Stellung pro Woche niemals schaffen), aber hier bin ich sicher, dass ich einige Ideen niemals gefunden hätte.

      In der Variante 2. Sxf8 Dxh3 3. Dxc6 hat Schwarz den verblüffenden Rückzug 3… Sf6!! und der Mattangriff nach …Sg4 ist erstaunlich stark! Tatsächlich gibt es genau eine Verteidigung für Weiß, nach der er allerdings mit Vorteil herauskommt.

      Auch nach 2. Sxg7 Dxh3 3. Dxc6 Sb4 findet der Computer 4. Dxb5?! Tab8! überhaupt nicht klar, sondern begnügt sich mit einem Mehrbauern nach 4. Dc3 Sxa2 5. Txa2 Sxg7.

      Der „Schönheitsfehler“ ist, dass objektiv gesehen nach 1. Sxe6 b5 tatsächlich alle drei sinnvollen Züge zu weißen Vorteil führen, auch das langweilige 2. Db3 nach genau deiner angegebenen Variante.

      Als Komposition würde die Stellung also wohl krachend durchfallen, aber dafür kann man sich in den Varianten so richtig austoben – meine Analyse ist bestimmt nicht vollständig.

  2. Hallo Ramin,

    mit den vielen Möglichkeiten ist das tatsächlich eine ganz tolle Stellung, um „ein wenig“ rechnen zu üben. Die sollte mal am Vereinsabend oder im Jugenschach besprochen werden.

    Das Manöver Sh5-f6-g4 habe ich tatsächlich völlig unterschätzt, das versteckt sich unter anderem in dem Nebensatz „mit etwas Gegenspiel gegen den weißen König für den Bauern“. So ein Nebensatz bringt aber nicht viel, wenn ich als Weißer plötzlich matt bin, weil ich mich nach Sg4 mit f3? statt e5 nebst Dg2 verteidige, wie ich es in der einen Variante getan hätte. Tatsächlich hatte ich auch die schwarzen Konter mit Tb8 bzw. Tc8 (gerade den) unterschätzt.

    Davon abgesehen, dass ich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von deinem Konter mattgesetzt worden wäre (Künstlerpech :(), bin ich mit den Varianten, die der Computer ausspuckt im Vergleich zu meinen stümperhaften Berechnungen aber durchaus zufrieden (zumindest dafür, wie lange ich kein ernsthaftes Schach mehr gespielt habe :)).

    An den Details arbeiten wir noch, danke für die spannende Stellung. 🙂

    Herzliche Grüße
    Jochen

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