Rise like a phoenix

„Verlierer reden, nur Gewinner lassen Taten sprechen.“ – Felix Martin Andreas Matthias Blume, deutscher Wortakrobat, 2014.

Was waren die letzten Wochen deprimierend aus meiner Sicht. Kein Aufstieg in die 2. Liga, beim SVW-Pokal nehmen wir auch nicht teil, weil die Regeln als Meldefrist den 1. September vorsahen (sprich: 1. September 2018!), das Viertelfinale des Deutschen Pokals verpassten wir knapp, weil ich an Brett 1 verlor…damit wären wir für den Deutschen Pokal 2020 vorqualifiziert gewesen. Auch beim GRENKE-Open riss ich nichts Besonderes, außer ein Loch in meinen Geldbeutel wegen nächtlicher Aktivitäten. Und dann kam der Bodensee-Cup…

In Runde 1 komplett auf Gewinn gestanden und tatsächlich noch verloren, Runde 2 in „totremiser“ Stellung aus Trotz weitergespielt und verloren, in Runde 3 war mir egal, was passieren würde, es war eh schon vorbei. Einen Tag vor Beginn des Bodensee-Cups schaffte ich es auch nicht, eine „+10“-Stellung gegen Robin bei der Stadtmeisterschaft nicht zu gewinnen. Oh boy!

Da kam die Ferienzeit um Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam wie gerufen, denn Turniere gab es dort zuhauf. Es wurde Zeit, den Hatern zu zeigen, wer der Boss war.
Neben der Stuttgarter Stadtmeisterschaft spielten Heilbronner auch bei anderen Turnieren mit. Ulrich Schulze versuchte sein Glück in Sulzfeld, während Nikolas Pogan der 2. Auflage des Ludwigshafener Himmelfahrtsopens beiwohnte. Beide blieben dabei ungeschlagen. Ulrich landete mit vier Siegen und drei Remis auf dem 4. Platz, während Niko gar fünf Mal gewann bei zwei Puntketeilungen, was ihm den Turniersieg mit einem Punkt Vorsprung auf IM Vadim Chernov einbrachte. Gratulation an beide Spieler!

In Stuttgart stellten wir sicher eine der größten Gruppe: Thilo Kabisch, Kim-Luca Lahouel, Marcel Mikeler und ich im A-Open, Daniel Schäfer sowie Sidney Wolff im B-Open, während Calvin Wolff die Gruppe im C-Open komplettierte. Das roch nach guten Platzierungen!

Fangen wir anders als die Siegerehrung mit dem C-Open an. Dort erwischte Calvin einen sehr guten Start mit 3,5/4 und hatte gar Chancen auf einen Hauptpreis. Leider überzog er in Runde 5 seine haltbare Stellung, weil er dachte, er könnte auf Gewinn spielen. Gut, als unerfahrener Neunjähriger sind solche Dinge schwer einzuschätzen. Einem Kurzremis in Runde 6 folgte eine weitere Niederlage in der Schlussrunde. Immerhin gab es einen U14-Ratingpreis für Calvin, welcher aus den gewonnenen Erfahrungen lernen kann.

Sein Vater durfte gleich zu Beginn an Brett 1 gegen den späteren Zweitplatzierten spielen. Die Partie verlor er auf unglückliche Weise, was ihn scheinbar im Verlauf des Turniers belastete. Dennoch holte er gute 3 Punkte auf 7 Runden und landete im hinteren Mittelfeld.
Daniel war im Dilemma, im A- und im B-Open mitspielen zu können. Er entschied sich für das B, in welchem er hoffentlich nächstes Jahr nicht mehr spielen kann, wenn seine Entwicklung weitergeht. Leider bekam er die Nachteile seiner Entscheidung zu spüren. Gegen die schwächeren Gegner war er oft nicht zwingend genug und ließ zu viele Chancen. Mit 4,5 Punkten schnappte sich Daniel zumindest den 1. Ratingpreis U18.

Kommen wir damit zur Königsklasse.
Thilo Kabisch, seit Kurzem im Verein, spielte ein unfreiwilliges Schweizer Gambit und verlor in der 1. Runde gegen die spätere Damenpreis-Siegerin Simona Gheng. Danach startete er eine Siegesserie, welche seinesgleichen sucht, denn nach fünf Siegen in Folge hatte er an Brett 1 die große Chance, wie im Vorjahr das Turnier zu gewinnen. Damals gelang ihm sogar der Sieg gegen GM Maxim Turov und musste sich nur nach Buchholz dem GM Dmitry Kryakvin geschlagen geben. Dieses Mal blieb das Wunder leider aus und er musste sich GM Andrey Sumets geschlagen geben, aufgrund Buchholz flog Thilo damit komplett aus den Preisrängen raus.
Marcel beklagte sich pausenlos darüber, dass er eingerostet sei, weil er kaum spiele und nicht trainiere, was ist mein Tipp dagegen? Spiele und trainiere! Ich denke, dass jeder schon Fortschritte machen kann, wenn er pro Woche eine Stunde in Schach investiert (Online-Blitz nicht inbegriffen). Alleine das regelmäßige Auseinandersetzen mit dem Spiel hilft bereits immens. Ich glaube keinem Studenten, welcher mir sagt, er könnte in der Woche keine einzige Stunde für Schach freischaufeln. Jedenfalls merkte man Marcel das an, worüber er sich beschwerte und er holte 3 wacklige Punkte.

Kim-Luca hatte sehr gute Erinnerungen an das Turnier im Jahr 2018, an welche er gleich anknüpfen wollte. So holte er ein problemloses Remis gegen FM Robert Gabriel mit Schwarz in Runde 1. In der Schlussstellung stand er gar auf Gewinn! Auch in Runde 2 hatte er eine Gewinnstellung gegen einen eindeutig besser gewerteten Spieler, FM Martin Krockenberger. Leider verpasste der Jugendspieler auch hier den Gewinn. Solche verpassten Chancen können sich negativ auf das Gemüt schlagen, so ging Runde 3 gleich auch verloren. Nachdem eine weitere Gewinnstellung aus Runde 4 abhanden kam, konnte sich Kim-Luca endlich befreien, mit Schwarz schlug er überzeugend Holger Scherer. Interessanterweise bot Holger drei Züge vor seiner Aufgabe remis an…nun, es soll Leute geben, die eine Figur einstellen, wenn sie ein Remisangebot ablehnen, also gut gemacht von Kim-Luca.
Damit hatte die energiereiche Nahrung bei KFC auch schon ihre Wirkung verloren, zum Abschluss des dritten Tages verlor Kim-Luca sehr schnell. In Runde 7 bekam er zum ersten und einzigen Mal einen schwächeren Gegner, welchen er auch souverän überspielte. Weder Preisgeld noch so ein überragendes Turnier wie letztes Jahr, dennoch eine solide Leistung und ein gutes Plus. Beim nächsten Turnier klappt es sicher besser.

Kommen wir damit zum Chef.
Im Live-Kommentar zum GRENKE Chess Classic meinte Jan Gustafsson, dass Läufer eher 3,5 Bauern wert wären und nicht 3 Bauern, wie man es Kindern beibringt. Also gab ich, als Weiß spielend, meinem Gegner das Zentrum, wofür ich zwei Läufer gegen zwei Springer bekam. Nach GM Gustafssons Rechnung hatte ich damit einen Bauern mehr. In Kombination mit meinen Freibauern am Damenflügel gewann ich eine Figur und langsam die Partie. Witzig war folgende Stellung:


Ich erlaubte mir hier den Spaß 51. Lf5, was meinen Gegner dazu brachte, 15 Minuten darüber nachzudenken, ob nicht irgendein Patt-Trick in der Stellung wäre.
Runde 2 war das komplette Gegenteil, statt langwierigem Positionsspiel setzte ich meinen Gegner einfach matt, nachdem ich die Kontrolle über das Zentrum gewann. Ich kann es also auch andersrum. Zur Feier des Tages gab es ein paar Runden „Counter Strike: Global Offensive“, denn: sleep is for the weak. Abends Headshots auf A lang, tagsüber Gegnern den Kopf schwindlig spielen.

Das klappte am Folgetag nicht so ganz, eher wurde mir der Kopf verdreht. Morgens spielte ich 30 von 60 Zügen mit Minusfigur, weil ich einen gestrandeten Läufer auf a7 zur Adoption durch den schwarzen König freigab. Natürlich hab ich das noch Remis gehalten. In der Mittagspause stellten wir entsetzt fest, dass der Kapitalismus auch in Ditzingen angekommen war, denn der hiesige „Treff 3000“ wurde wie in vielen anderen Städten von der größeren Kette „Netto“ übernommen. Genossen, es ist Zeit, den Hammer und die Sichel in die Hand zu nehmen.
Immerhin gab es im Netto leckere Sachen, wie ein Gebäck namens „Vanilletraum“, welche ich mir einverleibte. Ein Traum war meine Stellung nachmittags durchaus, meine Gegnerin kannte die Theorie nur bis Zug 12, das ist heutzutage eine Todsünde. In der Folge gewann ich einen Bauern, wurde faul und wickelte in ein Endspiel ab, welches ich trotz allen Mühen gewinnen sollte (ungleichfarbige Läufer, 4 gegen 2 Bauern für mich am Königsflügel, ein Bauernpaar am Damenflügel). Aus irgendeinem Grund – wirklich, ich weiß es nicht – spielte ich ungenau und verlor meinen Damenflügelbauern, sie revanchierte sich mit einem „grave error“ in Zug 41 und ich gewann tatsächlich.

Bereits 2017 und 2018 durfte ich gegen GM Vyacheslav Ikonnikov spielen, beide Male mit Schwarz. Zunächst verlor ich, letztes Jahr gab es ein solides Remis. Nach unbestechlicher Logik müsste ich jetzt gewinnen. Dazu hatte ich noch Weiß. Was sagt die Partie dazu?


Tatsächlich – und das erste Mal, dass ich einen Großmeister im klassischen Schach besiegen konnte. Nach dem Bodensee-Cup hatte ich mich schon selbst abgeschrieben, aber: What is dead may never die. An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass ich die finale Staffel von Game of Thrones katastrophal fand. Wieder etwas, wo ich keinen Frieden finden werde.
Thilo wies mich darauf hin, dass statt 46. Kh2 wohl die Zugfolge 46. Dh6+ Kg8 47. Lg5 eindeutig gewonnen hätte, weil ich die Läufer tauschen würde und mein Springer auf e5/g5 vernichtend landen würde…aber egal. Ich hatte gewonnen. Out of my way, noobs.

EZ Clap

Nach einem genüsslichen Yufka zur Mittagspause – ehrlich, der hat sooo gut geschmeckt, obwohl es der gleiche Dönerladen war, bei welchem wir am Donnerstag Nachmittag waren – durfte ich freudig feststellen, dass ich nicht Schwarz gegen GM Jan-Christian Schröder hätte, sondern Weiß gegen GM Andrey Sumets. Kurz mal Abtausch-Slawisch gespielt und Remis gemacht. Okay, so ganz einfach war es nicht, an wenigen Stellen hätte er mir ernsthafte Probleme bereiten können, aber es hat gereicht. Nur schade, dass er mein Remisangebot abgelehnt hat, sonst hätten wir nicht noch 30 Minuten ein Damenendspiel spielen müssen, in welchem ich schlussendlich ein Dauerschach geben konnte.

Die Ausgangslage für die Schlussrunde war interessant. Ganze sieben Spieler hatten fünf Punkte, inklusive Thilo und mir. Nun, ihr als aufmerksame Leser dieser Zeilen wisst schon, dass Thilo gegen Sumets verlor. Ich hatte es selbst in der Hand, mein Gegner hatte „nur“ 2290 und war schlagbar. Klar, einfach spielen. Schauen, was passiert. Vorbereiten, genug schlafen. Gut frühstücken. Rechtzeitig am Spielsaal ankommen, mental zur Ruhe kommen.

Ich war bereit.

Und ich schob nach 12 Zügen remis.

Gut, was soll ich sagen. Eine Theorieschlacht, welche sich abzuzeichnen schien, gegen einen jüngeren Spieler wollte ich mir nicht antun. So würden wir beide in den Top 5 landen und gutes Geld mitnehmen. Gekämpft hatte ich an den drei vorherigen Tagen genug. Ich kann noch andere Turniere gewinnen…

Alle relevanten Daten hier.

Ich hab Style und das Geld.

Daniel 1. U18 im B-Open (ganz links).

Calvin 1. U14 im C-Open (links).


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