Heilbronn vs. die ganze Welt?

Nachdem Heilbronn vs. Württemberg nicht ganz so aufging, wie wir es geplant hatten, scheint es doch etwas vermessen, uns gleich mit dem Rest der Welt anzulegen.

Nun, ein Heilbronner schaffte es kürzlich, sich wortwörtlich mit den Besten der Welt zu messen. Nein, Fabiano Caruana ist nicht zufällig der Heilbronner Schachschule entsprungen, unsere Brötchen sind etwas kleiner. Die Rede ist von der „World Cadets Chess Championship“ des Jahres 2018, dies ist die Weltmeisterschaft für die Altersklassen U8w, U10w, U12w und ihre maskulinen Gegenparts U8-U12. Insgesamt waren ungefähr 860 Kinder anwesend. Aufgrund seiner starken Leistungen im Verlauf der Saison 2017/18 nominierte die Deutsche Schachjugend Calvin Wolff, als Teil des DSJ-Kaders nach Santiago de Compostela (Spanien) zu fliegen. Vom 4. bis zum 15. November 2018 durfte sich Calvin früh in seiner Karriere und als erster Heilbronner der Vereinsgeschichte mit den weltbesten U8-Spielern messen, genau genommen gab es insgesamt 135 (!) Teilnehmer aus mehreren Dutzend Nationen. Unabhängig von allem ein riesiger Erfolg und ein klasse Erlebnis für den jungen Calvin.

Zwar war ich nicht selbst anwesend und habe nur Calvins Partien zur Verfügung, dank seines Vaters Sidney kann ich hier dennoch einige Einblicke inklusive Impressionen zum Geschehen geben.
Calvin war einer von fünf Deutschen in der U8 und insgesamt einer von 24 Deutschen. Ein besonderer Dank geht an GM Thomas Pähtz und Bundesnachwuchstrainer IM Bernd Vökler für die Organisation der Teilnahme sowie für die Vor- und Nachbereitung der schachlichen Ereignisse.
Sowohl die Spielstätte als auch das Hotel waren einer Weltmeisterschaft absolut würdig und das Wichtigste, das Essen, verbesserte sich täglich. Einziger Kritikpunkt wäre der Umgang mit einem Unwetter. Täglich wurde nur eine Partie gespielt, sodass wegen eines Unwetters an einem Tag die Partie komplett entfiel. Eine gewisse Zeit lang blieben die Teilnehmer unwissend. Zudem wollte die Security an einem Tag nicht mehr als 1200 Leute in die Spielstätte lassen, was aufgrund von ca. 2000 Anwesenden inklusive Eltern und Betreuer eine fast schon lächerliche Begrenzung war. Schlussendlich wurden diese Probleme gelöst.
Neben Kreisjugendeinzelmeisterschaft, Kreisjugendliga, Nikolaus-Jugendopen, 4er-Liga oder selbst der Offenen Holländischen Jugendmeisterschaft „ONJK“ war diese WM ein unnachahmliches Erlebnis unglaublicher Größe. Dementsprechend stieg Calvins Schachbegeisterung unabhängig der Ergebnisse an. Auf jeden Fall sind 4,5 Punkte aus 11 Runden keine schlechte Leistung, im Gegenteil. Darauf kann Calvin stolz sein und dies als Ansporn nehmen, weiterhin Freude am Schachspiel zu haben. Ebenso nimmt Calvin dies hoffentlich als Motivation, sich als Spieler weiterzuentwickeln. Definitiv hat er damit seinen Alterskollegen etwas voraus. Jetzt gilt es, die richtigen Lehren aus dem wunderschönen Erlebnis zu ziehen.

Beim Turnier an sich zeigte Calvin eine hohe Leidensfähigkeit und eine große mentale Stärke. Er startete mit einem krachenden Sieg gegen einen favorisierten Spanier, bei welchem er mit scharfem Spiel dem Gegner schnell das Licht ausmachen konnte. Danach ließ Calvin ein paar Chancen liegen und legte eine lange Rochade ein. Gerade in jungem Alter kann dies für die verbleibenden sieben Runden ein Stimmungskiller sein. Calvin jedoch ist hier zu loben und er kam stärker als zuvor zurück.
In den Runden 5 und 6 holte er direkt 1,5 Punkte, wurde dann aber von einer Doppelnull abermals zurückgeworfen. Das war noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, in den verbleibenden drei Runden kam Calvin erneut zurück und holte zwei Siege bei einer Niederlage. Um den Kreis perfekt zu schließen, gewann er in der 11. Runde erneut gegen einen Spanier, welcher wie der Erstrundengegner auf 1. e4 skandinavisch antwortete. Falls Calvin die Voraussetzungen für die kommende WM in China erfüllen sollte, müssen sich die spanischen Landestrainer definitiv etwas anderes als den Skandinavier einfallen lassen, um gegen Calvin zu bestehen 😉

Es folgen ein paar Impressionen aus den Partien beziehungsweise des Events.


Calvin hatte mit Weiß hier keine einfache Situation vor sich. Mit einer Engine sieht man Züge wie Sg4 einfach, aber Calvins Lösung war eindeutig praktischer Natur: 17. dxc5!? Txe5? (ist schon forciert schlecht. Nur der Zwischenzug …d5-d4 hätte zu einer spielbaren Stellung geführt) 18. f4 Te8?! (…d4 ginge auch hier, aber sehr kompliziert) 19. g4 Lg6 20. f5 und so krönte Calvin seine mit dxc5 begonnene Operation. Schön gesehen, dass der Läufer auf h5 taktisch anfällig ist!
(Wolff, Calvin – Chang, Samuel, 1-0, Runde 5)


Hier begann Calvin einen netten Springertanz. 11…Sg4 12. Tae1? (selbstverständlich sollte Weiß diesen Läufer nicht hergeben, weil die Diagonale a7-g1 zu anfällig ist) 12…Sxe3 13. Txe3 Sd4 14. Tf2 Sxf3+ 15. Tfxf3 Ld4 -+ den Materialvorteil schaukelte Calvin dann gekonnt nach Hause.
(Garcia Amelibia, Emilio – Wolff, Calvin, 0-1, Runde 9)


Zum Abschluss noch eine Kurzpartie. Den Dd6-Skandinavier kannte Calvin noch nicht, daher fand ich es bemerkenswert, dass er die folgende Idee selbst fand: 8. g3! g6?? Schwarz denkt sich nichts dabei und möchte seine Entwicklung vollenden. Aber nicht mit Calvin! 9. Lf4 ups… 9…Se5 10. Sxe5 Dd8 11. Lxf7# und da möchte man behaupten, dass das Schäfermatt in seinen Abarten nicht bei einer WM vorkommt…
(Wolff, Calvin – Fernandez Gallaga, Julio, 1-0, Runde 11)

Runde 4 gegen Shashindhar Kumar R (Indien).

Runde 10 gegen Aaron McKoy (Jamaika).

Voller Betrieb…

Wenn ich doch nur in der U8 so gut gewesen wäre…*seufz*

Die Ruhe vor dem Sturm.

Vor der atemberaubenden Spielstätte.

Schönes Galicien.

Bereit für den Kampf!

Die deutsche Delegation.

Ob er am Schachbrett auch so nachdenklich ist…?

Calvin als stolzer Teilnehmer der WM.

Herzlichen Dank an Calvin sowie Sidney Wolff für die Bereitstellung der Informationen und Fotos.

Im Namen des Heilbronner Schachvereins und seines Vorstands gratuliere ich Calvin zu seinen hervorragenden Ergebnissen und hoffe, dass er weiter mit Begeisterung beim Schach bleibt!


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