Erst lief alles wie geschmiert…

…dann alles den Bach runter. Vergangenen Sonntag reiste die „Zweite“ nach Stuttgart-Wolfbusch, um einer der nominell stärksten Mannschaften der diesjährigen Verbandsliga-Saison die ersten Punkte abzuringen. Wohlgemerkt die ersten Punkte für uns, denn Wolfbusch hatte bereits in Runde 1 (zu siebt) in Böblingen erste Federn gelassen.

Mit Tobias Schmidt, der Jahre lang erfolgreich für uns in der Oberliga gespielt hatte, hatten die Wolfbuscher ein neues Spitzenbrett und so wurde vor allem seine Partie gegen Robin von allen mit Spannung erwartet. Als hätte man es vorausgeahnt, sollte diese Begegnung am Ende wegweisend für das Ergebnis des Mannschaftskampfes sein. Aber der Reihe nach:

Beim ersten „Rumlaufen“ überraschte zunächst Marcel mit einer neuen Eröffnung, die er sich laut eigener Aussage während der online-Phase angeeignet und schon mehrfach erfolgreich angewendet hatte: Nimzoindisch. Die Feuertaufe in Präsenz gegen Magnus Kuhn gelang leider nicht, denn schon beim zweiten Rumlaufen hatte Marcel kompensationslos eine Figur weniger. Was war passiert? Nach einem zweifelhaften Versuch, seine Dame zu zentralisieren, griff er einen Zug später direkt ins Klo, als er diese auf das vom weißen Springer auf c3 gedeckte Feld e4 stellte. Zwar war dieser Springer noch vom schwarzen Läufer auf b4 gefesselt, doch konnte dieser mittels …Dxb4! direkt eliminiert werden. Ich weiß nicht, was für Marcel schlimmer war, den Figurenverlust samt Damentausch hinnehmen zu müssen, oder die verlorene Partie dann noch anderthalb Stunden aus Solidarität zu seinen Mitstreitern tapfer weiterzuspielen… Kopf hoch, solche Fauxpas sind uns allen schon passiert!

Einen Lichtblick gab es bei meinem zweiten Rumlaufen dann aber auch, denn unser Rückkehrer Adam Szabo hatte seinen Gegner IM Matthias Ruf bereits nach 20 Zügen zur Aufgabe gezwungen! Natürlich mit freundlicher Mithilfe des Gegners, der erst seinen schwarzfeldrigen Fianchettoläufer auf g7 gegen Adams Turm auf a1 „opferte“ (man könnte vielleicht auch von einem umgedrehten Qualitätsgewinn für Adam sprechen) und dann auch noch die weiße Dame von a1 nach f6 ließ, von wo sie unabwendbar f7 bedrohte:

Ziemlich sicher hätte der IM den Turm auf a1 nicht nehmen sollen, aber man muss Adam auch Respekt dafür zollen, diesen dort einfach so eiskalt „hängen“ zu lassen. Was so eine schöpferische Pause von fast 4 Jahren doch bewirken kann…

Adams Sieg war das nötige Schmierfett für unsere Stellungen. Daniel an Brett 5 manövrierte im Mittelspiel seine Figuren geschickt, erzeugte Druck auf der halboffenen e-Linie und nutzte einen taktischen Fehler des sonst so umsichtigen Sebastian Ludwig für eine souveräne Abwicklung in ein gleichfarbiges Läuferendspiel mit Mehrbauer. Zwar war es noch ein langer Weg zum letztendlichen Gewinn, der auch sehr viel Genauigkeit erforderte, aber zu verlieren war dieses Endspiel beim besten Willen nicht mehr.

Kim-Luca hatte mit Weiß im Vorstoß-Franzosen kein Mittel gegen die schwarze Initiative gefunden, stattdessen sein Läuferpaar gespuckt und seinen Gegner Andreas Severin förmlich zu einer hübschen Angriffsstellung samt halboffener f-Linie eingeladen. Doch dann überzog dieser mit dem effektvollen, aber fragwürdigen …Tf4 seinen Angriff und just als Kim-Luca zwei Züge später in Zeitnot nicht den besten Konter in Se5! fand, sondern seinen Gaul lieber nach h2 zurückbeorderte und somit den Gegner zum gewinnbringenden Turmopfer auf h4 einlud, verzockte dieser die Gewinnstellung abermals, indem er sich stattdessen auf d4 bediente. Leichte Taktik im nächsten Diagramm: Wie bestrafte Kim-Luca den weißen Bauernfraß?

Danach drehte Kim-Luca förmlich auf: In Zeitnot räumte er mit seiner Dame fast die gesamte schwarze Stellung ab und selbst den verspäteten Einschlag auf h4 (diesmal mit dem anderen Turm) samt furchteinflößender Mattdrohung auf h2 wehrte er bzw. sie kühl ab.

Robin an Brett 1 drückte seit geraumer Zeit auf Tobias‘ Konterstellung, fand aber keinen entscheidenden Durchbruch. Ob es bereits in der Eröffnung einen gab, oder ob Tobias‘ Aufstellung auf den Reihen 6, 7 und 8 (wenn auch passiv) solide genug war, kann er uns wahrscheinlich am besten selbst sagen, denn nach der Partie analysierten die beiden die Partie in all ihren Abspielen rauf und runter. Vielleicht lag es ja auch daran, dass Robin seine geliebte „späte lange Rochade“ in dieser Partie schon in Zug 10 und damit für seinen Geschmack eindeutig zu früh ausgeführt hatte…

Und obwohl Severin in der Neuauflage des Matches von vor 2 Jahren gegen Andris Kalnins lange gedrückt und letztendlich auf Verlust stand, sah es insgesamt nicht übel aus, da auch Jürgen an Brett 2 seine geschlossene Schwarzpartie gegen Alexander Häcker ohne Schwierigkeiten im Gleichgewicht halten konnte.

Und auch bei mir sah es zu diesem Zeitpunkt ganz gut aus. Nachdem sich mein Gegner Pascal Issaad mit Weiß zunächst nur sehr zahm auf den ersten drei Reihen aufgebaut, und ich mich im Gegenzug mit den schwarzen Zentrumsbauern auf c5, d5 und e5 breit gemacht hatte, hatte er mich zwar erfolgreich zum strategisch wohl etwas fragwürdigen Bauernvorstoß d4 verleitet, die taktische Gelegenheit, die sich im folgenden Diagramm bietet, aber ausgelassen. Wer findet sie?

Stattdessen versuchte er bald, mittels des Springerrückzugs nach e1 und dem Hebel f4 mein Zentrum anzuknacken, was ihm zwar gelang, für meine Stellung aber nicht weiter schlimm war: ich konnte einfach auf f4 tauschen, eine späte kurze Rochade einstreuen und mich um meine Figurenkoordination kümmern, während ich die Öffnung der d-Linie als Drohung in der Hinterhand behielt. Als ihm nichts mehr einfiel und er seine Dame erst nach f2 und dann sogleich wieder zurück nach c2 beorderte, bot er die Punkteteilung an. Nachdem ich diese abgelehnt hatte, bekam er wohl das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen und preschte mit dem Springer ins Zentrum. Wie konnte ich mit Schwarz den Fehler ausnutzen?

Und gerade als ich den „Gewinnzug“ ausgeführt hatte und darüber sinnierte, wie ich meine Gewinnstellung bei nur 13 verbleibenden Minuten, aber 22 noch zu spielenden Zügen, wohl dieses Mal in den Sand setzen würde, streckte mein Gegner dankenswerterweise die Waffen. Zu früh, denn er wäre wohl statt mit dem drohenden Figurenverlust bei richtiger Verteidigung noch mit einem verschmerzbaren Bauernverlust davongekommen – was aber natürlich mit ebenfalls nur 13 Minuten auf der Uhr und einer Nachtschicht hinter sich auch nicht gerade einfach geworden wäre.

3 zu 2 für uns also, etwa 5 Minuten vor der Zeitkontrolle und Robin war noch immer am Drücker, Daniel hatte seinen Endspiel-Mehrbauern und Jürgen stand stabil. Doch dann passierte es: Gerade als Robin mit noch 2 Minuten auf der Uhr sich endlich einen handfesten Vorteil zu erspielen schien, griff er fehl und schlug die falsche Figur. Welche war es wohl? Und was wäre die korrekte Zugfolge gewesen?

Tobias, der sich die ganze Zeit umsichtig verteidigt und nur auf eine solche Unachtsamkeit gewartet hatte, nahm sofort zurück und Robin blieb nur die direkte Aufgabe. 3-3. Das war der Anfang vom Ende, denn Daniel verdarb sein über weite Strecken gewonnenes Endspiel zum Remis. Als ich gegen 14.30 Uhr ging, war ich mir nicht sicher, ob er trotz Mehrbauer nicht schon schlechter stünde, denn der schwarze König konnte ungehindert hinter die weißen Bauern gelangen. Gleichzeitig öffnete sich bei Jürgen die Stellung, was ein gewisses Risiko, aber auch Chancen barg.

Wie es sich dann genau zugetragen hat, kann ich aufgrund der Notation nur erahnen, aber Daniel fand den Remisweg mit Pattmotiv nicht und Jürgen, der dadurch zum Siegen verdammt war, versuchte alles, um Zugwiederholungen aus dem Weg zu gehen und das 4-4 doch noch irgendwie zu schaffen. Am Ende verlor er in zwar sehr dynamischer aber wohl doch ausgeglichener Stellung auf Zeit. Falls ich die Notation richtig verstehe, lag zum Zeitpunkt des Blättchenfalls sogar ein Remisgebot seines Gegners vor. Äußerst bitter, aber trotzdem eine bemerkenswerte Leistung von Jürgen gegen Alexander Häcker, der für seine Ausdauer in langen Partien bekannt ist.

3-5 also, der Sieg war allemal drin. Schade, aber weiter geht’s! Die nächste Chance zum Punktesammeln bietet sich am 14.11. zuhause gegen Sontheim/Brenz.

 

 


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