Generalmobilmachung des Heilbronner SV

An alle Mitglieder des Heilbronner SV: Der Spielleiter verkündet hiermit die sofortige Mobilmachung aller Streitkräfte, um die Geschäftsstelle des SVW zu stürmen und […]
Habe ich jetzt eure Aufmerksamkeit? Ok, willkommen zur Schachsaison 2019/20, der Saison, in welcher unsere erste Mannschaft in die 2. Bundesliga aufsteigen wird!

Was hat sich geändert? Die zweite Mannschaft hat scheinbar vor, zur Ersten zu werden, so überzeugend, wie sie in die Verbandsliga aufgestiegen ist, die Erste aber wurde knapp Vizemeister in der Oberliga, während die Dritte eine Etage nach unten fuhr. Tiefer erkämpften sich die Mischung aus erfahrenen Streitern sowie zahlreichen Jünglingen, auch „vierte Mannschaft“ genannt, einen verdienten Klassenerhalt am allerletzten Spieltag, wenn auch mit Schützenhilfe.

Was hat sich nicht geändert? Ich schreibe mal wieder einen Bericht. Wieso? Keiner meldet sich und Julian Bissbort fragt mich. Bei der nächsten Jahreshauptversammlung werde ich den Antrag stellen, unser Vereinslogo zu ändern. Als neues Logo soll ein Foto von mir dienen, bei dem ich dieses Outfit trage. Mädchen für alles halt.

Zwar war mir bereits seit Wochen bekannt, dass die beiden Top-Mannschaften am 15. September starten würden, dass auch noch Dritte und Vierte ihren ersten Spieltag an jenem Tag absolvieren, stellte uns vor einige Probleme. Neben der Anforderung, insgesamt 32 Spieler (!) an einem Sonntag an die Bretter zu schicken, musste die Dritte „outsourced“ werden, statt dem Heimspiel wurde es ein Besuch im Spiellokal des Gegners SV Ivanchuk. Auch die Organisation des Saisondebüts in der Verbandsliga stand lange auf der Kippe, glücklicherweise trat Kornwestheim rechtzeitig mit einem alternativen Spiellokal auf. Damit war alles angerichtet für vier wunderschöne 8-0 Siege, um gleich mal zu markieren, wer eigentlich das Sagen im Bezirk hat. HNx rules!

Nun, auch wenn das wünschenswert wäre, so ganz einfach sollte das nicht sein. Gleich die Vierte bekam mit dem Kreisklasse-Absteiger TSV Gerabronn eine harte Nuss voller erfahrener Recken. Unsere gestandenen Spieler hatten an den vorderen Brettern einen schweren Stand, so holte nur Kay Hornig an Brett 1 einen halben Punkt, Brett 2 und 3 gaben wir leider ab. Manche Partien waren auch durchaus knapp. So hätte auch an den hinteren Brettern ein Remis mehr bereits zu einem wichtigen ersten Mannschaftspunkt gereicht. Leider ging der Kampf insgesamt knapp mit 3,5:4,5 verloren. Dennoch ist das eine bemerkenswerte Leistung aller Spieler gegen eine der stärksten Mannschaften im Feld. Da wird es gegen die anderen Teams definitiv zu Punktgewinnen kommen.
Vierte.

Bei der Dritten fielen gleich die Top 2 aus, auch, weil die oberen Teams sich bei den armen Absteigern teilweise bedienen mussten. Der SV Ivanchuk Heilbronn ist sicherlich das stärkste Team in der Kreisklasse, auch, weil ihr Spieler an Brett 1 ohne DWZ gerechnet wird, aber eine Elo von mehr als 1900 besitzt. Ironie des Schicksals war es dann, dass wir gerade an den ersten beiden Brettern volle Punkte holten. Im Übrigen ein gelungener Einstand für Rückkehrer Levent Balkan, willkommen zurück. Der dritte Punkt von Leonard Sawadski an Brett 8 war nur zu einem 3:5 gut. Jedoch ist das auch hier eine respektable Leistung und ein starker Gegner ist immerhin mal weg.
Dritte.

Für unsere Aufsteiger, unsere Rekord-Schreiber, ging es dafür nach Kornwestheim zu den ehemaligen Knechtern der Landesliga. Die Truppe mit Perspektive, auf die wir auch noch in der Jugendbundesliga Süd treffen werden, gewann die Landesliga 2017/18 mit unglaublichen fünf Mannschaftspunkten Vorsprung. Somit war der Respekt durchaus gegeben, dazu bin ich mir sicher, dass Robin Stürmer vehement Bescheidenheit gepredigt hat, bevor es an die Bretter ging. Glücklicherweise musste ich mir nur einen Spieler von Interim-Mannschaftsführer Adrian Kohlmann ausleihen (dazu später mehr), Magic Marcel war leider nicht dabei, denn er war gefühlt zum 30. Mal in Portugal.
Nicht viele haben es erwartet (wahrscheinlich nur ich, aber ich sage immer, dass wir gewinnen), tatsächlich gewann die Zweite mit 5:3 in Kornwestheim. Manche Leute wie Julian oder Kim-Luca Lahouel waren zudem unzufrieden mit ihrem Ergebnis und hätten wohl mehr aus ihren Partien holen können, das nehme ich als Zeichen dafür, dass der Sieg souverän und verdient war. Ein starker Start in die Saison, Glückwunsch!
Zweite.
Adrians Bericht zum Spiel.

Was war denn nun, dass ich mir einen Spieler aus der 2. Mannschaft ausleihen musste? Nun, um unsere Aufstellungen zu vollenden, meldeten wir Daniel Schäfer sowohl in der Ober- als auch in der Verbandsliga an einem Jugendbrett. Die Regelung des SVW besagt dabei:
„In der Ober- und Verbandsliga können die Kader der
Mannschaften um zwei jugendliche Ersatzspieler (die zu Beginn des Kalenderjahres in dem die
Saison endet das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet haben) auf Platz 17 und 18 erweitert werden.“
In diesem Moment, am 17. September 2019 um 22:00 Uhr, als ich diese Regelung im Internet gefunden habe…wo war das Problem denn? Die ganze Zeit schenkte ich den Worten von SVW-Offiziellen Glauben, dass irgendwo in der Regelung ein „oder“ stehen würde, was für Verwirrung sorgte. Denn es war unklar, ob das „oder“ als „entweder oder“ oder (heh, schon wieder dieses Wort…) „und oder“ gemeint war. Jedoch steht in der Regelung zu Jugendbrettern kein „oder“. Danke für den unnötigen Stress am Samstag Abend.
Jedenfalls hat das SVW-Portal immer noch das Problem, dass ein Spieler nicht in drei regulären Mannschaften gemeldet werden kann, obwohl dies dank Jugendbrett-Regelung möglich ist. Dieses Problem existiert das 2. Jahr in Folge. Unsere manuelle Nachmeldung von Daniel Schäfer in der 1. Mannschaft wurde erst am Samstag, dem 14. September 2019, um 22 Uhr von Stafelleiter Florian Siegle bestätigt. Das war für mich nicht vertretbar und bevor ich aufgrund eines möglicherweise nicht spielberechtigten Spielers 8:0 gegen Bebenhausen verliere, tausche ich lieber zwei Spieler. Also flugs Severin hochgezogen und Daniel vertröstet. Immerhin: Daniel gewann sein Spiel in der Zweiten ziemlich souverän.

Gegen 8 Uhr am Sonntag begann mein Tag. Kurz die Apple Watch (bin jetzt ein Apple „sheep“, sorry) gecheckt, alles easy, es sollte warm werden. Mit Tränen in den Augen und stolzem Herzen das Poloshirt des Heilbronner SV angezogen und ein Stück Brot mit Nutella gegessen ging es raus. Nutella ist wichtig, denn der Morgen macht den Tag.
Aufbauen durfte ich im Übrigen wieder alleine. Danke Merkel. Immerhin war alles rechtzeitig fertig und fast alle Spieler fanden sich rechtzeitig am Brett ein. Richtig, fast alle. Nur ein Spieler fehlte noch. Wer war es? Na? Ihr wisst es doch!

Natürlich Thilo Kabisch…nicht. Thilo war tatsächlich um 10 Uhr anwesend, kurz nach Anpfiff durch Schiedsrichter Steffen Erfle. Nur hätte er sich fast auf einen Bebenhäuser Platz gesetzt, also musste ich ihn daran erinnern, dass er für den Heilbronner SV spielt. Thilo teilte mir sogleich mit, dass es sehr ungewohnt für ihn sei, am Anfang mehr Zeit als sein Gegner zu haben. Jener Gegner, der gegnerische Mannschaftsführer Rudolf Bräuning, fand den Weg zum Spiellokal nicht und irrte umher, bis Thomas Leykauf ihn einsammelte. Wir sind einfach zu nett.
Nachdem ich schweren Herzens meine Apple Watch vom Arm nehmen musste, ging es los.

Den ersten vollen Punkt gab es an Brett 7. Thomas Tschlatscher zeigte sich nach einer schweren Vorsaison wie neugeboren. Zunächst stellte er unter Beweis, dass die Theorie im Katalanen für ihn kein Problem war. Danach fiel ihm korrekt auf, dass ein ungewöhnlicher Springerzug seines Gegners konkrete Maßnahmen seinerseits erforderte. Diese führte Thomas umgehend aus und den Schluss bildete ein kombinatorisches Feuerwerk. Wenn das nicht die Partie des Tages oder gar die Partie der Saison wird, weiß ich auch nicht weiter. Das war ein Klassenunterschied.
Hier noch die Partie zum Analysieren und Nachspielen:

Nachdem Thomas kurz nach 13 Uhr fertig geworden war, ging es plötzlich Schlag auf Schlag. Den Ausgleich erzielte Bebenhausen an Brett 5. Nikolas Pogan überließ David Wendler einen Großteil der Partie einen signifikanten Raumvorteil. Als unser Spieler die Möglichkeit hatte, aus der Passivität auszubrechen, ließ er die Gelegenheit verstreichen. Wahrscheinlich ist er der bessere Spieler von beiden, aber es ist immer gefährlich, seinem Gegner dauerhaft die Initiative zu überlassen. Als es auf die Zeitnot zuging, brach Nikos Stellung komplett zusammen.
Tatsächlich ging Bebenhausen kurz nach dem 1-1 sogar in Führung durch einen Sieg von Georg Braun gegen mich. Mein Problem war, dass er nur zu gut darüber Bescheid wusste, wie mein Repertoire aussah. Zum Einen trafen wir in unserer Jugendzeit aufeinander, weil wir im selben Jahr geboren wurden, zum anderen habe ich leider sehr viele Partien gespielt, welche erfasst wurden. Von Georg hingegen gab es in den letzten Jahren nur die Oberliga-Partien und die WEM 2019, welche er eindrucksvoll gewann und eine IM-Norm erzielte. Glückwunsch dazu!
Aber ja, er konnte sich gut vorbereiten, während ich im Trüben fischen musste. Da war es ab Zug 13 auch vorbei mit der Theorie. Er kam besser aus der Eröffnung raus, jedoch wurde er zu gierig, als er seinen dynamischen Vorteil in etwas Zählbares umwandeln musste. Im Zuge dessen hatte ich zwar einen Minusbauern, aber eine starke Doppelturmbatterie auf der zweiten Reihe. Leider reichte ein einziger hektischer Zug aus, um meine Initiative verpuffen zu lassen. Post mortem wurden wir uns einig, dass es ein hübsches Remis durch Zugwiederholung gab, aber ja, ich habe da einfach zu schnell gespielt.


Ich spielte hier …Txd2 Sxd2 Dc2? (…Th1! =), wonach Georg mit Sc4 wieder die Kontrolle über die Partie übernahm. Wie geht die Zugwiederholung in der Stellung?

Damit lagen wir hinten, dennoch machte ich mir keine Sorgen. Richard Dudek spielte gleich bei seinem Debüt für uns eine solide Partie und gewann unbeeindruckt. Ein schönes positionelles Bauernopfer f4-f5 begrub den Fianchettoläufer auf g7 hinter einem Dopppelbauern auf f6 und f5, sodass die Partie für Schwarz kein Spaß war. Bei Severin kam eine sehr konkrete Theorievariante im Marshall-Spanier auf das Brett. Severin machte lange Zeit sehr gute Züge und obwohl der Gegner zunächst schnell spielte, kam er bei Severins 16. Zug ins Nachdenken. Ich frage mich, wieso, denn der Zug ist die zweite Wahl meiner Engine. Zwar spielte Severin in der Folge nicht ganz genau und überließ seinem Gegner das Läuferpaar bei Rückgewinn des Bauern, jedoch ging es danach nur auf die schwarze Stellung zu. Zum Zeitpunkt des Ausgleichs durch Richard hatte Severin bereits eine so starke Angriffsstellung, dass er eine Dame gewann. Erneut die Führung für uns.

Somit brauchten wir nur noch eineinhalb Punkte aus den restlichen drei Partien. Tobias Schmidt ging in der Eröffnung ein Risiko ein und wurde immerhin damit belohnt, eine Stellung „Läufer vs. Springer“ zu erreichen, in welcher der Läufer minimal besser war. Die Stellung zu gewinnen hätte dennoch einem technischen Meisterwerk geglichen. Andreas Carstens erhoffte sich von einem Bauernopfer kurz vor Zug 40 wohl viel aufgrund potenziell nerviger Schachgebote durch seinen Springer, jedoch war da einfach nichts.
Wie sagte ein weiser Ulrich Schulze einmal? „Entweder du wirst alt oder du stirbst, du hast keine Wahl“…ah nein, das war es nicht. „In Zeitnot sollst du keine Bauernzüge machen, die sind meistens schlecht“. Genau. Nach Zug 41 war klar, dass Tobias einen Mehrbauern hat, dazu einen entfernten Freibauern. Die Aufgabe löste er technisch ausreichend und holte den vollen Punkt. 4-2!

Bebenhausen kam zwar noch ran durch Rudis Sieg gegen Thilo, aber es half nichts. Boris Latzke verteidigte sich umsichtig gegen Simon Degenhard, Siegchancen gab es dennoch höchstens für unseren Youngster. Immerhin waren Simon und Thilo im Geiste vereint, denn beide Spieler kritisierten ihr eigenes Spiel nach den Partien heftigst. Jetzt mal chillen – es hat zum Sieg gereicht und dem Verlauf der Partien nach lief alles gut, im Gegenteil, wir haben hier und da Punkte liegen lassen, bei 100% Leistung hätten wir auch höher als 4,5-3,5 gewonnen.

Pflichtaufgabe erfüllt, Julians Befürchtung, dass wir die knappen Spiele diese Saison nicht gewinnen, im Gegensatz zur letzten Saison, bestätigte sich zunächst nicht. Gegen Jedesheim am 13. Oktober wird es dennoch eine größere Herausforderung geben – aber wir werden aus einem größeren Spielerpool schöpfen können, auch weil mal nicht vier Mannschaften an einem Sonntag gleichzeitig spielen.
Erste.


Kommentare

Generalmobilmachung des Heilbronner SV — 2 Kommentare

  1. Hallo Enis,
    1.das mit dem neuen Dress wäre übrigens gar nicht schlecht,sieht gut aus!
    2.auch wenn´s für Dich nicht ganz zum Remis gereicht hat,warst Du doch an den Mannschaftssiegen massgeblich beteiligt,die Parteien von Daniel und Severin resultieren ja direkt aus den Vorbereitungen des Heilbronner Jugendtrainings das an dieser Stello doch einmal ausdrücklich gelobt werden muss.
    3.Falls es mit dem Lehrerberuf nicht klappt(scheint mir sowieso etwas problematisch zu sein) könntest Du es ohne weitere als Journalist versuchen.
    4.Sorry nochmal für den unnötigen Stress am Sa Abend,aber die Vorbereitung sah ungefähr so aus: 23:30:Abholen Severin von irgendeiner schwachsinnigen Party(obwohl ich dem extra die Stürmersche Standpauke vorgelegt hatte !)24:00-1:30 Variantenaufbereitung am Computer ,8:30 Wecken ,9:00 Telefonat Julian,9:10 Fahrt mit Severin nach HN+ Vorbereitung während der Fahrt.Bitte dem SVW mitteilen das das alles ein bisschen knapp gefasst war.

    Grüsse Robert

    • Hallo Robert,

      ach, alles kein Problem, keine Sorge!
      1. ok, ist bestellt!
      2. Danke für das Lob, aber das alles funktioniert nur, weil wir alle zusammenarbeiten.
      3. Haha…ne, davor würde ich doch lieber meine Pappkarten zum Hauptjob machen.
      4. Kein Problem, der SVW weiß Bescheid. Und lass das arme Kind doch ein Jugendlicher sein, seine Leistung hat er trotzdem gebracht 😉

      Grüße,
      Enis

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