Aufstiegschance oder Schützenhilfe?

Höchstwahrscheinlich beides, aber bevor wir zum titelgebenden Abschluss des doch recht erfolgreichen letzten Wochenendes gelangen, fangen wir mit den beiden Samstagsbegegnungen an:

Den Anfang machten gleich morgens um 9 Uhr unsere Jüngsten, die in der Kreisjugendliga (und der 4er-Liga) ihre ersten Turniererfahrungen sammeln. Nur zu dritt bei der SG Meimsheim-Güglingen angetreten, konnte nur Calvin am Spitzenbrett voll punkten, die restlichen Partien gingen zum 1:3-Endstand leider verloren.

Das war aber unsere einzige Niederlage, jetzt geht es mit guten Nachrichten weiter: Eine Stunde später empfingen unsere Senioren die SGem Vaihingen/Rohr. Nach der hohen Erstrundenniederlage und dem kampflosen Sieg in Runde 2 gelang uns diesmal der erste „echte“ Sieg; mit 2.5:1.5 wurden wir knapp unserer minimalen Favoritenrolle gerecht und schoben uns auf den geteilten 4. Platz vor.

Und es geht noch besser: Am Sonntag musste oder durfte unsere Dritte versuchen, den Anschluss an die Tabellenspitze zu halten. Mit der TG Forchtenberg empfingen wir einen schlagbaren Gegner, der sogar nur zu fünft antrat. Mit dem 3:0 im Rücken gelang es uns dann doch tatsächlich, die übrigen Partien ebenfalls zu gewinnen und somit ordentlich Brettpunkte zu sammeln! Dieser Kantersieg zahlte sich auch direkt aus: Mit einem halben Brettpunkt Vorsprung haben wir uns nun vor Bad Friedrichshall auf den 2. Platz geschoben, der am Ende der Saison zum Aufstieg in die Bezirksliga berechtigen würde. Gegen Bad Friedrichshall haben wir schon gespielt, im Gegensatz zu ihnen haben wir aber auch bereits das Duell mit dem klaren Tabellenführer Gaildorf/Fichtenberg hinter uns – wenn das keine handfeste Aufstiegschance ist?!

Ein echtes Spiel um Platz 2 fand gleichzeitig für unsere Zweite in der Landesliga statt: Beim Tabellenzweiten SC Neckarsulm konnten wir glücklicherweise aus dem Vollen schöpfen, während unsere Gastgeber den starken, aber selten spielenden Wirth ersetzen mussten. Dementsprechend gingen wir, vor allem an den vorderen Brettern, als leichter Favorit ins Rennen; die (im Nachhinein ermittelte) DWZ-Prognose von etwa 3.3:4.7 versprach jedoch einen engen Kampf. Und gekämpft wurde auch an allen Bretten, egal ob symmetrische Struktur oder asymmetrisches Material: Patrick schnappte sich kurz nach der Eröffnung einen Bauern, dafür erhielt sein Gegner ausreichende Kompensation in Form von zentralem Raumvorteil und (halb-)offenen Linien. Marcel machte es genau umgekehrt: Obwohl sich seine Figuren für meinen Geschmack wieder zu oft und zu lange auf der Grundreihe tummelten, steckte er seinerseits einen Bauern ins Geschäft – dessen Annahme sorgte immerhin dafür, dass seine Figuren eine nach der anderen mit Tempogewinn zum Leben erwachten. Ich werde die Partie wohl nie verstehen, Kollege Computer sieht Weiß beim Überfliegen aber nie im Nachteil, also alles ok. Noch etwas weiter ging Kim-Luca, der bereits im 12. Zug eine Qualität opferte. In der Folge bekam er erst einen Bauern, dann zwei, dann drei und spätestens jetzt handfesten Vorteil. Bei mir verschwand indes ein Leichtfigurenpaar nach dem anderen bis hin zur „Doppeldrohung“ dritter Abtausch und Remisangebot. Durch die asymmetrische Bauernstruktur motiviert ignorierte ich die erste Drohung und lehnte die zweite ab, allerdings wurde das Gleichgewicht auch im weiteren Verlauf nicht gestört.

Deutlich symmetrischer ging es an den anderen Brettern zu: Jürgen bekam einen Abtausch-Franzosen und mehr als ein Remisangebot vorgesetzt, versuchte aber unermüdlich, doch irgendwie irgendwo etwas Wasser aus dem Stein zu quetschen. Christian (W. mit Weiß) und Christian (B. mit BlackSchwarz) hatten jeweils die typische symmetrische Damengambit-Struktur ohne c- und d-Bauern auf dem Brett mit dem üblichen leichten weißen Druck, während sich bei Severin auf der einzigen offenen Linie nach und nach die Schwerfiguren abtauschten. Immerhin behielt Severin das Läuferpaar und sein Gegner und unser alter Bekannter Michael Wickenheisser einen Doppelbauern – darauf kann man aufbauen.

Alles in allem also positive Tendenzen und die erste Entscheidungen fielen auch gut aus: Patricks Gegner öffnete den Königsflügel weiter, tappte dann jedoch mit einem nur scheinbar aktiven Zug in die Falle:

Der Ausgleich folgte jedoch nur kurze Zeit später, als Christian sehenswert ausgeknockt wurde:

Weiß am Zug gewinnt

Die dritte Entscheidung fiel bei Marcel, der seinen Gegner nach und nach zurückdrängte und schließlich mit einem Qualitätsopfer eine tödliche Fesselung aufbaute.

Mit dem 2:1 zur Zeitkontrolle konnten wir sehr gut leben, da sich nach und nach weitere Vorteile herauskristallisierten: Obwohl ich derjenige mit knapper Zeit war, war es mein Gegner, der im 40. Zug falsch abwickelte. Ob das Turmendspiel ab diesem Punkt tatsächlich bereits gewonnen war, muss eine gründliche Analyse zeigen; ein zentrales Freibauernpaar und harmonierende Figuren gaben mir jedoch einen klaren Plan auf die Hand, sodass ich trotz kreativer Verteidigung auf 3:1 erhöhen konnte. Um 13:30 Uhr dann die endgültige Entscheidung: Christian hatte beim Übergang ins Endspiel einen Bauern abgeholt, den er trotz taktischer Intermezzi nicht mehr hergab und im Turmendspiel verwertete.

Stichwort Turmendspiel: Kim-Luca landete ebenfalls in einem solchen, als ihm nach einer Fehlentscheidung nur der Rückgewinn der Qualität unter Rückgabe seiner Mehrbauern blieb. Das resultierende Endspiel mit zunächst vier gegen vier, dann einem gegen einen und zum Schluss gar null gegen einen Bauern war dann technisch remis … bzw. wäre technisch remis gewesen, wenn Kim-Luca die Technik auch abgerufen hätte. So kam es dann (wohl auch zeitnotbedingt) zum Klassiker: Philidor-Stellung ging nicht mehr, passive Verteidigung hätte zwar auch gereicht, aber im Zweifel dann doch lieber einen aktiven Zug gemacht und schon hatte sich die Hartnäckigkeit seines Gegners ausgezahlt.

In der Zwischenzeit hatte Severin jedoch erfolgreich geknetet, sich erst Raumvorteil und schließlich einen Mehrbauern verschafft und somit den Mannschaftssieg sichergestellt. Das einzige Remis des Tages blieb Jürgen vorbehalten; letztlich hielt das weiße Bollwerk allen Gewinnversuchen stand.

In der Tabelle haben wir jetzt mit Neckarsulm die Plätze getauscht und sind nun erster Verfolger von Tabellenführer Kornwestheim, deren Vorsprung sich durch unseren Sieg auf zwei Mannschaftspunkte erhöht hat. Das Liga-Orakel prophezeit uns zwar eine fast 12%ige Aufstiegschance; realistisch betrachtet haben wir aber eher Schützenhilfe geleistet. Wir werden erst in der Schlussrunde das Vergnügen haben, aber immerhin werden sie uns dann nicht wieder in die Bezirksliga runterstampfen können. Das ist doch auch was wert!


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