Taktik aus dem wahren Leben (38)

Das Thema dieser Serie ist die „Taktik des Alltags“, also taktische Situationen, mit denen wir Normalsterbliche in unseren Partien konfrontiert sind. Wer genügend Partien gespielt hat, weiß, dass brillante Opferangriffe leider die Ausnahme bilden; entscheidend ist viel häufiger, die kleinen Chancen, die sich links und rechts am Wegesrand auftun, zu erkennen und zu nutzen.

Alle Beispiele kommen aus dem „wahren Leben“, entstammen also meinen eigenen oder Heilbronner Partien. Manchmal kam die Kombination oder taktische Möglichkeit aufs Brett, manchmal wurde sie jedoch auch übersehen. Die Spanne reicht vom simplen kurzzügigen Bauerngewinn bis zu komplexeren Kombinationen, bei denen klassische Motive eventuell in versteckter oder „verfälschter“ Form auftreten können. Hin und wieder ist auch mal eine „Perle“ dabei, entweder in Form einer Kombination „für die Galerie“ oder als gehaltvolle Stellung mit vielen interessanten Motiven und Möglichkeiten, die naturgemäß zum großen Teil unter der Oberfläche bleiben und erst in der Analyse auftauchen.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Viele (Angriffs-)Spieler lieben Stellungen mit heterogenen Rochaden, die gewissermaßen einem brutalen Wettlauf ohne Regeln gleichen (ok, die Schachregeln gelten natürlich weiterhin). Kein Lavieren, keine schrittweise Verstärkung der Stellung, kein Beackern von Bauernschwächen – Das Ziel ist der gegnerische König und um als Erstes einzulaufen, ist alles erlaubt: Bauernstürme, Figurenopfer, oder (etwas subtiler) dem Gegner Knüppel zwischen die Beine werfen, also dessen Angriff zu verlangsamen.

Bei all diesen Methoden gilt vor allem Eines: Keine Zeit verlieren, denn jedes Tempo kann entscheidend sein! So auch im heutigen Beispiel: Schwarz hat zwar nur zwei Figuren im Angriff, aber sein Angriff ist dennoch nicht zu verachten (was droht?). Am Zug ist jedoch Weiß; wie setzte er fort?


Lösung


Kommentare

Taktik aus dem wahren Leben (38) — 5 Kommentare

  1. Es droht … Lxc2+ nebst Damengewinn. Weiß am Zug opfert diese lieber gleich selber: 1.Dxf7+ Txf7 2.gxf7+ Kg7 3.Lh6+ Kxh6 ( Kg6 4.Tg1+ ist schlechter.) 4.f8=D+ Kg5 und mit Mehrqualität in total überlegener Stellung kann Weiß sich überlegen, ob er mit 5.Lb3 erst mal alles sichert, oder einen direkteren Weg sucht.
    Was war den der letzte schwarze Zug? so einen auf g6 darf man doch nicht einfach leben lassen! Falls der letzte Zug Lc8-f5 war, ist für Schwarz schon vorher eine Menge schief gelaufen; so ein gewaltiger Entwicklungsrückstand ist schon in normalen Stellungen schlimm, bei weit offenem Zentrum und heterogenen Rochaden aber extra verderblich. Des weiteren sieht es so aus, als hätte Schwarz seinen wertvollen Fianchettoläufer für den Sc3 gegeben. Dafür hat man doch Türme!

  2. „Mit allem einverstanden, aber droht nicht sogar Dxc2+ Ka1 Dc3# ?“
    Und langsamer 1. – Lxc2 2. – Ld3+ 3. – Dc2+ 4. – De2#, so dass Robins Zug 1. – Lxc2 im Mattsinne auch noch spielbar ist. Das zweizügige Matt mit Rückkehr ist aber natürlich viel hübscher! 🙂
    [Aber Damengewinn ist stärker als Matt, das hat mir Robin damals beigebracht, und es gewinnt hier natürlich auch.]

    Ich hatte auch am Damenopfer rumgerechnet (in einer Partie: nicht unbedingt, als Taktikaufgabe: ja) und mangels Optionen dann auch als vermeintliche Lösung erkannt, ohne alle Abzweige in Zusammenhang mit Lh6+ berechnen zu können (Kg8-Kg7-Kxh6, Kg8-Kg7-Kg6, Kg8-Kf8-Ke7) und erst im Nachhinein gemerkt, dass nach Kf8 wohl Lc5+ deutlich stärker ist, das Ke7 nicht zulässt, wonach der König entkommen könnte.

    Wie Weiß in dieser Stellung aber zu einer schnellen Mehrqualität kommen soll, weiß ich nicht. Nach meiner Zählweise steht es materiell nach deiner Variante (4. – Kg5) gleich, ich würde aber auf die weiße Initiative (er ist am Zug) hoffen und nicht auf das Material. Berechnen kann ich das aber nicht und weil es eh das einzige ist, dass die Partie vielleicht rettet (Weiß startet mit Minusturm), kann man es ja soweit spielen. 😉

    Herzliche Grüße
    Jochen

  3. Jetzt bin ich auch einverstanden 😀 Scheinbar bin ich nicht der einzige, der beim Material zählen nur auf Bauern und eventuell noch auf Leichtfiguren schaut…

    Ich habe die Vorgeschichte mal hinzugefügt, kann aber mangels Najdorf-Theoriekenntissen keine fundierte Meinung abgeben. Das scheint eine der ultrascharfen Varianten zu sein, die auf Top-Niveau langweilig sind, weil sie entweder widerlegt sind oder zum Dauerschach führen. Aber in unserem Regionen springt hin und wieder ein sehenswerter Angriff raus.

    • Da haben beide Spiele einige ungenaue Züge gespielt. Aber spätestens nach 17…Sxd5 war es vorbei für Schwarz. Naja, der Schwarzspieler ist mittlerweile auch IM, aber Tobias Peng war bei jedem Aufeinandertreffen sein Angstgegner.

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