Enis und die 7 Schneezwerge

Oder auch: Wie Enis es schaffte, vom nordwestlichen Zipfel zum südöstlichen Ende Baden-Württembergs zu fahren, an einem Tag und nicht einmal in einer einzigen Fahrt.
Wo ist eigentlich meine kostenlose, lebenslange Ehrenmitgliedschaft in diesem Verein? Wäre doch mal etwas für die Jahreshauptversammlung…

Gut, bleiben wir mal ernsthaft. Zumindest sagt mir das Präsident Julian Bissbort, dass es sich für einen Vereinsfunktionär sowie Kapitän der 1. Mannschaft geziemt, ernst zu bleiben.
Meine letzten Tage waren auch ziemlich ernst.

Am Samstag stand um 9 Uhr ein Blockseminar zum Thema „Pädagogisch urteilen und handeln“ an. Ich muss klarstellen, dass es ein sehr lehrreiches sowie unterhaltsames Seminar war. Leider musste ich aufgrund des Auswärtsspiels bei Weiler im Allgäu früher als 18 Uhr, dem angesetzten Ende des Seminar, verschwinden. Nur minimal früher. So gegen 13:30 Uhr. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Dozent dies lesen sollte: Tut mir sehr leid!
Nach einem gesunden Mittagessen musste auch schon gleich der Plan über den Haufen geworfen werden. Steffen Mages‘ Zug verspätete sich, weil – Achtung, kein Sarkasmus – ein Vogel Strauß aus einem Zoo/Tierpark ausgebrochen war und nun auf den Gleisen herumlief. Nikolas Pogan würde mit der Bahn erst gegen 14:30 Uhr in Karlsruhe ankommen, was mir zu viel Wartezeit war. „Make spontaneity great again“ hörte sich in meinem Kopf ganz gut an, also schnell allen mitgeteilt: ich würde Niko bei sich zuhause in Ketsch (bei Heidelberg/Schwetzingen) abholen, dann sollten sich Steffen, Tobias Schmidt und Thomas Tschlatscher am Stuttgarter Hauptbahnhof treffen, von dort aus dann bitte ohne Probleme zum Hotel in Lindenberg im Allgäu.

Von Schwetzingen aus führte die beste Route nach Stuttgart natürlich über Heilbronn. Armer Thomas, ich zwang ihn umsonst zum Bahnfahren. Aber gut, woher sollte ich denn wissen, dass sich mein ursprünglicher Plan vollkommen in Luft auflöst…

In Stuttgart angekommen, durfte ich feststellen, dass Tobias nicht wusste, wo Norden war. Er sollte den Nordausgang benutzen, weil dort die Parkplätze waren, landete aber irgendwie Richtung Westen zu den Taxis vorm Hauptbahnhof. Vielleicht sollte er sein Studienfach, Luft- und Raumfahrttechnik, überdenken.
Gegen 16:20 Uhr waren alle eingesammelt, während Simon Degenhard, Kim-Luca Lahouel und Debütant Piotr Timagin bereits am Hotel angekommen waren. Immerhin hatten wir dieses Ass im Ärmel, dass Piotr sicher überraschend für unsere Gegner wäre.

Die restliche Hinfahrt verlief ereignislos. Es gab keinen Schneefall, mein bedeutungsleerer deutscher Gangster-Rap beschallte mich laut genug, um mich am Einschlafen zu hindern und Thomas schlief tief und fest im Beifahrersitz, wie auch immer das gehen kann, wenn ich mit 170 Sachen über die A7 bretter. Diesen tiefen Schlaf hätte ich gerne, ich würde dafür auch 50 Elo aufgeben.
Gegen 18:30 fanden wir uns schließlich am Hotel „Bayerischer Hof“ ein, in welchem wir schon im Oktober 2017, beim letzten Auswärtsspiel, nächtigten. Parken mussten wir in einer Seitenstraße, auf einem Schulparkplatz. Was sollte schon passieren? Tipp: es hat mit Schnee zu tun.

Im Schnee verewigten wir uns gleich, um unser Revier zu markieren:

„Ok cool“, unser inoffizielles Vereinsmotto, Copyright bei Yung Hurn

Zum Abendessen gab es noch gesellige Gespräche, auch mit unserem Neuzugang Piotr Timagin, welcher, so durfte ich erfahren, in seiner Jugendzeit drei IM-Normen erspielt hatte. Das flößt gleich mal Respekt ein und macht große Hoffnungen. Das Bier floss natürlich auch, absteigen können wir ja nicht mehr, aufsteigen nur, wenn Stuttgart und Böblingen von der Liga ausgeschlossen werden, also können wir den Trip auf Vereinskosten auch genießen. Zum Schluss teilten Tobias und ich eine Platte Kaiserschmarrn, wobei „teilen“ in diesem Fall bedeutet, dass ich 80% des Schmarrns aß und Tobias als Kompensation den kleinen Obst-Beilagensalat überließ. Sharing is caring! Als Mannschaftsführer bin ich natürlich gerecht.
Danach kam es, wie es wohl nicht sein sollte, die Eltern und Begleitpersonen gingen ins Bett, während die Spieler…nun ja, irgendwann, nach ein paar Gläsern, Vorbereitungen sowie unzähligen frustrierenden Runden „Puzzle Rush“ auf chess.com, war es 03:20 Uhr, ich persönlich war damit 20 Stunden am Stück wach und setzte der Party ein Ende.
Ironisch: Nach Steffen war ich der erste Mensch beim Frühstück, die Partylöwen Niko und Thomas folgten auch relativ schnell, nur Tobias schien etwas mitgenommen. Aber…was tot ist, kann niemals sterben!

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte…

Ja, mehr brauche ich zur Abfahrt vom Hotel nicht sagen…

Dennoch schafften wir es mehr als rechtzeitig, am Spielsaal wohlbehalten anzukommen. Stand 9:59 Uhr stand es virtuell 4:0 für uns, da die tschechische Garde der Gastgeber noch nicht anwesend war. „Leider“ kamen sie doch noch rechtzeitig zum Spiel. Nach ein paar gegenseitigen Unmutsbekundungen über die Ansetzung der Begegnung Heilbronn – Weiler als normale Runde und nicht als Teil der zentralen Endrunde (dann müsste man wenigstens nicht am Vorabend anreisen) ging es auch schon los.

Man mag kaum glauben, dass in einer Mannschaft, in welcher Piotr Timagin (37 Jahre) der älteste und Niko (28 Jahre) der zweitälteste Spieler war, Simon Degenhard (17 Jahre) der jüngste Spieler war. Sein Gegner Benedict Hasenohr gewann bereits zwei Mal gegen uns, also setzten wir ihm mal Simon vor anstatt Niko. Die Partie lief an sich zufriedenstellend, Simon gewann einen Bauern und der weiße Angriff entpuppte sich als Papiertiger. Scheinbar hatte Simon etwas Schlechtes im Essen, denn sein Mageninhalt drehte sich so stark um, dass seine Stellung dank eines einzügigen Einstellers auch kippte. 1-0 für die Bayern.

Dafür lief es für Niko umso besser, weil er nicht seiner Nemesis aus der Schweiz gegenüber saß. Bereits im 10. Zug hatte Niko einen Zeitvorteil von fast einer Stunde. Natürlich konnte er die Stellung nicht gewinnen, ohne es zu einer Zeitnotschlacht kommen zu lassen, in welcher sein Gegner Chancen hatte, den Partieverlauf auf den Kopf zu stellen. Dennoch stand es flugs 1-1.

Kim-Luca wurde vom Läuferspiel überrascht und merkte gar nicht, dass die Partie schnell in ein ungewöhnliches Italienisch abdriftete. In der Folge litt er schwer daran, dass er seinen weißfeldrigen Läufer auf g6 ins Abseits stellte, während der weiße Counterpart über das Brett herrschen durfte. Dafür verteidigte sich Kim-Luca bei seinem zweiten Oberligaeinsatz umso umsichtiger und erzielte ein schlussendlich verdientes Remis. 1,5-1,5.

An Brett 6 probierte Thomas ein interessantes Bauernopfer, welches die Engine aber gar nicht mochte. Trotzdem war die Stellung nach Rückgewinn des Bauern und Damentausch spielbar. Bei einem Rundgang kurz vor Ablauf der drei Stunden war plötzlich eine hoffnungslose Stellung mit Minusfigur auf dem Brett. Weiler ging mit 2,5-1,5 erneut in Führung.

„Engine“ war ein gutes Stichwort, die mochte Tobias‘ Stellung sicher auch nicht, außerdem mochte die ganz und gar nicht, was IM Thomas Henrichs und ich an Brett 1 fabrizierten. Robin würde unsere Partie aber sicher gefallen, da sie voller Optionen war. Ganz nach dem Motto „wer die Wahl hat, hat die Qual“ war die Partie damit jedoch ziemlich schwer zu spielen.
Tobias dafür hatte nach der Eröffnung wenig Optionen und musste auf entlastende Abtäusche hoffen. Zum Schluss kam es zu einem leicht schlechteren Turmendspiel mit Option auf ein Bauernendspiel. Tobias rechnete korrekt, dass jenes Bauernendspiel verloren sei, sein Gegner war dafür scheinbar zu faul und nahm an, das Bauernendspiel sei remis. Dementsprechend kam das Remisangebot des Weißen überraschend, jedoch nicht unwillkommen, 3-2 für Weiler.
Wenig später bot auch mein Gegner Remis an, weil er nach einem taktischen Patzer meinerseits den Druck nicht in etwas Zählbares umsetzen konnte, die knappe Zeit aufgrund der ungewöhnlichen Partieführung tat ihr Übriges. 2,5-3,5 aus unserer Sicht.

Damit war die Zeit gekommen, dass Helden geboren werden. Steffen hatte gegen Stuttgart noch relativ chancenlos verloren und sinnte sicher auf Wiedergutmachung. Ganz typisch opferte er früh einen Bauern, fand jedoch mittelfristig nicht die gewaltige Kompensation, die zum Vorteil notwendig war. Die praktischen Probleme nahm Fabian Wunder jedoch bis in die zweite und letzte Zeitnotphase mit. So verlor er seinen Mehrbauern, diesen gab Steffen jedoch gleich wieder für Angriff zurück. Im Variantendschungel verlor sich Schwarz und Steffen glich für uns zum 3,5-3,5 aus.

Sollte Piotr also gleich beim ersten Einsatz zum Matchwinner werden? Im Spiel gegen den anderen Wunder namens Niklas hatte er immer leichten Druck als Folge des „weißen Eröffnungsvorteils“. Gut, dieser Vorteil verkommt immer mehr zum Mythos in der heutigen Zeit, daher wirkt es umso erstaunlicher, dass er in Piotrs Partie existierte. Um zu siegen, riskierte unser Neuzugang etwas und gab Schwarz einen Freibauern auf d3, während er selbst einen Freibauern auf e6, aktivere Figuren und Spiel gegen den König hatte. Die Kombination dieser Vorteile führte zu einem Sieg auf weißer Seite. Somit stand fest: Nach drei Unentschieden in der Oberliga sowie im Pokalwettbewerb gewannen wir erstmals gegen Weiler, mit 4,5-3,5.

Damit wahrten wir unsere Außenseiterchance auf den Aufstieg, realistisch gesehen wird sich dieser jedoch zwischen Stuttgart und Böblingen im Fernduell entscheiden. Böblingen liegt einen Punkt vorne, dafür hat Stuttgart das vermeintlich angenehmere Restprogramm. Stand jetzt verspricht die zentrale Endrunde mit den Begegnungen Stuttgart – Weiler sowie Heilbronn – Böblingen volle Kanne Spannung.
Mit dem Abstiegskampf haben wir definitiv nichts mehr zu tun. Ganz unten holte Bebenhausen seine ersten Mannschaftspunkte gegen Sontheim/Brenz, womit Letztere praktisch gesehen abgestiegen sind. Bebenhausen jedoch ist bei Weitem nicht sicher und sollte am Besten darauf hoffen, dass Jedesheim in der 2. Liga die Klasse hält – was wiederum unwahrscheinlich erscheint, weil die Aufsteiger mit 2 Punkten nach 4 Spieltagen bereits auf einem Abstiegsplatz stehen und in fast jedem Spiel klarer Außenseiter sein werden.
Daneben verloren Biberach (gegen Deizisau II) sowie Schmiden/Cannstatt (gegen Böblingen) und krebsen ebenfalls hinten rum. Gerade Schmiden wird ohne Thilo Kabisch eine Energieleistung aufbringen müssen, das Team ist dennoch nicht zu unterschätzen.

Erste Mannschaft.

Parallel spielte die 3. Mannschaft in der Bezirksliga. Gegen den Abstieg wurde mit einem 6-2 gegen Öhringen II ein klares Zeichen gesetzt und etwas Abstand zu den Abstiegsplätzen hergestellt. Erdrückend wirkt jedoch, dass die verbleibenden vier Spiele allesamt gegen Teams aus den Top 5 stattfinden werden, unter anderem gegen die viel zu starke 1. Mannschaft des reformierten SK Schwäbisch Hall. Hier ist noch Einiges an Arbeit notwendig.

Dritte Mannschaft.


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