Calvin Wolff bei der DJEM U12 (Update: Kurzbericht)

Als Teil einer großen und starken württembergischen Delegation wird Calvin Wolff unseren Verein bei den Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften U12 vertreten. So nebenbei bemerkt: wieso kann man bei einer Teilnehmerliste von 56 Spielern nicht allen eine Startnummer zuordnen? Naja…

Jedenfalls befindet sich Calvin unter Vorbehalt an Setzplatz 35. Link zur Liveübertragung: Chess24
Leider scheint die Übertragung auf Chess24 zu spinnen. Als Alternative steht Lichess zur Verfügung. Falls Lichess auch spinnt, dann findet ihr die Partien auf Calvins Spielerprofil bei der DSJ.

Nach turbulenten vergangenen Wochen möchte ich wie nach der Europameisterschaft kurz die Ereignisse rekapitulieren. Zur turbulenten Zeit gehörte auch die DJEM an sich, da es auch Doppelrunden gab, wodurch eine merkliche zeitliche Knappheit vorhanden war, anders als bei der EM. Darüber hinaus sollte das Kind ja auch Spaß haben, denn ohne Spaß spielt es sich gleich schlechter. Wer alle Partien anschauen will, kann dies über den Link in Calvins Spielerprofil (siehe oben) tun.

Runde 1 vs. Alexander Bräutigam, SK Doppelbauer Kiel (SHO), DWZ 1811
Die Vorbereitung ging auf und Calvin hatte die Option, in eine Maroczy-Stellung mit merkwürdiger Figurenstellung (weißer Läufer a4, schwarzer Springer d7) überzugehen. Leider wurde es „nur“ die alternative Variante unserer Vorbereitung. Im folgenden Mittelspiel wählte Calvin die besseren Züge, wobei beide das schwarze Angriffspotenzial am Königsflügel unterschätzten. Sein Gegner sah nichts Besseres als in ein klar schlechteres Doppelturmendspiel abzuwickeln. Hier entschied sich Calvin für eine laut Engine korrekte Behandlung der Stellung, welche mir jedoch aus praktischen Gründen nicht gefiel. Er schob seine verbundenen Freibauern nach vorne, welcher zwar bedrohlicher, aber auch leichter angreifbar wurden. So war es nicht sehr überraschend, dass Schwarz in ein ausgeglichenes Turmendspiel abwickeln konnte. Bis zur Remisvereinbarung leisteten sich aber beide Seiten einige Fehler. Kurios war, dass Schwarz ein Remisangebot ablehnte, obwohl keinerlei Gewinnchancen für ihn existierten. Hohe DWZ scheint in manchen etwas auszulösen…

Runde 2 vs. Philipp Leon Klaska, Düsseldorfer SV 1854 (NRW), DWZ 1796
Calvins Vater Sidney warnte mich vor dem Gegner, da er bei der NRW-Meisterschaft Tom Dordevic besiegt hatte. Der Name sagt mir nichts, aber ich bin gefühlt auch schon ein Rentner. In meinem U12-Jahrgang waren die heißesten Namen Alexander Schäfer, Fabian Lobmeyer oder Simon Weißbeck. Die kennt heutzutage auch fast kein Schachspieler mehr. Jedenfalls wählte Weiß ein merkwürdiges Gambit, welches Calvin auch ohne Vorbereitung ganz gut meisterte. Nach dem Ende der weißen Vorbereitung konnte Calvin befreit aufspielen und drückte seinen Gegner an die Wand, welcher eine Qualität geben musste. Leider wollte Calvin danach zu schnell gewinnen und verschlechterte seine Stellung kontinuierlich, sodass er am Ende ein Dauerschach zulassen musste. Erneut Remis.

Runde 3 vs. Benedikt Huber, SK Kelheim 1920 (BAY), DWZ 1790
Der Albtraum eines jeden e4-Spielers, Französisch, stand auf der Tagesordnung. Wir versuchten es wieder mit dem Abtausch-Franzosen und studierten einige Musterpartien detailliert genug. In der Partie war Calvin mit dem Flügelangriff zu ungestüm, wodurch er mit einem gefährlichen Konter im Zentrum konfrontiert wurde. Ein kohärentes Spiel war nicht erkennbar, vor allem die weiße Dame turnte einsam auf dem Brett herum, obwohl es am Königsflügel immer noch Chancen gab. Der Gegner zog seine zentrale Strategie durch und gewann letztendlich ungefährdet.

Runde 4 vs. Rouven Wieser, SG Rochade Kuppenheim 1979 (BAD), DWZ 1295
Nach drei Spielen gegen deutlich stärker gewertete Gegner gab es nun einen „schwächeren“. Das Wort steht in Anführungszeichen, weil die DWZ in so jungen Jahren trotz eines sprunghaften Anstiegs an Spielmöglichkeiten für Kinder nicht sehr aussagekräftig ist. Erneut sah sich Calvin mit einem italienischen Gambit konfrontiert, auch dieses Mal erledigte er seine Aufgabe in der Eröffnung trotz mangelnder Vorbereitung ordentlich. Leider war der Gegner ein unbeschriebenes Blatt, sodass wir kaum einschätzen konnten, was kommen würde. Nach der Eröffnung befand sich Calvin in der selben Situation wie in Runde 1 und 2, jedoch nur auf der falschen Seite: er wurde vom vermeintlich schwächeren Gegner überspielt. Ich habe selten gesehen, wie ein Spieler mit DWZ 1300 so ruhig und präzise gespielt hat. Hut ab. Calvin stand jedoch nach zwei verpassten Chancen in den Runden 1 und 2 mit dem Rücken zur Wand.

Runde 5 vs. Nicolas Birkenheier, SVG Saarbrücken 1970 (SAA), DWZ 1480
Calvins Antwort war dafür umso stärker. Er setzte eine Vorbereitung sehr gut um und gewann eine Figur in der Eröffnung. Damit gab er sich jedoch nicht zufrieden und spielte konsequent auf Matt. Nach 25 Zügen war auch ein Matt auf dem Brett und Calvin war wieder im Geschäft.

Runde 6 vs. Christian Zobel, SC Borussia Lichtenberg (BER), DWZ 1805
Erneut ein stärkerer Gegner, aber bei ihm war klar, dass Russisch kommen würde. Calvin hatte mit unserer eigens erstellten Variante bereits im Blitz und Schnellschach große Erfolge und wollte in seiner ersten Russisch-Partie mit langer Bedenkzeit daran anknüpfen. Leider passierte Calvin ein folgenschwerer Fingerfehler.


Hier könnte Weiß mit 7. c4 versuchen, Druck auf die schwarze Stellung auszuüben, zum Beispiel 7…c6 8. cxd5 cxd5 9. Sc3! und der Springer auf e4 muss sich abtauschen. Danach könnte Weiß gegen d5 spielen oder den Bauern e5 benutzen, um einen Königsangriff einzuleiten. Calvin berührte jedoch den Läufer. Warum? Schwer zu sagen. Möglicherweise sah er Gespenster und den Zug 6…Sc5 (Hauptzug) statt 6…0-0 auf dem Brett. Noch schmerzhafter ist, dass der Schiedsrichter direkt neben dem Brett stand. Sehr schmerzhaft. Nach 7. Lxe4 konnte Calvin nur noch verteidigen, was ihm auch gut gelang, Remis.

Runde 7 vs. Alessandro Gärtner, Schachzentrum Bemerode (NDS), DWZ 1679
War es schon „do or die“-Zeit? Noch nicht. Vor allem spielte der Gegner Damengambit mit Lf4, hier ging nichts mit einem schnellen Sieg. Calvin behandelte die Stellung ordentlich, bis er von einem Läuferopfer auf h7 überrascht wurde. Das ging objektiv hinten und vorne nicht, aber es brachte Calvin dazu, sehr viel Zeit zu verbrauchen. Bevor sein Zeitpolster dahinschmolz, fand Calvin größtenteils auch sehr starke Verteidigungszüge. Jedoch erinnerten die Züge mehr an eine Engine, wodurch natürliche Maßnahmen wie die Figurenentwicklung unterschätzt wurden. In beiderseitiger Zeitnot bewahrheitete sich die Weisheit, dass Angreifen psychologisch gesehen einfacher als Verteidigen ist und tatsächlich war Calvin nach einem einzigen schweren Fehler weg vom Fenster.

Runde 8 vs. Nikita Weber, Vorwärts Orient Mainz (RLP), DWZ 1352
Nun war nur noch Schadensbegrenzung vorgesehen. Glücklicherweise erwischte Calvins Gegner einen ganz schlechten Tag und übersah viele taktische Gelegenheiten, wodurch Calvin schnell entscheidendes Material gewann. Den Rest der Partie spielte unser Jüngling routiniert und brachte den Punkt nach Hause, also ins Hotelzimmer.

Runde 9 vs. Jannis Rödel, SVG Caissa Kassel (HES), DWZ 1349
Vom Partieverlauf war es eine exakte Kopie der letzten Runde der EM. Bei Calvin war die Luft raus, was sich im Spiel niederschlug. Der Gegner wählte zum Glück nicht die besten Züge in den kritischen Momenten. Ich könnte hier viel über die Fehler der beiden Spieler schreiben, aber bleiben wir dabei, dass Remis ein verdienter Ausgang des Spiels war, obwohl sie sich auch nicht über ein 0:0 hätten beschweren können. Naja, letzte Runde, enger Zeitplan, das passiert mal.

Zum Schluss fand sich Calvin…Trommelwirbel…auf Platz 35 wieder, wie sein Setzplatz. Er bestätigte seine DWZ. Ich schreibe das explizit hin, weil man die Bedeutung dessen einfach unterschätzen kann. Nach seinem sprunghaften Anstieg auf über 1500 DWZ hat er in zwei Meisterschaften gezeigt, dass er das Niveau halten kann, auch wenn der Trend gegen ihn läuft. Dadurch wird in meinen Augen solide Basis gebildet, auf welcher man weiter aufbauen kann. Nach der DJEM hat er von mir erstmal frei bekommen, ich hoffe, er hat die restlichen Schulferien noch genossen.

Enis Zuferi


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