SV Marbach I – Heilbronner SV I 1.5:6.5 — 5 aus 5! Manita!

Wir schreiben den 12.01.2014, einen Sonntag. Um genau 8.00 Uhr verlasse ich meine Wohnung. Es ist kalt, sehr kalt. Die Scheiben meines Autos sind nämlich vereist. Vor lauter Nebel sehe ich nicht einmal das Schlüsselloch der Autotür. Trotzdem schaue ich mich um und sehe nur geschlossene Rolladen. Kein Wunder, denn jeder durchschnittliche Mensch schläft noch. Schließlich ist es Sonntag, der letzte Tag des geliebten Wochenendes. Wie wir aber alle wissen, sind Schachspieler keine durchschnittliche Menschen. Kurioserweise gibt es unter den Schachspielern selbst genug Leute, die sich sogar als „unnormal“ bezeichnen (ich nehme mich da mal nicht raus). So treffe ich um 8.20 Uhr am DGB ein und treffe auf fünf weitere Leute, die so unglaublich ausgeschlafen und motiviert wie ich scheinen. Besonders bei Simon zeigt sich dies, da seine Fingernägel weinrot lackiert sind. Was das für eine Nacht von Samstag auf Sonntag gewesen sein muss, kann sich jeder selbst ausmalen.

Zum Auftakt im Kalenderjahr 2014 ging die Reise nach Marbach. Die Marbacher haben bis dato keine besonders gute Saison gespielt, jedoch haben sie nicht nur vom DWZ-Schnitt her eine starke Mannschaft, sondern auch in der letzten Saison den Aufstieg in die Verbandsliga mit einem 3.5-4.5 gegen Erdmannhausen II in der letzten Runde denkbar knapp verpasst. Somit war jedem klar, dass diese Runde alles andere als ein Selbstläufer werden würde.
Nach ca. 35 Minuten Fahrt in meinem schicken roten Cabrio kamen Simon, Tobias und ich glücklich in Marbach an. Jürgen, Robin und Marcel waren im anderen Auto, während Ramin (aus Stuttgart Leingarten) und unser Mannschaftsführer Julian (aus Tübingen) direkt anreisten. Dabei machte ich von dem „Privatparkplatz“ eines Dönerladens Gebrauch, welcher sich direkt neben dem Spiellokal befand. ‚Wird schon nichts passieren‘, dachte ich mir…

Beim Eintritt in den Spielraum wurden wir gleich angenehm überrascht: der Marbacher Mannschaftsführer, Andreas Meschke, teilte uns mit, dass wir an den Brettern 7 und 8 kampflos gewinnen würden. Aber damit nicht genug, nachdem bei Brett 7 „entfällt“ eintragen wurde, tauchte das Brett 7 der Marbacher ohne Vorankündigung doch auf! Leider (ein erkämpfter Punkt ist ideell gesehen einfach mehr wert als ein kampfloser) blieb ihr Mannschaftsführer bei seiner Entscheidung, das Brett 7 ausfallen zu lassen, wodurch wir von Anfang an 2-0 führten. Marcel und Tobias spielten dann aus Spaß gegeneinander eine lange Partie, bei der Tobias zeigen konnte, warum er ein Brett vor Marcel spielen darf. Nach langem Kampf konnte er Marcel nämlich in einem Turmendspiel bezwingen. Immerhin durfte Marcel einige Punkte in anschließenden Spaßpartien machen, was natürlich erfreulich ist.

Der kampflosen Partien war jedoch nicht genug: das Brett 5 der Marbacher, Uwe Jazeschen, erschien einfach nicht. Somit konnte unser Mannschaftsführer seinen ersten Sieg mit Weiß verbuchen! Damit dürfte der Bann der Sieglosigkeit endgültig gebrochen sein, wodurch wir für die letzten vier Runden sicher noch einige Punkte von Julian erwarten dürften. (PS: nimm’s nicht persönlich :P) Für den Rest des Tages beschäftigte sich Julian mit einer endlos scheinenden Hausarbeit für sein Seminar im Referendariat. Hoffentlich muss ich nicht solche ewig langen Dokumente erstellen, wenn es bei mir mal so weit mit dem Referendariat ist…

Mit einem 3-0 im Rücken nach einer halben Stunde schien der Sieg, anders als erwartet, nur noch Formsache zu sein. Dies schien sich nach drei Stunden auch zu bestätigen: Simon erhöhte zum 4-0. Wieder musste er mit Schwarz spielen (Brett 6) und mal wieder wurde es ein Königsinder. Weiß (Jürgen Klemm) baute sich aber sehr zurückhaltend mit Doppelfianchetto seiner Läufer und zahmen Bauernvorstößen im Zentrum auf, was Simon keine großen Probleme bereitete. Leicht glich er im Verlauf der Partie aus. Als sich das Zentrum öffnete, stellte sein Gegner einen Bauern ein, zusätzlich wurden drei Leichtfigurenpaare abgetauscht. Als sein Gegner ohne Notwendigkeit einen zweiten Bauern hergab, blieb Simon nur noch die Aufgabe übrig, die restlichen Figuren abzutauschen. Ein Figureneinsteller seitens Simons Gegner markierte daraufhin das Ende der Partie.

Da drei Stunden bereits vorbei waren, ging es sehr bald in die Zeitnotphase. Plötzlich erschien der Besitzer des Dönerladens im Spiellokal und forderte Jürgen und mich vehement auf, umzuparken, da er sonst die Polizei rufen würde. Ziemlich unpassend, wenn sowohl Jürgen als auch ich in einer komplizierten Stellung Zeitnot haben. Julian konnte eine halbe Stunde Zeit herausholen, was gerade so ausreichte.

Apropos Jürgen: unser Topscorer ging weiter seinen Weg, seine 100% Punkteausbeute waren auch heute an Brett 4 nicht in Gefahr. In der Vorstoßvariante der Französischen Verteidigung tauschte sein Gegner, Jörg-Stefan Rabl, auf c5 ab, was ich bis jetzt nicht so oft gesehen habe und auch als suboptimal erachte. Durch eine eine kleine taktische Gelegenheit konnte Jürgen seinen Bauern d5 vorbei am weißen Bauern c3 und wandelte ihn in einen mächtigen Freibauern auf d3 um. Wie stark dieser den Weißen einschränkte, kann man sich vorstellen, wenn man sich vor Augen führt, dass die weißen Springer auf d2 und e1 stehen mussten, um zusammen mit der Dame auf b1 und einem Turm auf c3 den mutigen Bauern zu stoppen. Im Austausch für den Bauern erhielt Jürgen einen guten Königsangriff, wobei – ironischerweise – der schlechte französische Läufer eine entscheidende Rolle spielte, da er auf der langen Diagonale zusammen mit der schwarzen Dame den weißen Königsflügel auseinandernahm. Nach knapp über vier Stunden ergab sich Jürgens Gegner dann, da er seine Dame für den starken Läufer auf f3 geben müsste:


Damit war der Kampf bereits gelaufen, denn nun stand es 5-0. Die Partien blieben trotzdem spannend.

Ramin fand sich gegen Martin Ramsauer mit Weiß an Brett 3 in einem Alapin-Sizilianer wieder. Als er am Freitag einen kleinen Überraschungsbesuch beim Jugendschach machte, schauten wir uns dabei die wichtigsten Varianten an:
„Ja also, soweit ich weiß, spielt er nach 1. e4 c5 2. c3 den Zug d5, aber 2…Sf6 schauen wir uns auch mal an, da ich letztens in der Variante ziemlich eingegangen bin…“ Falsch gedacht. Nach 1. e4 c5 2. c3 wurde 2…e6 gespielt. Mit dem darauffolgenden 3. d4 d5 hätte Ramin mit 4. e5 in die Vorstoßvariante des Franzosen überleiten können, was er nicht wollte. Nach 4. exd5 erwartete er wohl 4…Dxd5, was dann die Hauptvariante des Alapin-Sizilianers mit 2…d5 wäre. Jedoch antwortete Schwarz mit 4…exd5, wodurch Ramin eine leicht vorteilhafte Isolani-Stellung erreichen konnte, da er zusätzlich die Dame und ein Leichtfigurenpaar abtauschen konnte. Konsequent spielte er darauf, den Isolani auf d5 zu erobern. Die Tatsache, dass ihm nach weiteren Abtäuschen sein weißfeldriger Läufer blieb, während Schwarz nur seinen schwarzfeldrigen Läufer behalten konnte, half Ramin natürlich bei der Eroberung des Isolanis, welche ihm auch gelang. Leider verbrauchte Ramin zu viel Zeit dabei, was sein Gegner ausnutzen konnte. Seine Figuren wurden deutlich aktiver als die weißen Gegenstücke, wodurch die Rückeroberung des Bauern nur noch Formsache war. Da der Mannschaftskampf ohnehin gelaufen war, wurde ein Remis vereinbart. 5,5-0,5 also.

An Brett 2 durfte ich mich mit Schwarz gegen Andreas Meschke beweisen. Da wir – auch damals hatte ich Schwarz – bereits vor drei Jahren gegeneinander spielen durften, kannten wir uns schon ein wenig. Mit 1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. c3!? brachte er mich damals in arge Bedrängnis und ich konnte nur durch Ungenauigkeiten in Zeitnot gewinnen. Dementsprechend beschäftigte ich mich zum ersten Mal ernsthaft mit der seltenen Variante und entdeckte dann mit 3…Sf6 4. h3 Sc6 5. Ld3 d5! einen netten Konter. Vorbereitete Varianten sind bekanntlich aber nur dafür da, nicht auf das Brett zu kommen und so stand ich nach 1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. Lb5+ vor der Wahl, meine gewöhnliche Variante mit 3…Sd7 zu spielen oder mal 3…Ld7 auszuprobieren, da ich doch erst letztens Georg Braun in dieser Variante besiegt hatte – da hatte ich jedoch Weiß. Trotzdem kannte ich mich in der Variante gut genug aus und konnte leicht ausgleichen. Die problematischste Stellung der ganzen Partie seht ihr im Folgenden:

Mit einem Stand von 6,5-0,5 blieb nur noch Robins Partie mit Weiß gegen Bernhard Lach. Robin eröffnete dabei mal wieder mit einer seltenen Variante (1. d4 d5 2. c3 Sc6 3. Lg5), woraufhin sein Gegner nur den Ausweg als am Besten ansah, den störenden Läufer auf g5 mittels seiner Königsflügelbauern zu vertreiben und ihn dann gegen seinen eigenen schwarzfeldrigen Läufer zu tauschen. Dabei wurden die schwarzen Bauern größtenteils auf weiße Felder festgelegt, was den weißfeldrigen Läufer von Schwarz etwas schlechter als Robins Springer auf c5 machte. Anstatt aber den schlechteren Springer auf c3 über e2 auf das starke Feld f4 zu überführen und Druck entlang der c-Linie zu machen, verfiel Robin kurz der Gier und schlug einen ungedeckten Bauern auf b5. Die Konsequenz war ein Angriff auf der a- und b-Linie seitens Schwarz, was im Verlust von Robins a-Bauern resultierte. Im Endspiel Turm+Springer vs. Turm+Läufer opferte Robins Gegner seinen Läufer, um den weißen Freibauern zu entschärfen und drei weiße Bauern am Königsflügel zu erobern. Trotzdem blieb die Stellung remis und so bot Schwarz indirekt ein Remis an, indem er eine Zugwiederholung einleitete. Robin jedoch wollte noch etwas weiterspielen und führte die Zugwiederholung nicht fort, was ihn ein entscheidendes Tempo und damit leider auch die Partie kostete. Bitter, jedoch im Anbetracht des Ergebnisses verkraftbar.

So verließen wir die Schiller-Volkshochschule mit einem 6,5-1,5 im Rücken. Das Ergebnis ist durch die drei kampflosen Partien natürlich ein gutes Stück verzerrt, jedoch gerieten wir auch bei den restlichen Partien kaum in größere Probleme. Es bleibt also nur zu sagen, dass wir unsere gute Form ins Jahr 2014 mitgenommen haben und beruhigt zum nächsten Spiel in Tamm blicken können, welches bereits am 02.02.2014 stattfinden wird.
Da Schwäbisch Hall in Ludwigsburg nur zu einem 4-4 kam, erhöhten wir nebenbei unseren Vorsprung an der Tabellenspitze auf zwei Mannschaftspunkte. Ein Unentschieden gegen die Hohenloher am 16.02.2014 (netterweise ist dieses Spitzenspiel sogar ein Heimspiel) bei Siegen gegen Tamm, Ludwigsburg und Neckarsulm wäre also schon ausreichend. Das ist aber viel, viel leichter gesagt als getan – wichtig wird weiterhin sein, dass jeder in der Mannschaft konzentriert bleibt.

PS: Wer sich wundert, was das „manita“ in der Überschrift bedeutet – es ist spanisch für „Händchen“ und bedeutet, dass wir praktisch die „volle Hand“ Siege nach 5 Spielen haben – besser geht es nicht. Der Begriff wurde beim 5-0-Sieg des FC Barcelona über Real Madrid im November 2010 populär.


Kommentare

SV Marbach I – Heilbronner SV I 1.5:6.5 — 5 aus 5! Manita! — 3 Kommentare

  1. Hi Enis,

    danke für den Bericht, vor allem die Einleitung ist wirklich gelungen; man beachte die Passage „Fingernägel [..] lackiert“ gefolgt von „kann sich jeder selbst ausmalen“ 🙂

    Ich selber habe im 25. Zug mal wieder taktisch geschlafen; mein Gegner hätte meinen Figurenknoten nach dem Bauerngewinn einfach mit 25… Txe3 zerschlagen können, was ihm Läufer und Springer gegen Turm und Bauer eingebracht hätte. So gesehen war es von mir wohl die richtige Entscheidung, am Ende das Remis anzunehmen (meine Engine beurteilt die Endstellung auch als ausgeglichen, aber dank der potentiell beidseitigen Freibauern hätte man das theoretisch schon noch ausspielen können).

    Jürgens Partie hat mir wirklich gefallen, daher habe ich mal das entsprechende Fragment eingebettet.

    Viele Grüße

    Ramin

    PS: Über Vergleiche mit FC Barcelona können wir uns nochmal genauer unterhalten, wenn wir die Bundesliga gewonnen haben 😉

  2. wie immer ein schöner Bericht von unserem ehemals verlorenen, jetzt erfolgreich zurückgekehrten sohn! nachdem ich gerade 2 stunden meine arbeit (jaa, sie ist fertig!) korrekturgelesen habe und vor lauter pseudowissenschaftlichem und pädagogischem geschwafel fast brechreiz kriege, war dieser bericht jetzt richtig erfrischend! 😉

  3. Kein Problem, der Sohn arbeitet gerne für den Verein.
    Ich muss ja meine Wette gegen Christian Biefel gewinnen, da kommt mir Erfolg grad recht 😛

    #Aufstieg2014 (auch (zukünftige) Lehrer müssen mit der Zeit gehen)

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