from zero to hero

Bevor wir hier noch rechtlich gesehen in die Pfanne gehauen werden, alle Rechte für den im Titel dieses Beitrags genannten Song liegen bei Sony Music Entertainment. Die Verwendung des Titels erfolgt keineswegs zu kommerziellen Zwecken.

Ach, was rede ich denn da, als ob es mich scheren würde, ich mach, was ich will!
Außer wenn an mein Gewissen appelliert wird, so hätte ich fast meine Teilnahme und damit die Teilnahme des Vereins an der Vorrunde der Deutschen Pokal-Mannschaftsmeisterschaft abgesagt, leider gibt es noch Personen, welche mehr als ich im Verein zu sagen haben. Folglich ging es am Samstag, dem 26. Januar 2019, morgens auf den Weg nach Ortenburg. Jene Ortschaft ist ein sogenannter Markt mit knapp mehr als 7000 Einwohnen im Landkreis Passau. Scheinbar ein beliebtes Touristenziel, wie uns vor Beginn der Partien vom stellvertretenden Landrat mitgeteilt wurde. Zwar bin ich persönlich kein großartiger Fan von ländlichen Gefilden, umgangssprachlich „Pampa“ genannt, muss jedoch zugeben, dass Ortenburg sicherlich ein schönes Erholungsziel ist. Das ausrichtende Hotel „Zum Koch“ mit seiner modernen Ausstattung sowie seinen kompetenten Mitarbeitern trug dazu selbstverständlich seinen Teil bei.

Ein klarer Nachteil einer solchen „Pampa“ ist die schwere Erreichbarkeit. Bei Einfahrt in die Ortschaft kam ich bei ungefähr Tempo 50 fröhlich ins Schlittern, immerhin geriet das Fahrzeug nicht vollkommen außer Kontrolle. Sehr negativ war, dass fast der gesamte Abschnitt der Bundesautobahn 3 zwischen Nürnberg und Passau auf der linken Spur verschneit war, wie soll man denn da fröhlich rasen?

Mit leckeren Käsespätzle im Bauch ging es erwartungsvoll zur Auslosung. Zumindest für Ramin, Kim-Luca und mich, denn Piotr Timagin stand zwei Stunden bei Salzburg im Stau und schaffte es gerade rechtzeitig vor Ablauf der Karenzzeit, am Brett zu erscheinen. Puh!
Unsere ersten Gegner sollte der Ilmenauer SV aus Thüringen sein. Nominell waren wir freilich die stärkste Mannschaft, wobei die anderen Teams, gerade der Ausrichter aus Ortenburg, von der Elo her ausgeglichener waren. Dafür hatten wir Kim-Luca an 4, welcher sicher noch nicht sein volles Potenzial erschöpft hat.

Heilbronner SV – Ilmenauer SV
Zuferi, Enis (2350) – Zehnter, Sebastian (2248)
Timagin, Piotr (2335) – Sukalo, Aleksey (2101)
Geshnizjani, Ramin (2124) – Falk, Kristoffer (1997)
Lahouel, Kim-Luca (1946) – Rempel, Patrick (2149)

Gut, hier waren wir theoretisch schon favorisiert. Nachdem die erste Schrecksekunde durch Piotrs Verspätung überstanden war, nutzte Ramin den Auftrieb gleich und gewann gleich mal nach ungefähr 10 Zügen. Sein Gegner beging im Alapin-Sizilianer mit …g6 einen Fehler, nach welchem er kaum noch Züge zur Verfügung hatte, so wäre es am Besten gewesen, mit …Ke8-f8 sich aus allen Drohungen von Ramins Da4-Sb5-Batterie zu entfernen. Dieser Gedanke kam nicht und so gewann Ramin schnell Haus und Hof dank seines Entwicklungsvorsprungs, 1:0!

Der zweite Streich ließ zwar etwas auf sich warten, brachte jedoch bereits die Entscheidung. An 1 bekam ich den h3-Najdorf vorgesetzt, was mich gleich freute, da ich diese Variante aus weißer Sicht analysiert hatte, was mir gleich nach 15 Zügen sogar Eröffnungsvorteil gab. Ich konnte die Leichtfiguren so tauschen, dass ein Springer von mir auf dem unantastbaren Feld e5 verblieb, während der weiße Läufer auf g2 von seinen Bauern auf h3, g4 und d5 eingeschränkt war. Ein unmotivierter Vorstoß der weißen Dame nach h6 war genug, um das Gleichgewicht komplett aus der Bahn zu werfen, über die c-Linie und schwarzen Felder entblätterte ich die weiße Stellung. Arbeitstag erledigt, 2:0 und mindestens Sieg nach Berliner Wertung.

Ganz klar der beste Spieler im Verein

Ein Ausrufezeichen setzten wir, indem wir die beiden anderen Partien auch noch gewannen und Ilmenau mit der Höchststrafe nach Hause schickten. Dabei sah es für Kim-Luca gar nicht gut aus, als er seine Figuren größtenteils auf die Grundreihe zurückziehen musste, jedoch wollte der Gegner zu viel und opferte gleich eine ganze Figur für…naja, an sich für nichts. Die Stellung war so komplex, dass gelegentlich mal ein Dauerschach für Weiß drin war, weil Kim-Luca nicht immer die besten Züge fand. Jedoch war seine Verteidigung stark genug, um die Partie zu gewinnen, 3:0.

Ist das die Zukunft des Vereins?

Den Abschluss machte dementsprechend Piotr. Sein Aufbau erinnerte an die Partie Carlsen – Anand vom kürzlich vergangenen Tata Steel Masters, welches der Weltmeister bekanntlich souverän gewann. Piotr spielte jedoch mutiger und rochierte zuerst, kurz, was Schwarz bei langer Rochade scheinbar Angriffsmöglichkeiten am Königsflügel gab. Piotr schätzte die Stellung jedoch sehr gut ein und sah, dass sein Spiel im Zentrum stärker sein würde. In Kombination mit seiner Einengungsstrategie kreierte er einen gedeckten Freibauern auf e6 und verwies den Läufer auf e7 in ein Gefängnis aus Bauernketten. Der Sieg war trotz beiderseitiger Zeitnot nur noch Formsache.

Falls sich jemand wundert, wie unser Neuzugang aussieht…zumindest von der Seite

Ortenburg gewann parallel 3:1 gegen Naumburg, welche bis auf Sebastian Schäffer-Schmidt (2355 Elo) relativ schwach aufgestellt waren. Wir ließen den Abend entspannt ausklingen bei einem Abendessen im hoteleigenen Restaurant, zumindest ich habe selten ein so gutes Kalbsschnitzel gegessen.

Piotr ging nach einem Familienbesuch im Pool schlafen, Ramin nach dem Abendessen, was Kim-Luca und mir einen Haufen Zeit für die Vorbereitung gab. Die Vorbereitung enthielt unter anderem Sex on the Beach. Es gab keinen Strand dort, also sollte klar sein, was gemeint war. Insgesamt 66,90 €.
Perfekte Voraussetzungen für das Spiel!

SC Ortenburg – Heilbronner SV
Tomislav Filipovic (2161) – Enis Zuferi
Uwe Kleibel (2153) – Piotr Timagin
Daniel Thanner (2064) – Ramin Geshnizjani
Alexander Stadler (2179) – Kim-Luca Lahouel

Tatsächlich passierte lange Zeit…gar nichts. Es wurde viel laviert, zum Beispiel wurde bei Piotr der erste Stein erst nach ungefähr 15 Zügen getauscht. Das kam ihm zugute, weil seine Stellung etwas gedrückt war. Durch die Öffnung der Stellung konzentrierte sich Weiß vollkommen auf den Königsflügel, während Schwarz sich den zum Tode verurteilten Bauern auf a4 einverleiben wollte. Ein Königsangriff ist tendenziell stärker und bei perfektem Spiel hätte Weiß auch Vorteil erspielen können. So kam es jedoch zu einem Endspiel und die beiderseitige Zeitnot sorgte dafür, dass der schwarze a-Freibauer entscheidend war. 1:0 für uns!

Zwischenzeitlich musste ich neben Piotr auch Ramin sagen, dass sie lieber weiterspielen sollten, weil ihre Stellungen lange unklar waren. Ramin freute sich im Alapin-Sizilianer darüber, früh den weißfeldrigen Läufer von Weiß eliminieren zu können, überschätzte dann etwas seine Möglichkeiten und erhielt „nur“ eine ausgeglichene Stellung. Es wurde in ein Endspiel mit Dame und einem Springerpaar sowie einer französischen Bauernstruktur abgewickelt, in welchem Ramin mit seiner Dame Unruhe stiften konnte. Nun unterschätzte er die gegnerische Stellung und übersah, dass die weiße Dame zu viele Wege hatte, ein kritisches Feld zu decken, mit zwei Minusbauern und erzwungenem Damentausch war es dann vorbei, 1:1.

Kim-Luca bekam Russisch vorgesetzt, was ihm gar nicht gefiel, dafür behielt er den typischen leichten Eröffnungsvorteil und gewann etwas Raum. All das war nicht genug für etwas Dauerhaftes, was Kim-Luca viel Zeit kostete, weil er scheinbar keinen ordentlichen Plan fand. Eine kritische Stelle der Partie sei gezeigt:


Hier hätte unser Jüngling besser spielen können. Es kam Sxc5!? Sf4 Te1?? (besser war Te4) Td4 -+ und obwohl Schwarz nur in ein besseres Turmendspiel abwickeln konnte, stand es nach Beendigung der Partie 1:2 aus unserer Sicht. Wie hätte Kim-Luca besser spielen können?

Damit lag es nun an mir, das Gefühl, dass ich den Unterschied mache, hat mir fast schon gefehlt, denn ich bin halt etwas Besonderes. Leider war mein Gegner ein unbeschriebenes Blatt, sodass ich in der Vorbereitung um 8:30 morgens nur ein paar Königsindisch-Varianten wiederholte. Natürlich kam Damenindisch, genau genommen eine Variante, welche ich im April 2018 gegen GM Mikhail Simantsev in Hofheim auf dem Brett hatte. Da mein Gegner schnell spielte, roch das leicht nach Vorbereitung, dennoch verbesserte er das Spiel des GMs nicht wirklich und landete nach 20 Zügen in einer schlechten Stellung mit Minusbauern. Leider war meine Partie nicht ganz perfekt und direkt nach der Zeitkontrolle bot sich meinem Gegner eine taktische Gelegenheit, nach welcher der Traum geplatzt wäre. Gut, dann waren von den 30 Zügen nach der Eröffnung halt nur 29 perfekt. Reicht noch.

Ich seh nur gelangweilt aus, war es aber nicht

2:2! „Sieg“ für uns! Die Berliner Bewertung brachte uns das Weiterkommen. Etwas schade für die Ausrichter, welche jedem Spieler ein problemloses Event bereiteten, aber Mitleid habe ich jetzt auch nicht als Sieg.

Am 16./17. März 2019 geht es mit dem Achtel- sowie Viertelfinale weiter. Leicht werden wir es nicht haben. Unsere Gegner werden folgende sein: Sfr. Bad Emstal/Wolfhagen, welche neben Vladimir Kramnik einige Spieler mit 2600 gemeldet haben; SV Lingen, welche auf einige Spieler mit 2400-2500 wie Vladimir Epishin zurückgreifen können, sowie der SG Post/Süd Regensburg, welche als Spitzenverein in der bayerischen Oberliga noch harmlos erscheinen. Vielleicht können wir dieses Event ja ausrichten.


Schreibe einen Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Kommentare sind moderiert und werden in der Regel innerhalb eines Tages freigegeben. Sollte es länger dauern, haben wir den Kommentar entweder übersehen oder der Spamfilter hat zugeschlagen. In diesem Fall bitten wir um eine kurze E-Mail an webmaster@schachverein-heilbronn.de.