Taktik aus dem wahren Leben (48)

Das Thema dieser Serie ist die „Taktik des Alltags“, also taktische Situationen, mit denen wir Normalsterbliche in unseren Partien konfrontiert sind. Wer genügend Partien gespielt hat, weiß, dass brillante Opferangriffe leider die Ausnahme bilden; entscheidend ist viel häufiger, die kleinen Chancen, die sich links und rechts am Wegesrand auftun, zu erkennen und zu nutzen.

Alle Beispiele kommen aus dem „wahren Leben“, entstammen also meinen eigenen oder Heilbronner Partien. Manchmal kam die Kombination oder taktische Möglichkeit aufs Brett, manchmal wurde sie jedoch auch übersehen. Die Spanne reicht vom simplen kurzzügigen Bauerngewinn bis zu komplexeren Kombinationen, bei denen klassische Motive eventuell in versteckter oder „verfälschter“ Form auftreten können. Hin und wieder ist auch mal eine „Perle“ dabei, entweder in Form einer Kombination „für die Galerie“ oder als gehaltvolle Stellung mit vielen interessanten Motiven und Möglichkeiten, die naturgemäß zum großen Teil unter der Oberfläche bleiben und erst in der Analyse auftauchen.

Dietrich oder Brecheisen?

Die Französische Verteidigung gilt als schwer zu knacken, aber hin und wieder greift Schwarz doch mal fehl und Weiß bekommt die Möglichkeit einzudringen. Die heutige Stellung stammt zwar nur aus einer freien Blitzpartie, aber immerhin fand ich den „Türöffner“ (auch wenn es mir am Ende nichts gebracht hat).


Lösung


Kommentare

Taktik aus dem wahren Leben (48) — 7 Kommentare

  1. 1.Txf7 sticht ins Auge. Da der Springer hängt, kann das Opfer kaum abgelehnt werden. Nach … Kxf7 2.Tf1+ besteht das geringste Übel wohl in … Lf6. 3.Txf6+ ist nun schon sehr unangenehm, aber ich glaube, erst 3.Lxg6+ ist noch stärker: … Ke7 4.gxf6+ Kd6 5.Lf4+ zerrt den sK ins Freie und Weiß hat inzwischen Materialvorteil, 3. … Txg6 4.Txf6+ und wenn Schwarz nicht mit Minusfigur in schlechterer Stellung verbleiben will, muß er die Dame geben: 4. … Dxf6 5.exf6 und der erste Angriff ist abgewehrt, aber DLS sollte bei schlechter schwarzer Königsstellung gegen TTLBB gewinnen, insbesondere, da die ungleichfarbigen Läufer den Angreifer begünstigen. Natürlich ist das für eine Blitzpartie alles viel zu tief gerechnet: auf f7 reinhauen sieht einfach gut aus!
    Wenn du bei verschiedenen Öffnungsmethoden gegen Franzoßen bist, kannst du meine Partie gegen Lindinger (Erfurt 1998) bringen: Im 14.Zug wollte ich eigentlich Dh6 spielen, sah aber gegen … Te8 nichts Überzeugendes. In der Analyse fand ich dann den eigentlich nicht so schweren Gewinnweg. Natürlich war er nicht zu 14. … Te8 gezwungen, aber mit allen anderen Varianten wäre ich zufriedener gewesen als mit 14.Tf2. Und ein Thema ist ja Kombinationen unter der Oberfläche.

    • Danke für den Tipp mit der Partie gegen Lindinger. Aber jetzt muss ich sie so lange zurückstellen, bis alle die Lösung wieder vergessen haben 😀

      • Ich habe die Lösung doch noch gar nicht verraten; 14.Dh6 ist nicht die Lösung, sondern der strategisch wünschenswerte Zug, den ich nicht gemacht habe, weil ich die taktische Rechtfertigung nach Te8 am Brett nicht gesehen habe. Severin hatte bei seinen Taktikaufgaben eine besondere Bezeichnung für Aufgaben, die nicht im Diagramm sondern erst ein paar Züge später starten. Andererseits kann ich eine gewisses Ähnlichkeit der Lösungen nicht abstreiten (deshalb hat mich diese Aufgabe auch sofort an jene alte Partie erinnert.).
        Weitere Dosenöfner gegen Französisch aus meiner Praxis wären meine Oberligapartie gegen A.Rempeli (ist 10.Sxc6 strategisch gut oder stellt es einen Bauern ein? Da es keine guten Alternativen gibt, mußte ich diese Frage schon zwei Züge früher berechnen, aber das will ich den potentiellen Lösern nicht zumuten. Und was hätte im 14.Zug sofort gewonnen?), gegen Eggert 96′ war zwar kein ecchter Franzoße aber dafür ein umso eindrucksvolleres Schlußspiel, gegen Karl Wartlick 08′ hatte weder der raffinierte Damenfang, noch die Umwandlungskombination direkt etwas mit dem Franzoßen zu tun aber schön war’s trotzdem.

          • Und noch mehr Franzoßen: gegen Duppel 96′ ist mein 10.Zug ein Beispiel für ein spektakuleres Opfer, welches in allen Varianten Material gewinnt und trotzdem nicht gut ist, weil stille Alternativen schlicht und einfach besser gewesen wären.

  2. Dank der Einleitung war das nicht so schwer zu sehen (wenn es denn überhaupt stimmt), in der Partie muss man erst einmal auf einen solchen Zug kommen!

    1. Txf7 Kxf7

    Da 2. Lxg6 droht und der Springer nicht gut ziehen kann, gibt es keine gute Alternative zu Kxf7, z. B. 1. – Sxe5 2. Tf6+ S,Tg6 3. Txg6 oder 2. Tg7+ 3. Txg8+ 4. Dxe5.

    2. Tf1+

    Jetzt werden 2. – Kg7? und Ke8? direkt Matt nach 3. Dxg6+, also verbleibt nur

    2. – Lf6 3. Txf6+ Ke7 4. T,D,Lxg6

    Welche Figur da am besten auf g6 schlägt, entscheide ich, wenn die konkrete Stellung auf dem Brett steht. Weiß hat auf jeden Fall LS gegen T und der schwarze König bleibt offen. Ob es direkt gewonnen ist, kann ich gerade nicht entscheiden, sieht aber schon stark aus, zumal h6 vermutlich auch noch fällt, e6 schwach ist, ….

    Herzliche Grüße
    vom Nikolaus 😉

  3. Genau, 1. Txf7 schlägt durch. Allerdings hatte Robin mit „Natürlich ist das für eine Blitzpartie alles viel zu tief gerechnet“ ebenfalls Recht…

    Und deine Grüße hätte ich eigentlich zensieren müssen, Jochen 😉

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