Willkommen im Sammelsurium der vergebenen Chancen

Wer gedacht hat, dass die vom Nikolaus-Jugendopen massiv gebeutelten Leute sich eine Ruhepause gönnen durften – denkste! Zumindest ein nicht-unerheblicher Teil war heute, direkt am Tag danach, in der Liga im Einsatz. Es spielten die dritte Mannschaft zuhause gegen Öhringen 2 – hier waren gleich fünf Leute dabei, welche ganztägig beim NJO aushalfen – und die erste Mannschaft in Böblingen. Bei uns waren es nicht viel weniger Spieler, die noch geschlaucht vom Vortag waren, und zwar ganze vier Leute.

Bei der Dritten sah es zwischenzeitlich gut aus. Gegen den Aufstiegsaspiranten gelangen Andreas Usov und Maximilian Breitenbach zwei Siege, während Jonas Dudt ein Remis holte und zwei weitere Spieler leider verloren. Dieser Zwischenstand wurde auch mit Optimismus übermittelt, leider lief danach nicht wirklich etwas zusammen und das Team verlor 2,5-5,5. Dennoch kann man bis jetzt trotz eines negativen Punktekontos durchaus zufrieden mit der Saison sein.

Dritte Mannschaft.

Unser Spiel war zunächst von einigen Holprigkeiten geprägt. Kurzfristig entschlossen sich Niko, Thomas und ich, nicht den Umweg über das DGB-Jugendheim zu nehmen, sondern direkt nach Böblingen zu fahren, womit wir unseren Kollegen wohl etwas zu sehr vertrauten. In Ermangelung einer Kontaktmöglichkeit wussten Jürgen, Ulrich und Robin nicht so Recht, was sie den tun sollten. Wer könnte ihnen es auch verdenken, lautete unsere Absprache doch anders?
Meine Kompanie kam dann auch gemütlich um 9:45 am Mercure Hotel an. Das zweite Auto jedoch war weit und breit nicht zu sehen. Bis die Uhr 10:15 anzeigte, mussten wir bangen und wurden schlussendlich doch erlöst. Mit einer leicht säuerlichen Miene (sorry!) gingen unsere „Zuspätkommer“ dann ans Brett und los ging es!

Eine gewisse Zeit lang passierte relativ wenig, zumindest an den meisten Brettern. Bei Robin beispielsweise ging es hoch hinaus, sein schwarzer König war schon nach knapp 20 Zügen auf f6 gestrandet. Da schien es wenig zu bringen, dass er sich am Vortag ausruhen konnte.
Robin wäre aber nicht Robin, wenn er nicht bis zum absoluten Schluss spielen würde. Mit zwei Bauern weniger und ungleichfarbigen Läufern gelang ihm der Damentausch, womit das Ganze ja nur eine „Sache der Technik“ sein sollte. Robin schaffte es jedoch, seine Figuren zu aktivieren und plötzlich war Weiß nur noch dabei, das unmittelbare Ende durch das Geben von Material hinauszuzögern. Als der weiße b-Bauer bei einer Minusfigur endgültig gestoppt war, fuhr Robin seinen vierten Saisonsieg ein. Starke Bilanz!

Robins Punkt war hier der Ausgleich, zuvor verlor Eberhard. In einem Grünfeld-typischen Endspiel opferte Eberhard einen Bauern für etwas Kompensation. Auch hier waren ungleichfarbige Läufer ausschlaggebend – Eberhard verpasste den richtigen Moment, in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern und einem Turmpaar abzuwickeln, in dem Weiß jedoch keinen Freibauern gehabt hätte. Stattdessen wartete Eberhard zu lange und im in der Partie entstandenen Turm-Läufer-Endspiel konnte Weiß den schwarzen Königsflügel entblättern, der schwarze a-Freibauer war wertlos.

Ein seltenes Gefühl bescherte uns Thomas bei seinem ersten Einsatz. Sein Gegner wählte einen etwas dubios aussehenden Aufbau gegen Thomas‘ geliebten Larsen. Nur eine einzige Möglichkeit gebend, erreichte Thomas ein Endspiel mit zwei Mehrbauern, in dem sein Gegner mit seinem Läuferpaar nur den Hauch einer Kompensation hatte. Wie es so üblich bei jedem ist, kam bei der Verwertung etwas Larifari ins Spiel, jedoch konnte Thomas schlussendlich gewinnen und uns das seltene Gefühl einer Führung geben.

Jürgen konnte die Führung zunächst halten. Mit Weiß erreichte er aufgrund seines Raumvorteils im Zentrum und seiner halboffenen h-Linie eine schöne Druckstellung. Der quasi rückständige Bauer auf h6 sah wie ein schönes Angriffsziel aus. Im Mittelspiel wurde es dafür chaotisch und sein Gegner konnte eine Figur für ganze vier Bauern opfern. Durch die Anwesenheit von Damen und zwei Turmpaaren war die Messe aber noch lange nicht gelesen. Jürgen gab die Figur zurück, um den Bauernschutz des schwarzen Königs völlig zu zertrümmern. Scheinbar verpasste Jürgen an einer Stelle den Gewinn, als er seinen Turm nicht sofort auf die 3. Reihe brachte, um nach b3 mit Schach zu schwenken, jedoch war das Ganze durch die leicht entblößte Lage des weißen Königs nicht ganz so einfach, daher kein Vorwurf an Jürgen, dass es nur zum Remis reichte.

„Cheffe“ Christian erwischte keinen besonders guten Tag, man merkte ihm die Erschöpfung durch die Turnierleitung des NJO an. Sein Spiel war wie sonst grundsolide, er ließ sich jedoch etwas zu sehr in eine passive Stellung drücken. Dennoch holte Weiß zunächst nur den symbolischen Vorteil des besseren Läufers heraus. Ohne c- und e-Bauern standen sich Bauern auf d4 und d5 gegenüber, Christians Läufer stand auf b7, der weiße dafür auf d3. Somit dachte ich mir nichts Böses und wurde kalt erwischt, als Schwarz nur wenige Minuten später ein Bauer auf a7 fehlte. Die Verwertung dieses Vorteils ließ Christian sich noch zeigen, es war aber nie wirklich etwas zu retten. Somit glichen die Böblinger bei drei umkämpften Partien aus.

Ulrich konnte erst letztens einen Schwarzsieg feiern und hatte davor Mark Kvetny kurz vor der Aufgabe, also schien ja die Zeit reif für den ersten Weißsieg? Seine Stellung nach der Eröffnung sah dieses Mal nach einem großen Nichts aus, keine Spur auf Vorteil erkennbar, zumindest für meine müden Augen. Das nahm sein Gegner dann zum Anlass, die Initiative zu ergreifen und sprang mit seinem Springer in der Benoni-Struktur nach d3 rein. Wie Ulrich selbst sagt, sind Springer auf der dritten bzw. sechsten Reihe sehr mächtig – auch hier stellte sich seine Weisheit (leider) als wahr heraus. Ulrich konnte erstmal nur Scheindrohungen aufstellen, während sein Gegner das weiße Zentrum entblätterte und auch noch den König ins Visier nahm. Mit beginnender Zeitknappheit fand Schwarz aber nicht mehr die besten Züge und gab eine Figur, sodass Ulrich mit zwei Figuren gegen einen Turm und bedrohliche Freibauern spielte. Sein Gegenspiel mit Turm, Springer, Läufer und, am Wichtigsten, König (!), wäre gegen den in der Ecke eingeklemmten schwarzen König tatsächlich ausreichend zum Remis, jedoch fand Ulrich die besten Züge nicht mehr und verlor.

Diesen erneuten Rückstand konnte Niko ausgleichen. Einen Holländer behandelte er mit Weiß etwas zahmer und verzichtete auf c4, zudem ließ er Schwarz zu e5 kommen. Nach e7-e5 stemmte er sich mit e2-e4 dagegen und übte mit einer zentralen Figurenaufstellung unangenehmen Druck gegen das lockere schwarze Bauernzentrum e5/f5 aus. Letztendlich verpasste Niko seinem Gegner einen sehr schwachen isolierten Bauern auf e4, den er nicht halten konnte und aufgab. Bei der Verwertung ließ Niko keine Zweifel aufkommen und ließ seinem Gegner keine wirkliche Chance mehr. Er behielt seinen Mehrbauern, tauschte genug Figuren ab und marschierte mit seinem König unaufhaltsam ein, das alles war dann zu viel des Guten. Ausgleich!

Folglich stand es 3,5-3,5 und einer konnte zum Helden werden…ja, wer aufgepasst hat, weiß, dass nur meine Partie noch nicht erwähnt wurde. Tatsächlich spielte ich am Längsten, was natürlich aufgrund des NJO mit abschließendem Essen beim Italiener ziemlich undankbar war. Und wie sollte ich zum Helden werden, hatte ich noch keine Partie in dieser Saison gewonnen?
Ich bekam zum dritten Mal 1. Sf3 + 2. c4 vorgesetzt – in meiner vierten Schwarzpartie hatte ich 1. Sf3 2. g3 auf dem Brett. Hiermit bitte ich meine zukünftigen Gegner, damit aufzuhören, weil mir sonst wirklich langweilig wird.
Jedenfalls hatte ich dank der Ideen eines russischen Super-GMs keine wirklichen Probleme in der Eröffnung (wirklich Jungs, lasst dieses Sf3 + c4 gegen mich!) und konnte im Mittelspiel den nominellen Vorteil Läufer vs. Springer für mich beanspruchen. Auf Basis eines Grundreihenmatts konnte ich den weißen König ins Offene locken, musste dafür jedoch meine Bauernstruktur am Damenflügel zerstören lassen. Mein dynamischer Vorteil erwies sich als wichtiger und insgesamt ging ich mit einer 4-gegen-2-Mehrheit am Königsflügel aus dem Wirrwarr heraus, während der weiße Freibauer auf b2 eher ein Kind von Traurigkeit war. In Zeitnot ließ ich nichts anbrennen, bis es dann zur partieentscheidenden Situation kam (nach dem 52. Zug von Weiß):

Ich bin natürlich Schwarz!

Ich bin natürlich Schwarz!

Ich meine, in einer Blitzpartie würde ich sofort …hxg2 ziehen, mit ziemlich sicherem Gewinn. Wenn wir ehrlich sind, würde jeder hier …hxg2 spielen. Nach dem Motto „Patzer sieht Schach…“ (ihr kennt den Rest) spielte ich …h2+?? und gab meine gesamten Siegchancen komplett aus der Hand. Dass ich dann auch noch f7 einstellte, war die Krönung, aber das gefährdete das Remis auch nicht wirklich und mein Gegner war letztendlich auch froh, dass er da noch rauskam.

4-4 in Böblingen heißt es, ein weiterer nicht ganz erwarteter, jedoch im Großen und Ganzen völlig verdienter Punkt. Da Sontheim, Erdmannhausen und auch noch Stuttgart (die wollen ja nicht wirklich absteigen, oder?) allesamt verloren, haben wir vor ebenjenen Mannschaften sogar einen ganzen Mannschaftspunkt Vorsprung, bei noch zwei ausstehenden direkten Duellen. Die Formel ist also einfach: „einfach“ gegen Erdmannhausen und Sontheim gewinnen und es sieht sehr gut aus, aus der 2. Liga sollte nämlich niemand in unsere Oberliga absteigen.
Am 15. Januar 2017 (wie, schon 2017? Ich werde alt) haben wir das erste dieser beiden schicksalhaften Duelle, zuhause gegen Erdmannhausen.

Erste Mannschaft.

Jetzt heißt es erstmal ausruhen…

Enis Zuferi


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