Über wen lacht die Sonne, über wen die ganze Welt?

Ende letzten Jahres ließ man fast beiläufig eine ziemliche Bombe platzen. Hatte Sven Noppes noch beim 19. Neckar-Open 2015 von den 20 Jahren Arbeit geschwärmt, die dem Open zugrunde lagen, so wirkte es auf den ersten Blick komisch, dass gerade die Jubiläums-Ausgabe nicht mehr in Deizisau stattfinden sollte. Dass das Turnier ab sofort als GRENKE Chess Open in Karlsruhe weiter existieren sollte, war aber dennoch aus vielerlei Gründen ein logischer Schritt, wenn man die Hallenkapazitäten (Gemeindehalle Deizisau und Schwarzwaldhalle Karlsruhe) sowie die Sponsoren in Betracht zieht – Wolfgang Grenke mag unser Spiel.

Aus allerlei Richtungen strömten fünf Musketiere in Richtung Kongresszentrum Karlsruhe – Patrick Wenninger hatte es als Neu-Karlsruher Student perfekt, Thomas Tschlatscher, Marcel Mikeler und ich kamen aus Heilbronn und Christian Biefel überschritt sogar zwei Landesgrenzen (Bayern -> Württemberg -> Baden :P). Christian und Marcel waren eher schüchtern und spielten im B-Open, während der Rest im A-Open sein Glück versuchte. Im Folgenden werde ich eine Gesamtübersicht der einzelnen Schicksale auflisten, da es einerseits keine herausragenden Ergebnisse gab, andererseits kann ich mich nicht an jede Runde bei jedem Spieler erinnern (ja, ich bin sehr viel rumgelaufen…).

Eine Sache blieb trotz des Umzugs nach Karlsruhe gleich: Es wird weiterhin nicht mit dem im Prinzip überall benutzten Fischer-Modus gespielt. Gerade für uns eine massive Umstellung, da wir den Modus bereits von der Liga gewöhnt sind. Zum Beispiel war meinen Kollegen nicht bekannt, dass eine Umstellung des Zeitmodus auf den „Bronstein/Delay“-Modus (die eigene Zeit läuft erst nach einer Verzögerung) reklamiert werden kann, sobald man selbst weniger als zwei Minuten hat in der Endspurtphase. Diese Regel wurde sogar angewandt bei der Partie von Arkadij Naiditsch gegen Lev Yankelevich, als Lev mit der zusätzlichen Zeit seine ausgeglichene Stellung halten konnte, was die Ex-Nummer 1 Deutschlands sichtlich verärgerte. Details des Wortgefechts (Betonung liegt auf „Gefecht“) mit den Schiedsrichtern werden hier mal nicht genannt.
Auch dass die Notationspflicht nicht kontinuierlich besteht, ist bei vielen wohl in Vergessenheit geraten. Meine Gegner schreibten trotz Endspurtphase manchmal noch mit. Kurios war ein Fall aus der letzten Runde, als die 50 Züge-Regel reklamiert wurde und der Mitschrieb eines Helferleins als Beweis dienen sollte, da beide Spieler schon länger nicht mehr mitgeschrieben haben Letztendlich wurde dem Antrag nicht stattgegeben…
Kommen wir zum Geschehen.

B-Open (308 Teilnehmer)
Unser diabolisches Duo zeigte sich fast durchweg in positiver Form und erzielte dementsprechend gute Ergebnisse.
Marcel legte furios los und schlug mit Marc Gibicar in Runde 3 (trotz verkorkster Mittelspielphase) einen deutlich höher gewerteten Gegner. Leider brach Marcel dann ein – aus welchen Gründen auch immer – und holte in den Runden 4-6 nur einen halben Punkt, trotz teilweise vielversprechender Stellungen. In Runde 7 gewann er und in Runde 8 riskierte er um des Sieges willen Kopf und Kragen, als er eine Zugwiederholung ausschlug und dafür in ein wahrscheinlich klar verlorenes Turmendspiel überging. Hier profitierte Marcel dann einfach von mangelnder Erfahrung seiner Gegnerin und rettete sich mit Bauer gegen Turm. In der letzten Runde remisierte er noch gegen den Erstgesetzten und beendete ein gutes Turnier mit 5,5 Punkten auf dem 57. Platz.

Auch Christian erreichte 5,5 Punkte mit ähnlich gutem Spiel wie Marcel. Auch ihm gelangen Coups gegen eindeutig höher gewertete Spieler, insgesamt spielte Christian aber solider und hatte keine Phasen des kompletten Leistungseinbruchs. Manchmal fand er in relevanten Stellungstypen nicht die besten Pläne, was auch zu seiner einzigen Niederlage führte. In schlechten Stellungen zeigte er eine bewundernswerte Zähigkeit und rettete so vereinzelte Partien zum Remis. Aufgrund der Buchholz-Wertung landete er hinter Marcel auf dem 70. Platz, wird sich aber ebenfalls über ein gutes Rating-Plus freuen können.

A-Open (566 Teilnehmer)
Alleine ca. 150 GMs und IMs sowie zahlreiche FMs sollten genug Motivation sein, um gut zu spielen. Jedoch präsentierten sich Patrick, Thomas und ich nicht als teuflisches Trio, um an das diabolische Duo anzuschließen, sondern größtenteils eher als „Trantüten-Trio“.

Patrick erwischte gleich mal den Ex-Neckarsulmer Philipp Müller. Für diese Partie hätte man nicht unbedingt nach Karlsruhe fahren müssen. Im Vergleich zu ihrer letzten Partie, in der Patrick sehr gute Gewinnchancen hatte, spielte Philipp eine andere Variante und schob Patrick gründlich zusammen. Als Belohnung hatte Patrick gleich mal spielfrei (da Leute aus dem Turnier ausstiegen, gab es hin und wieder mal spielfrei). Patrick hatte generell einen schweren Stand im Turnier mit einer extrem niedrigen Setzlistenposition, schlug sich aber wacker. Gegen einige 2100er-2200er hatte er sehr gute Stellungen, konnte diese aber nicht alle zum Sieg verwerten. Natürlich wurde er auch manchmal eingedost, jedoch lässt sich das nicht immer vermeiden. Mit 3,5 Punkten und einem 423. Platz kann Patrick durchaus zufrieden sein, auch er wird ein ansehnliches Rating-Plus verbuchen können.

Kommen wir damit zu den Rating-Verlieren.

Besonders hart hat es Thomas erwischt. Generell zeigte Thomas sich seit seinem Comeback in guter Verfassung, was zum Beispiel durch seine starke Landesliga-Saison gezeigt wird und insbesondere (Achtung Ironie) durch seinen Sieg im KO-Pokal gegen mich. Nun wollte er sein Können auch gegen die Titelträger dieser Welt zeigen. Es fing an sich auch sehr gut an. In der ersten Runde bekam er gleich einen FM mit 2343 Elo vorgesetzt und hatte Weiß. Im Laufe der Partie überspielte Thomas seinen Gegner immer mehr und krönte sein Spiel mit einer Kombination, in der er zwei Figuren für einen Turm eroberte. Aufgrund von Zeitnot ließ er Gewinnmöglichkeiten verstreichen und kam „nur“ in ein klar besseres Endspiel. Hier rächte sich leider dann das mangelnde Regelwissen. Thomas wusste nicht, dass eine Umstellung des Zeitmodus reklamiert werden konnte, auch wenn dies zum Remis führen würde. Die Entscheidung seines Gegners, ihn komplett auf Zeit zu zocken, ist keineswegs schönzureden, aber das hätte vermieden werden können. Thomas stellte eine Figur ein und verlor eine Partie, die er aus Gründen der Gerechtigkeit nicht verlieren sollte.
Der Rest des Turniers lief, möglicherweise auch aufgrund dieser Erfahrung, sehr schlecht für Thomas. Zwar erreichte er noch einige perspektivreiche Stellungen, konnte davon aber kaum eine verwerten. 2,5 Punkte und der 538. Platz sind das bittere Ergebnis, von dem er sich schnell wieder erholen sollte.

Der Esel nennt sich stets zuletzt.
Nach der ziemlich starken letzten Saison bin ich etwas ins Stocken geraten und diesen Fluch wollte sich mal brechen. Das Neckar-Open lief generell nie besonders gut für mich, vielleicht mal das GRENKE-Open in Karlsruhe? In der ersten Runde rutschte ich um 16 Bretter an Top-GM Chao Li (2750) vorbei und musste mich einer Pflichtaufgabe stellen, die ich auch erfüllen konnte. Die Titelträger ließen aber nicht lange auf sich warten und so wartete eine Frau mit „männlichem“ IM-Titel auf mich in Runde 2. Einige Zeit hielt ich gut mit, aber sie behandelte die Stellung einfach besser als ich und behielt in Zeitnot und taktischem Geplänkel den Überblick. In Runde 3 ließ ich mich völlig unnötig von einer jungen Spanierin (~1930 Elo) vernichten, wonach das Turnier im Prinzip gelaufen war und ich nur mein Elo-Minus klein halten wollte. Runde 4 lief holprig, aber im Endspiel konnte ich einen Sieg ausquetschen und in Runde 5 konnte ich eine scharfe Theorievariante am Brett finden und mit etwas Mithilfe meines Gegners leicht meinen Materialvorteil (zwei Figuren gegen Turm) kondensieren.
Umso motivierter war ich dann, trotz Zeitumstellung, als ich in Runde 6 wieder gegen einen stärkeren Spieler antreten durfte. Einen sehr scharfen Königsinder überlebte ich zunächst und hatte sogar Stellungsvorteil, da mein Gegner mir das Feld e4 gab und nicht sofort zurückgewinnen konnte. Mit beginnender Zeitnot reagierte ich aber falsch auf eine positionelle Drohung und ließ zu, dass er mein Läuferpaar halbieren konnte. Die Alternative, ihm einen gedeckten Freibauern auf e5 zu geben, schmeckte mir nicht; leider eine Fehleinschätzung, die Kontrolle über e4 zu halten, war viel wichtiger. Danach verstand mein Gegner es, die Stellung für sein Läuferpaar zu öffnen und er nahm meinen König ins Kreuzfeuer.
Als „Belohnung“ wartete ein starker IM auf mich, welcher aktuell sogar Bundesliga spielt. Er blitzte die Eröffnungszüge herunter, während ich mich zurechtfinden musste (eine Vorbereitung ist bei vier Doppelrunden praktisch konstant unmöglich), doch schaffte ich es, seine Initiative am Königsflügel durch Zentrumsspiel zunächst einzudämmen. Leider hatte ich mal wieder eine einzige Fehleinschätzung, die mich langfristig die Partie kostete. Beschleunigt wurde die Niederlage durch einen Bauerneinsteller aufgrund von Unkonzentriertheit. Damit ging dann gar nichts mehr und er verwertete seinen Vorteil sicher.
Damit blieb endgültig nur noch Schadensbegrenzung. Als in Runde 8 ein symmetrisches, damenloses Mittelspiel auf dem Brett stand (leider kann man als Schwarzer sowas manchmal nicht vermeiden), freute ich mich natürlich sehr, da dies exzellente Gewinnchancen bietet. Aber ich merkte, dass mein Gegner, ein junger, talentierter Schweizer, einfach noch etwas Erfahrung sammeln muss, da er ein paar weniger glückliche Entscheidungen in der Partie traf. So kam ich in entscheidenden Endspielvorteil und berappelte mich wieder.
Auch die letzte Runde hielt für mich ein junges Talent bereit und auch er traf positionell fragwürdige Entscheidungen. Ich gewann einen Bauern, er zeigte sich aber sehr zäh und verteidigte, wo er konnte. Letztendlich gewann ich im Turm-Läufer vs. Turm-Springer-Endspiel den sehr wichtigen a-Bauern und ließ nicht zu, dass sein Springer sich opferte, wodurch ich die Partie dann auch gewann. Nur -8 Elo, aber bald sollte es mal wieder aufwärts gehen. Mein 231. Platz war immerhin besser als mein Setzlistenplatz.

Fotos gibt es zwar nicht, aber bald werden wir (hoffentlich) ein Video vom Abschluss des Opens sehen… 😉


Schreibe einen Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Kommentare sind moderiert und werden in der Regel innerhalb eines Tages freigegeben. Sollte es länger dauern, haben wir den Kommentar entweder übersehen oder der Spamfilter hat zugeschlagen. In diesem Fall bitten wir um eine kurze E-Mail an webmaster@schachverein-heilbronn.de.