Von Premieren und Rekorden

Schnell nach London fliegen und bei Guinness World Records anfragen, ob ich für meine Partie einen Eintrag ins Buch bekomme. Dann noch kurz nach Irland rüber und mir ein paar schöne Guinness einflößen, zur Feier des Tages.

Worum geht es? Am 8. Oktober hatten wir wieder einen Doppelspieltag, Erste und Vierte mussten ran.
Die Vierte wurde von der zweiten Mannschaft der SF Schwaigern empfangen, mit unserem diesjährig gewählten Bezirksvorsitzenden Ottmar Seidler an Brett 1. Mit dem bekam es sozusagen der alte Greis des fast durchweg jugendlichen Teams zu tun – Carsten Vollmar hebt den Altersschnitt der Mannschaft zusammen mit Sabine tatsächlich an, obwohl er selbst nicht so alt ist. Er kam mit Weiß zu einem furiosen Sieg und erklärte sich bereit, seine Partie zu analysieren und kommentieren, danke dafür!

Carstens Erfolg tat ihm nach seiner unglücklichen Stadtmeisterschafts-Niederlage gegen Reiner sichtlich gut und bildete den Grundstein für den Auswärtssieg der Vierten. Neben ihm gewannen noch Stefan Gündisch, Ardit Molliqaj, welcher sich im Aufwind zu befinden scheint, Felix Hagenmeyer und Lukas Dietzel. Mit drei Niederlagen ergibt das in der Endabrechnung ein 5:3.
Apropos Ardit: Als Eric Krohmer erfuhr, dass ich schon nach einer halben Stunde fertig war, merkte er an, dass in Ardits Partie in 30 Minuten circa 50 Züge gespielt wurden, typisch Albaner, hm…

Vierte.

Warte, wie? Ich war schon nach 30 Minuten fertig? Nein, ich gewann nicht kampflos. Wobei, wenn man „kampflos“ wortwörtlich nimmt, hab‘ ich wirklich ohne Kampf gewonnen, denn mein Gegner, der von Wolfbusch reaktivierte IM Matthias Ruf, leistete mir keinen Widerstand:


Der Moment der schwarzen Aufgabe war wirklich surreal und selbst meine Nachbarbretter Ulrich Schulze und Tobias Schmidt begriffen nicht so wirklich, was da gerade abging; Letzterer fragte auch anfangs nach, ob ich nicht Remis gemacht habe, so schnell, wie das ging.
Jedenfalls führten wir sehr schnell 1:0 und ich erreichte nach harter sowie langer Leidenszeit endlich mein Zwischenziel auf dem Weg zu den 2400 Elo, nämlich die 2300 Elo, bald werde ich mich also „Fast-Meister“ (FM) nennen können.

Einen inoffiziellen Rekord hatte ich aufgestellt (das muss die schnellste entschiedene Oberliga-Partie aller Zeiten sein!), eine Premiere gab es schon vor dem Drücken der Uhren, Jewgeni Pogorelow kam zu seinem ersten Einsatz für uns. Vormals für Böblingen ans Brett gegangen, auch in der 2. Bundesliga, bereichert er jetzt uns. Sein Gegner spielte auf eine Weise, welche Simon Degenhard als Albtraum bezeichnen würde – er tat gar nichts und das als Weißspielender. Larsen kam aufs Brett und bis zum 14. Zug kam kein weißer Stein über die dritte Reihe hinaus. Jewgeni entwickelte sich klassisch, sobald Weiß die erste Zentrumsspannung erzeugte mit in der Mitte befindlichen König, knallte er eine Figur rein und brachte den Weißen in arge praktische Probleme. Die Zeitnot kam noch hinzu, somit holte unser Neuling sein Material mit Zinsen zurück und seinen Premierensieg, 2:0.

Bleiben wir bei den Premieren. Wie bei unserem 5,5:2,5-Sieg in unserer Verbandsliga-Aufstiegssaison 2015/16 in Stuttgart (2014/15 gewannen wir ebenfalls in Stuttgart, mit 5:3 – wir hatten hier also auch eine Heimpremiere gegen Wolfbusch) spielte Robin gegen Johannes Häcker, den Ältesten des Schach-Clans. Ähnlich parallel liefen die Partien ab, es gab wenig Berührpunkte, Einiges wurde abgetauscht, folglich schien ein Remisschluss wie 2015/16 nicht weit. Robin wollte jedoch mehr (ich gab ihm als Ersatz-Mannschaftsführer mal keine Remisempfehlung) und spielte mutig weiter, er versuchte bei ungleichfarbigen Läufern, kombiniert mit allen Schwerfiguren, vor allem am Königsflügel die Initiative zu ergreifen. Was folgte, war ähnlich surreal wie mein schneller Sieg. Robin verlor bei der Ausführung seines 40. Zugs auf Zeit – unglaublich. Ein schwerer Rückschlag, Wolfbusch verkürzte.

Simon Degenhard hatte schon eine Oberliga-Partie in seinem Curriculum Vitae stehen, jetzt folgt verdientermaßen seine erste Saison als Stammspieler. Sein Gegner brachte auch den „Albtraum“ und tat in einer Pirc-Verteidigung so ziemlich gar nichts, Schwarz wartete nur ab. Nach dem Abtausch aller Leichtfiguren hatte Simon einen Freibauern auf c5 und die minimal bessere Königsstellung, zumindest eine bessere Koordination der Türme aufzuweisen. Unverständlich für Ulrich ließ ich Simon ein Remisangebot ablehnen, weil mir noch einige Dinge unklar erschienen, beispielsweise versuchte sich der Gegner von Tobias Schmidt an einem gefährlichen Opferangriff. Letztendlich tauschten sich die Damen, es kam wie es kommen musste. Im Turmendspiel entschied das universelle und unwiderlegbare Gesetz „Turmendspiele sind immer remis“, 2,5:1,5 stand es damit.

Der Nächste im Bunde, Steffen Mages, konnte gegen das ehemalige Jugendtalent Magnus Kuhn wenig rausholen, auch weil dieser die Theorie in der Hauptvariante des Slawen sehr gut kannte. Auch ihn ließ ich weiterspielen, hier jedoch eher wider besseren Wissens, da die Stellung wirklich sehr tot war. In Zeitnot hatte Schwarz sogar die Möglichkeit, uns noch einen reinzudrücken und die Partie mit einem taktischen Trick zu gewinnen, glücklicherweise lagen nicht nur bei Steffen die Nerven blank. Hiermit empfehle ich Steffen auch, ein besseres Beruhigungsmittel als Zigaretten zu suchen, es scheint nicht zu wirken und gesund ist es auch nicht. Jedenfalls fand Steffen mit Dame und Springer irgendwann ein Dauerschach und packte die Möglichkeit beim Schopfe. 3:2 für uns.

An Brett 3 rannte Tobias Schmidt voll in eine Vorbereitung von Sebastian Ludwig und misshandelte ein Londoner System mit Schwarz grundsätzlich. Sein Gegenüber hatte alles, wovon er träumen konnte: undurchdringliche schwarze Felder, nur noch die weißfeldrigen Läufer auf dem Brett und einen Turm über f3 gegen den schwarzen König in Stellung gebracht. Für Tobias hingegen war es schwer, überhaupt aktive Züge zu machen, in der Folge ließ er die Kompromittierung seiner Königsflügelstruktur zu. Im Gegenzug konnte er die c-Linie für sich öffnen und sorgte dort mit seinen Türmen für Unruhe. Weiß sah sich zu einem interessanten Qualitätsopfer gezwungen und hatte mindestens Dauerschach. Bei knapp werdender Zeit behielt Tobias die Nerven und schaukelte seinen minimalen Materialvorteil nach Hause, indem er die Macht seiner Türme auf der weißen Grundreihe ausspielte.
Einen Mannschaftspunkt hatten wir somit sicher, 4:2.

Nikolas Pogan machte es genau andersherum. Einen schwer zu knackenden Holländer bekam er vorgesetzt, in welchem Geduld sehr wichtig war. Im richtigen Moment erzeugte er ein Ungleichgewicht in der Bauernstruktur, auch wenn Schwarz dafür einen scheinbar starken gedeckten Freibauern erhielt. Die Springer und Damen wurden getauscht, mit energischem Spiel brach Niko die schwarze Bauernkette auf, einer von ihnen ging verloren, wodurch unser Mann im Vorteil war. In der Folge war Niko es, der nicht präzise genug spielte. Er ließ seinen Gegner ins Turmendspiel entkommen und die alte Weisheit schlug wieder zu, die Partie ging remis aus. Nichtsdestotrotz bedeutete das den Mannschaftssieg!

Der Älteste durfte wieder mal am Längsten spielen, das kannten wir schon von der letzten Saison beim Spiel gegen Bebenhausen, als Ulrich Schulze Georg Braun in einem Damenendspiel mühsam niederrang. Hier war er es jedoch, welcher ziemlich mit der Stellung rang. Auch Alexander Häcker zeigte sich bestens vorbereitet, er blitzte bis Zug 20 eine Caro-Kann-Hauptvariante herunter, während Ulrich ab Zug 15 ins Nachdenken kam – „beim 15. Zug schon nachzudenken, da hört die Theorie ja noch gar nicht auf!“, meinte er nach der Partie. Es kam zu einem typischen Endspiel für die Variante, in welchem Weiß eine Mehrheit am Damenflügel hatte, während die schwarze Königsflügelmehrheit durch den Einengungsbauern auf h5 praktisch wertlos war. Schließlich kam es zu einer unangenehmen Verteidigungsaufgabe. Ulrich musste seinen Königsflügel hergeben, reduzierte das Bauernmaterial dafür auf einen einzigen weißen Bauern und erreichte passend den Remishafen:


Würde der weiße König auch nur ein Feld weiter vorne stehen, auf c7, wäre die Stellung total verloren, da Ulrich das kritische Feld c7 nicht abdecken könnte. Solche Stellungen findet man zuhauf in diversen Endspielbüchern, welche dies bestätigen – der schwarze Läufer hat nur eine Diagonale zum Operieren, da die „Diagonale“ b8-a7 viel zu kurz ist. Ein möglicher Einfluss des Läufers von h2 aus könnte aber einfach abgeschirmt werden.

Jedenfalls wurden auch an Brett 1 die Punkte geteilt, der Kampf ging 5:3 für uns aus. Man muss so ehrlich sein und sagen, dass unser Sieg erwartungsgemäß war, da wir durch den Einsatz von sieben der acht Top 8-Spieler an sechs von acht Brettern klar favorisiert waren. Jedoch ist nicht zu ignorieren, dass die Wolfbuscher merklich ersatzgeschwächt waren und einen guten Kampf lieferten, da werden die anderen Mannschaften umsichtig agieren müssen. Vielleicht nehmen wir da die Überteams aus Jedesheim und Weiler heraus, wobei wir nicht ignorieren dürfen, dass letzte Saison Jedesheim gegen den designierten Absteiger Erdmannhausen verloren hat…vielleicht gab es an der württembergisch-bayrischen Grenze deshalb noch namhafte Neuzugänge/Rückkehrer wie IM Krassowizkij.

Eine lange Pause gibt es nicht, es geht direkt am übernächsten Wochenende weiter mit einem Auswärtsspiel (wo ist der Kotz-Smiley?) bei Weiler und wiederum drei Wochen danach empfangen wir die andere Übermannschaft aus Jedesheim. Letzte Saison konnten wir Weiler einen Punkt abtrotzen und verloren nur knapp gegen Jedesheim, dafür haben sie jetzt ordentlich aufgerüstet, um die drittbeste Mannschaft der Oberliga (*zwinker*) endlich mal eindeutig besiegen zu können.
Apropos „drittbeste Mannschaft“, in der äußerst aussagekräftigen Tabelle stehen wir aktuell auf Platz 3 und da zwei Mannschaften immer noch null Punkte haben, können wir beruhigt in die nächsten Spiele gehen.

Erste.


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