Mit Kanonen auf Spatzen…

…wurde am vergangenen Sonntag geschossen, und zwar beim Saisonstart unserer „Zweiten“ in der Verbandsliga. Die „Spatzen“ waren leider wir (mit einem Durchschnittsalter von knapp unter 30 Jahren), die Kanonen waren in Wahrheit Kanon*innen, denn der der SK Schwäbisch Hall hatte die halbe Damen-Bundesliga-Mannschaft mit an Bord, dazu einen französischen IM.

Dabei war das Auftreten der Haller Mannschaft überaus sympathisch, die Überprüfung und Einhaltung sämtlicher Corona-Regularien erfolgte reibungslos und auch sonst war von der alten Rivalität nicht mehr viel zu spüren. Das lag vielleicht daran, dass von unserer damaligen Ersten mit Cheffe, Robin und mir nur noch drei „alte Eisen“ dabei waren, vielleicht aber auch daran, dass wir zum Haller Mannschaftskapitän Steffen Mages eine sehr freundschaftliche Beziehung haben, seit dieser bei uns in den Oberliga-Saisons 2017/18 und 2018/19 groß aufgespielt, und uns mit einem phänomenalen Score von 6,5 aus 9 in seiner zweiten Saison zur Vizemeisterschaft und (damit fast zum Aufstieg in die 2. Bundesliga) verholfen hatte!

An dieser Stelle ein kleiner „historischer“ Exkurs, für alle, die nicht live dabei waren, oder ein löchriges Gedächtnis haben: In den 2010er Jahren war Hall zu unserem großen Widersacher geworden, nachdem sie in der Saison 2010/11 einen neuen Weg beschritten, und die zwei tschechischen IMs Zpevak und Mudrak für die vorderen beiden Bretter der Landesliga verpflichtet hatten, was unseren Wiederaufstieg nach dem bitteren Verbandsliga-Abstieg 2009/10 mit 8:10 Mannschaftspunkten natürlich erheblich erschwerte. Das entscheidende Spiel gegen Hall verloren wir Anfang 2011 mit 5:3 und die Haller starteten so ihren Durchmarsch bis in die 1. Liga, wo sie sogar einige Jahre um die vorderen Plätze mitspielten. In den beiden Folgesaisons scheiterten wir dann erst an Erdmannhausen und dann denkbar knapp an Lauffen, und just als der Weg in die Verbandsliga wieder frei zu sein schien, war Schwäbisch Hall II in der Landesliga angelangt, wieder mit den beiden IMs und noch zwei weiteren starken tschechischen Spielern. Doch dieses Mal gelang es uns, ihnen ein 4:4 abzutrotzen und unseren Vorsprung an Mannschaftspunkten bis zum Ende zu konservieren. Zwei Saisons später traf man sich in der Verbandsliga wieder und obwohl unsere Mannschaft mit nur einer Ausnahme exakt dieselbe war wie in der Landesliga (Blum, Zuferi, Stürmer, Szabo (statt Geshnizjani), Menschner, Wolbert, Weißbeck, Bissbort) und die Haller noch zwei weitere Spieler über 2300 aufzubieten hatten, gewannen wir dieses Mal am Ende sogar mit 4,5 zu 3,5 und ließen uns den Aufstieg in die Oberliga in der Folge nicht mehr nehmen. Aufgrund interner Streitigkeiten zerbrach der SK Schwäbisch Hall wenig später, startete seinen Neuaufbau in der Bezirksliga und setzte fortan auf die Damen.

Und so waren es vor allem die Haller Damen, die unseren jungen Wilden die Grenzen aufzeigten. Natürlich aber war auch dies nicht weiter verwunderlich, waren sie doch im Schnitt gut 300 DWZ-Punkte stärker. Trotzdem war auf der Haller Homepage zu Wochenbeginn in deren Bericht zu lesen: „Heute hat der Teamgeist des SK Schwäbisch Hall dieses Spiel entschieden.“ (https://www.schachklub-sha.de/klarer-sieg-in-der-verbandsliga) Hmmmm… Was mag der eigens mitgereiste Haller Berichterstatter damit wohl nur gemeint haben? Aber gut, lassen wir das für den Moment mal so stehen und wenden wir uns dem Spielgeschehen zu:

Die erste Entscheidung fiel schnell an Brett 7 durch ein Remis nach 15 Zügen zwischen Kim-Luca und Gregor Krenedics, das einige Fragezeichen aufwirft. Nachdem Weiß es verpasst hatte, eine Bauernlawine am Königsflügel loszulassen, verpasste Kim-Luca das Besetzen der e-Linie, das ihm wohl ganz gutes Spiel eingebracht hätte. Doch dann gab Weiß freiwillig seinen Königsfianchetto-Läufer gegen Kim-Lucas Zentralspringer und bot gleichzeitig Remis, welches Kim-Luca annahm, obwohl er in der Abwicklung recht trivial einen Bauern gewonnen hätte. Schwer nachvollziehbar und im Sinne des Mannschaftsergebnisses eindeutig zu wenig, vor allem wenn fast alle anderen Teamkollegen als noch größere Underdogs ins Rennen gehen.

Patrick an Brett 2 mit Weiß setzte seine Gegnerin Adela Velikic vor allem unter Zeitdruck, trennte sich dann aber früh von seinem Läuferpaar, das er wohl besser behalten hätte, denn in der Folge strahlten die beiden schwarzen Läufer zu viel Dominanz aus. Als dann auch noch sein verbleibender Läufer vom Zentrum abgeriegelt wurde, steckte er diesen auch noch ins Geschäft, wohl um bei der Gegnerin in deren Zeitnot Verwirrung zu stiften, aber diese brachte die Mehrfigur sicher nach Hause.

An Brett 4 demonstrierte Marcels Gegnerin Silvia Sgircea warum „a pawn a pawn“ ist, indem sie dessen Damengambit annahm und den Bauern erst wieder hergab, als sie eine Qualität dafür bekam. Auf der Suche nach Kompensation vergaß Marcel, seinen Läufer auf f1 ins Spiel zu bringen und zu rochieren, und verknotete sich stattdessen mit allem, was er hatte. Kurioserweise spielte die Gegnerin die ersten 18 Züge ebenfalls mit unentwickeltem Läufer auf f8 und unrochiertem König auf e8, doch stand dieser – anders als der weiße Monarch – zu jeder Zeit bombensicher. Auch die Türme auf a8 und h8 aktivierte sie erst, nachdem sie die Qualität und einen weiteren Bauern gewonnen, und die Damen getauscht hatte.

Daniels Partiezettel (oder wohl eher der von seiner Gegnerin Evgeniya Doluhanova) ist für mich kaum zu entziffern, vielleicht schafft es ja Ramin? Auf jeden Fall meine ich, dass er mit Schwarz zumindest optisch ganz gut aus der Eröffnung gekommen war und seine Gegnerin zum Nachdenken gebracht hatte. Doch fand sie alsbald ein probates Mittel um das Spiel vom Zentrum auf den Königsflügel zu verlagern und einen Einbruch ihrer Dame auf h7 quasi unabwendbar zu machen. Unter dem Druck der halboffenen e-Linie kollabierte Daniels Stellung schließlich. Schade, aber gut gekämpft!

Auch bei Cheffe ergibt das Partieformular ab Zug 19 keinen Sinn mehr, demnach hätte er mehrere Züge hintereinander eine Figur oder die ganze Dame verlieren müssen. Aber ich gehe mal davon aus, dass dem nicht so war (bei allem Cheffe-Dusel: das hätte seine Gegnerin Jovana Eric sicherlich irgendwann gesehen) und er sich seine Punkteteilung nach 41 Zügen sauber erarbeitet hat. Cheffe is back!

Severin an Brett 6 hatte es zwar mit keiner der vier Haller Damen zu tun, dafür aber mit seinem Ex-Vereinskollegen im doppelten Sinne (sowohl bei uns, als auch bei Hall) Steffen Mages, der mit Schwarz ein Scheveninger System anstrebte. Severin ging ihn mit dem Keres-Angriff 7. g4 an, woraufhin Steffen mit …Dc7 antwortete. Ich kenne mich ja wahrlich nicht aus, aber lange Zeit gefiel mir Sevis Stellung deutlich besser – bis er sich auf ein zweifelhaftes Tausch-Manöver am Damenflügel einließ und bald schon in den Verteidigungsmodus seiner vorgerückten Bauern am Königsflügel zurückfiel. Nach dem Tausch des letzten Turms war die Stellung nicht mehr zu halten und Sevi musste die Waffen strecken.

Damit war der Mannschaftskampf natürlich längst entschieden, doch kämpften in der Zeitnotphase noch Robin gegen den französischen IM Loïc Travadon an Brett 1 und ich an Brett 8 gegen Daniel Fries. Als unser einziger nomineller Favorit der gesamten Begegnung konnte ich meinen Gegner in der Eröffnung relativ schnell überspielen, begann danach aber mal wieder eine (leider typische…) Serie von kleineren und größeren Fehlern, die kurz vor der Zeitkontrolle sogar eine Verluststellung für mich bedeuteten, die ich zum Glück nochmal umbiegen konnte. Auch hier trübt der sehr einseitige Kommentar des Haller Berichterstatters („Daniel Fries verlor seine überlegene Stellung in Zeitnot“) den sympathischen Aufritt der Haller im Nachhinein etwas ein. Da wünscht man sich schon eine differenziertere Berichterstattung, zumal er die Partie die gesamte Zeit über verfolgt hatte und sich daher nicht auf eine „Momentaufnahme“ berufen kann. Ich behaupte hier auch nicht, dass unsere Spieler allesamt bittere Niederlagen aus ausgeglichenen (Grund-)Stellungen einstecken mussten. Und ja, die schwarze Stellung war natürlich einige Züge lang gewonnen, doch war sie über weite Strecken der Partie eben auch hoffnungslos verloren. Und natürlich wurde der schwarze Vorteil in Zeitnot vergeben, doch war es meine Zeitnot, die meinen Gegner überhaupt erst wieder ins Spiel gelassen hatte. Aber macht Euch selbst ein Bild:

 

 

Immerhin in einer Sache hat der Haller Berichterstatter die Situation auf dem Punkt getroffen: „Loic Travadon musste an Brett 1 in seinem ersten Spiel gegen Robin Stürmer all sein Können zeigen, um den Erfolg sicherzustellen“, denn Robin spielte mit viel Schneid, als er seinem Gegner erst ein strategisches Bauernopfer vorsetzte, um wenig später mit seinen Springern die weiße Königsstellung aufzumischen. Doch der IM verteidigte sich umsichtig und geriet zu keiner Zeit in ernsthafte Verlustgefahr. Robin ärgerte sich nach der Partie über eine aussichtsreiche Fortsetzung, die er ausgelassen hatte, weil er sie noch hatte „verbessern“ wollen und dabei eine gegnerische Parade übersah. Doch lassen wir ihn selbst sprechen:

 

 

2,0 zu 6,0 also, im Rahmen der DWZ-Erwartung. Nicht gerade ein Achtungserfolg für uns, aber auch nicht weiter tragisch. Unsere Gegner werden kommen, vielleicht können wir ja schon am 24.10. in Wolfbusch einen oder gar zwei Punkte entführen.

 

 

 


Kommentare

Mit Kanonen auf Spatzen… — Ein Kommentar

  1. Kleiner Nachtrag: Bei Kim-Luca war wohl doch kein direkter Bauerngewinn drin – der Gegner hatte zwischenzeitlich b3 gespielt und nicht h3, wie ich es fälschlicherweise auf dem Partieformular gelesen hatte. Bequem (weiter-)spielbar wäre die Stellung, in der Remis vereinbart wurde, für Schwarz jedoch trotzdem gewesen.

Schreibe einen Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Kommentare sind moderiert und werden in der Regel innerhalb eines Tages freigegeben. Sollte es länger dauern, haben wir den Kommentar entweder übersehen oder der Spamfilter hat zugeschlagen. In diesem Fall bitten wir um eine kurze E-Mail an webmaster@schachverein-heilbronn.de.