Kurz mal kaltgestellt

Nach Ramins Bericht über die Niederlage der Zweiten fehlt natürlich noch eine akkurate Inhaltsangabe über den Kampf unseres „Flaggschiffes“, dem Spiel der Ersten gegen die Stuttgarter SF. In den letzten Jahren hatten wir wechselhafte Ergebnisse gegen deren Zweit- sowie Drittvertretungen, dafür schlugen wir ihre erste Mannschaft überraschend mit 5:3 in der vergangenen Saison. Leider waren wir durch zahlreiche Absagen aller Art gepeinigt, wodurch unsere Siegchancen in der Theorie ziemlich niedrig standen, auch weil Stuttgart wie erwartet antrat.

Zusätzlich war ein Teil der Mannschaft noch mit Schlafmangel gepeinigt, da wir am Vorabend unsere Jahresfeier abhielten. Es gab wie immer kostenlose Getränke sowie Pizza, außerdem sorgten einige Begriffserklärungen (bzw. Erklärungsversuche) bei „Tabu“ mal wieder für Unverständnis und großes Gelächter. Für das anschließende Spielen von „Die Werwölfe im Düsterwald“ kann ich zukünftig nur empfehlen: bitte tötet mich nicht als Erstes! Und zeigt eure Karten nicht euren Nachbarn, das nimmt dem Spiel irgendwie den Spaß…

Sonntagmorgens war nicht aufgebaut – das hat die Dritte bei einem Doppel-Heimspieltag aber damals besser gemacht, liebe zweite Mannschaft – dafür begrüßte uns ein Zettel „Pizza im Kühlschrank“. Tatsächlich entschieden sich die Aufräumer bei der Jahresfeier, die Überreste der Pizza kaltzustellen. Für das Mittagessen war also gesorgt!

Der Einzige, der sein Mittagessen wohl pünktlich um 12 Uhr einnehmen konnte, war Robin. Irgendwie war bei ihm der Wurm drin, denn er verlor durch eine taktische Kleinigkeit, welche ihm normalerweise nicht entgehen würde. So pendelt Robin weiterhin zwischen Extremen (kein Remis in beiden Oberliga-Saisons), nach 15 Zügen stand es schon 0:1 gegen uns.
Leider war an den meisten Brettern kaum Besserung in Sicht. Simon Degenhard hätte in eine positionelle Druckstellung kommen können, in welcher er als Weißer einen typisch sizilianischen Springer auf d5 hätte etablieren können. Anstatt dieses Ziel konsequent zu verfolgen, verschwendete er zu viel Zeit damit, seinen Gegner in eine Stellung zu zwingen, welche ohnehin auf das Brett gekommen wäre. Diese Zeit nutzte IM Andreas Strunski zur Entwicklung dynamischen Gegenspiels mit seinem Läuferpaar und plötzlich fand sich Simon in einem verlorenen Turmendspiel wieder.

Bleiben wir mal beim Sizilianer, genau genommen gehen wir zur Alapin-Variante. Diese kam drei Mal aufs Brett, zwei Mal auf unserer Seite (Tobias Schmidt und Julian Bissbort), während Steffen Mages sich gegen den Alapin von Claus Seyfried erwehren musste. Aus meiner eigenen persönlichen Sicht als Sizilianisch-Spieler muss ich sagen, dass die drei Weißniederlagen belegt haben, dass die Alapin-Variante schnell an seine Grenzen stört. Für die Mannschaft waren die zwei Niederlagen jedoch nicht gut. Sowohl Tobias als auch Julian konnten nicht vermeiden, dass ihre Gegner sich schrittweise aus der positionellen Umklammerung befreiten. Nach Damentausch auf beiden Brettern verloren beide Weißspieler jeweils einen Bauern, Julian ganz klassisch auf e5, da er aufgrund von Zeitnot (Robin war schon weg, um ihn an seine Zeiteinteilung zu erinnern) nicht mehr die korrekte Verteidigung fand.
Bei Tobias war der Bauernverlust durchaus sehenswert:


Nach Damentausch Dxf5 gxf5 ist gar nicht so offensichtlich, dass der Bauer auf h5 sehr schwach ist, aufgrund der künstlichen Isolierung durch den schwarzen Bauern auf f5. Einen Weg zu finden, den einsamen Bauern auf h5 anzugreifen, kann Kopfzerbrechen bereiten, aber wenn man sieht, dass der schwarze König einfach hinlaufen kann (Lc3-d2 würde auch nur Material verlieren), dann muss man leicht schmunzeln, selbst wenn man den Heilbronner SV anfeuert.

Steffens Partie war überhaupt nicht wie die anderen (1. e4 c5 2. c3 e5!?), in der Folge gab er, zumindest aus meiner Sicht, ohne Grund sein Läuferpaar auf, was dem SVW-Öffentlichkeitsreferenten eigentlich einen stabilen Vorteil gab. Jedoch versuchte Weiß dann komische Pläne, opferte Bauern einfach so und riss seinen eigenen König auf. Dies konnte Steffen in der Folge gut ausnutzen, sodass er zu seinem ersten Oberliga-Sieg kam, noch einmal Glückwunsch dazu!

Nach Steffens Sieg war jedoch schon abzusehen, dass mehr „Einser“ nicht herausspringen würden. Jewgeni versuchte einen ähnlichen Aufbau gegen Englisch (Königsindisch-Style) wie Tobias Kölle gegen mich beim Pfalz-Open. Irgendwie wurde das aber nichts mit dem Gegenspiel am Königsflügel, er ließ sich am Damenflügel einfach von Igor Neyman überrennen. Zum Abschluss rollte Weiß die schwarze Ruine noch von den letzten beiden Reihen aus auf, welche er über den Damenflügel betreten konnte.
Ich kam zu meinem zweiten Duell (zumindest in einer langen Partie) gegen IM Mark Kvetny, dieses Mal mit vertauschten Farben. Er spielte wie erwartet 1. c4 und wählte nicht die kritischsten Varianten. Da mir selbst nicht nach einem Duell auf Messers Schneide war, ließ ich ihn etwas kommen, seinen Raumvorteil nutzte er jedoch nicht perfekt und so kam ich zu entlastenden Abtäuschen. Im entstandenen Endspiel flunkerte ich wegen des Spielstandes noch etwas, es war jedoch mehr aus Trotz, das Remis war unvermeidlich. Immerhin bleibe ich sowohl gegen Kvetny als auch in dieser Oberliga-Saison unbesiegt!

Nur Thomas Tschlatscher hätte noch etwas Zählbares herausholen können. Mit 1. b3 kam er erneut in eine Stellung, welche zwar objektiv in Ordnung für Schwarz war, jedoch dem Nachziehenden etwas Genauigkeit abverlangte. Diese ließ der Stuttgarter Mannschaftsführer vermissen, es kam zu einem Endspiel Turm + Läufer vs. Turm + Springer, in welchem Thomas den spürbaren nominellen Vorteils des Läufers genießen konnte. Nun sparte Thomas an der Genauigkeit, es kam zum klassischen Turm/Springer-Gegenspiel und die Partie endete in einem Dauerschach.

Endstand 2:6, so wie wir die Pizza am Vorabend in den Kühlschrank getan haben, so eiskalt haben uns die Stuttgarter kaltgestellt und unseren Schwindelchancen bezüglich eines Aufstiegs die kalte Schulter gezeigt…ihr versteht schon. Immerhin haben wir so Planungssicherheit bei unseren beiden Topmannschaften!

Erste.

Dafür können wir in den unteren Ligen vielleicht von mehr träumen. Heute, am 25. Februar, spielte die Dritte in Künzelsau und erkämpfte sich ein 4:4. Es gewannen Michael Eberhard, Uwe Bäuerle und Leonard Sawadski bei Remisen von Daniel Schäfer und Utz Kammerer. Zudem profitierte die Dritte von einer Niederlage von Verfolger Bad Friedrichshall, sodass der Aufstieg in die Bezirksliga nun komplett in eigener Hand liegt!

Dritte.


Kommentare

Kurz mal kaltgestellt — 2 Kommentare

  1. Hi Enis,

    danke für den Bericht. Leider hast du die schönste Erklärung des Tabu-Abends außen vor gelassen. Also jetzt nochmal für alle, die nicht dabei waren:

    Der Begriff Manitu sollte erklärt werden; nicht sagen durfte man unter anderem „Indianer“, „Schuh“, „Bully“.
    Also fragte Enis folgerichtig: „Gegenteil von Cowboy?“ – „Indianer!“ – „Richtig. Und jetzt ein bestimmter Indianer…?“
    Und dann alle Kinder unisono: „Indianer Jones!!“ …. 😀

    Grüße
    Jul

    PS. Dass die zweite Mannschaft unsere Bretter nicht mitaufbaut, war so abgesprochen.

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