Oh captain, my captain!

Gehen wir dieses im Jugend- und Erwachsenenbereich wegweisende Wochenende ausnahmsweise chronologisch an.

Samstag: Bezirksjugendliga Unterland
Unserer „Dampfwalze“ in der Bezirksjugendliga stellten sich dieses Mal die Jugendlichen aus Bietigheim-Bissingen entgegen. Wir konnten dank eines glücklichen Zufalls aus dem Vollen schöpfen und jeder konnte seine Leistung abrufen. Am Ende stand es mit Siegen von Severin Bühler, Jonas Dudt, Daniel Schäfer, Maximilian Breitenbach und Nikolas Sawadski 5:1 für Heilbronn. Der Vorsprung auf den zweiten Platz beträgt aufgrund der zeitgleichen Niederlage von Neckarsulm gegen HN-Biberach II nun sogar drei Punkte. Bei drei ausstehenden Spielen und der bisherigen Dominanz (alle Spiele mit mindestens 5:1 gewonnen) riecht es schon sehr stark nach Aufstieg in die Verbandsjugendliga.
2. Jugendmannschaft.

Samstag: BW-Jugendliga U20
Kommen wir damit zum glücklichen Zufall: Gestern spielte unser 1. Team nicht einmal. Weil der SC Eppingen mitten in der Saison seine Mannschaft zurückzog, entfallen alle Spieler der Eppinger gegen die anderen Teams der Liga. Somit hieß es zurücklehnen und beobachten.
Und es gab interessante Dinge zu sehen. So deklassierte Baden-Baden schon fast den letztjährigen Sieger der Liga und den aktuellen Deutschen Vereinsmeister U20 Sasbach mit 5,5:0,5. Auffällig war die mit Abstand schlechteste Aufstellung der Sasbacher in dieser Saison. Baden-Baden überholt uns damit und ist Zweiter nach Brettpunkten und wird aller Voraussicht nach den zweiten der drei Qualifikationsplätze für die DVM 2017 beanspruchen können.
Gut für uns: Walldorf wird sich nicht mehr einmischen können. Ein 3:3 gegen Hohentübingen nimmt ihnen alle Chancen, da sie einen Mannschaftspunkt Rückstand auf uns haben und in der 7. Runde ihr Spielfrei gegen Eppingen.
Extrem spannend bleibt es dennoch. Da Schwäbisch Gmünd 3,5:2,5 gegen Karlsruhe gewann, schließen sie nach Mannschaftspunkten zu uns auf. Zufälligerweise kommt es am 1. April bei der letzten Runde zum Duell Heilbronn – Gmünd zuhause im Robert-Mayer-Gymnasium. Um eine weitere Deutsche Vereinsmeisterschaft klarzumachen, darf dieses Finalspiel daher unter keinen Umständen verloren werden.
1. Jugendmannschaft

Sonntag: Oberliga Württemberg
Nach der vernichtenden Niederlage gegen Biberach (Riß) am 5. Februar hatten wir glücklicherweise eine spielfrei-bedingte längere Pause, in welcher wir freudig ansehen konnten, dass Biberach ebenso Sontheim/Brenz abfertigte, während Schmiden/Cannstatt knapp gegen Erdmannhausen gewann. Damit war klar: Gewinnen wir heute gegen Sontheim, haben wir den Klassenerhalt absolut sicher und können auch 2017/18 Oberliga spielen.
Viel haben zumindest wir über die Aufstellung der Sontheimer spekuliert, welche oft Probleme hatten, konstant acht Mann ans Brett zu bringen, wobei auch wir schon da unsere Erfahrungen machen mussten. Glücklicherweise gab es heute ein Duell 8 vs. 8 und keine Mannschaft hatte durch ein „Kampflos“ einen unfairen Vorteil. Da bei den Sontheimern die ersten zwei Bretter fehlten, war es auch Elo-mäßig insgesamt ein Duell circa auf Augenhöhe. Na dann mal los!

An Brett 1 gab es „business as usual“. Nach fast 13 Zügen wurde Remis in einem bekannten ausgeglichenen Endspiel vereinbart. Ulrich war es recht, weil er erst gestern vom chessOrg-Festival aus Bad Wörishofen zurückkam. Marc Lang war es recht, weil er in Schwäbisch Hall bei der Live-Übertragung der Schachbundesliga gebraucht wurde. Hier gibt es nicht mehr zu sehen, weiter zum nächsten Brett.

An Brett 7 kam Tobias zu seinem zweiten Einsatz. Der erfahrene Edwin Riefner versuchte ihn im symmetrischen Berliner Mauer-Mittelspiel mit Te1 statt d4 zu überspielen. Unter GMs gilt diese Variante als absolut tot, in der Praxis muss Schwarz mit dem komisch postierten Springer auf f5 minimal kämpfen. Tobias ließ sich einen Doppelbauern auf der c-Linie machen, löste dafür seine anderen Probleme. Im Springer vs. Läufer-Endspiel hatte Weiß zwar einen minimalen Vorteil, dieser war jedoch nomineller Natur. Dafür reichte eine Ungenauigkeit aus, dass Tobias in einer Verluststellung landete, die Verwertung machte dem Routinier keine Probleme.

Für den Ausgleich sorgte eine Premiere – unser Teamchef an Brett 6 kam zu seinem ersten Oberliga-Sieg! Wie üblich gab es auch gegen Johannes Lemke ein Evans-Gambit und jener überraschte Julian mit dem extravaganten Rückzug …Ld6. Im Laufe der Zeit konnte Julian aber lange verhindern, dass Schwarz sich ordentlich entwickeln konnte. Keine Premiere war, dass Julian in Zeitnot war. Zur rechten Zeit schlug sein taktisches Gespür zu und er gewann eine Qualität mit zusätzlicher Zerstörung des schwarzen Königsflügels. Mit wenigen Minuten auf der Uhr war zwar wie immer Zittern angesagt, aber Julian nahm wohl den Schwung von seinem letzten Turnierbesuch mit und kondensierte seinen Vorteil souverän zum Sieg.

Eine Premiere gab es bei mir, wenn man es streng nimmt, auch in vielerlei Hinsicht – mein erster Sieg in einer neu gespielten Variante, mein erster Sieg gegen Kevin Walter in einer langen Partie (nach meiner Niederlage in der BW-Liga-Saison 2013/14), aber gut war, dass es nicht mein erster Sieg überhaupt in der Saison war. Wie kam es? Als Vorbild dachte ich während der Partie an den Sieg von Carlsen über Ivanchuk 2007, bei welchem Carlsen mit einer schwarzfeldrigen Strategie dem Grünfeld-Inder den Zahn ziehen konnte. Ähnlich lief es bei mir ab: Ich spielte e4-e5, provozierte e7-e6 und h7-h5 und landete schließlich mit Springer auf d6 und Dame auf e7.


Das gefiel dem schwarzen Figurenklumpen Td8, Sd7 und Tf8 überhaupt nicht. Ironischerweise sorgte die c-Linie für die Entscheidung, als ich dort mit meinem Turm einbrach – im 15. Zug öffnete Schwarz diese Linie, um Gegenspiel zu suchen. Führung!

Beim Ausgleich gab es eine ungewollte Premiere. Jürgen verlor das erste Mal in dieser Saison nach einer mehr als solide gespielten Saison. In einem Londoner System-Verschnitt ließ er Weiß viele Fortschritte am Damenflügel machen, dafür ergriff er im Zentrum Raum. Objektiv stand Weiß jedoch immer besser und Silvio Lindner spielte das auch sehr gut und installierte einen äußerst gefährlichen Freibauern auf b7. Dieser kostete Jürgen eine Figur und es schien alles verloren, bis eine unerwartete Möglichkeit auftauchte:


Leider sah Jürgen die benötigte Fortsetzung nicht und verlor die Partie.

Robin sagte nach seiner Partie gegen den Sontheimer Mannschaftsführer Sören Pürckhauer erstmal, dass er nie wieder Damengambit spielen würde, revidierte seine Aussage aber gleich mit der Anmerkung, dass es nicht an der Eröffnung lag. In einem abgelehnten Damengambit verpasste Robin es im Tartakower, auf d5 zu nehmen. In der Folge hatte Schwarz vor allem am Damenflügel freies Spiel, während Robin sich daran machte, die vorgerückten schwarzen Bauern abzuarbeiten. Dabei verlegte Schwarz den Hauptschauplatz auf den Königsflügel und entwickelte eine unangenehme Initiative gegen den leicht enblößten weißen König. Gerade als Robin sich konsolidieren konnte, verrechnete er sich und verlor seine Dame gegen einen Turm. Da noch genug Bauern auf dem Brett waren, gab es keine Chance mehr, Sontheim ging in Führung.

Zu diesem Zeitpunkt zeichneten sich aber schon andere positive Entwicklungen ab. Patrick kam zu seiner Oberliga-Premiere und opferte gleich mal einen Bauern in einem Katalanisch-Verschnitt. Irgendwann fing der Gegner Michael Busch an zu schludern und plötzlich war nicht nur der Bauer weg, sondern auch beide Läufer und im Mittelspiel mit Läuferpaar vs. Springerpaar hatte Patrick alle Vorteile auf einer Seite. Als Patrick noch einen Bauern gewann, schien es vorbei zu sein. Gevatter Zeitnot macht aber allen Plänen einen Strich durch die Rechnung:


33. f4 hält die Stellung zusammen, auch wenn der entstehende Doppelbauer hässlich ist, ist er immer noch ein Freibauer. Patrick zauberte in beiderseitiger Zeitnot mit 33. Dc2??. Es folgte …Txe5 34. Dc8+ Sf8?? 35. Dxb7 +- und anschließendem Sieg Patricks. Sein Gegner übersah vollkommen, dass 34…Sd8 eine Mehrqualität behält (35. Td1 gewinnt immerhin den Springer) und mit dem b-Freibauern wäre es ein Schwarzsieg geworden. Patrick kam nach seinem 33. Zug der Schrecken, hatte jedoch noch einmal das Glück auf seiner Seite. Puh! Tief durchatmen.

Last man standing bzw. im Schach wohl eher „last man sitting“ war Niko gegen Martin Egle. Der aufregendste Moment bis zur Endphase war wohl, als Niko ein frühes weißes Remisangebot laut mit „Abgelehnt!“ aus der Hand schlug. In einem symmetrischen, für die Philidor-Verteidigung typischen Endspiel wurde viel herumlaviert, nur Niko schien aber Aktives zu unternehmen. Die Stellung sah auch „einfach remis“ aus, dafür wissen alle Schachspieler: Fehlt ein aktiver Plan, so wird aus „einfach remis“ häufig eine langwierige Qual. So auch hier. Niko konnte die h-Linie zu seinem Gunsten öffnen und drang mit seinem Turm auf h2 ein. Danach öffnete er eine Front am Damenflügel. Welche Taktik uns den Klassenerhalt brachte, könnt ihr selbst erraten:


Niko gewann und bei allen entlud sich die Spannung in Form von Jubel und Freude. Nunja, soweit Schachspieler halt jubeln können, es kommt zwar nicht ganz an die Stimmung der Mercedes-Benz-Arena heran, aber ich bin mir sicher, dass wir lauter waren als die Bayern-Fans bei ihren zahllosen Titelgewinnen 😉

Klassenerhalt! Noch einmal zum Mitlesen. Wir spielen auch 2017/18 in der Oberliga und peilen eine weitere Saison an, in welcher wir mit allen Mannschaften die Zielvorgaben erfüllen.
Der traurige Nebeneffekt war, dass wir höchstpersönlich dafür gesorgt haben, dass Sontheim/Brenz aus der Oberliga absteigt. Nach unten hin ist damit fast alles geklärt, Erdmannhausen wird höchstwahrscheinlich ebenfalls den Gang in die Verbandsliga Nord antreten müssen. Unsere Kollegen aus dem Unterland haben noch eine Mini-Chance, wenn sie gegen Jedesheim gewinnen und das direkte Duell gegen Schwäbisch Gmünd gewinnen, dafür muss Gmünd gegen Böblingen verlieren.
Okay, ganz rein theoretisch kann noch Schönaich in die Oberliga absteigen und uns einen dritten Abstiegsplatz bescheren…aber praktisch gesehen wird das GM-Ensemble wohl kaum absteigen.

Also trinken wir mal unseren wohlverdienten Champagner.

1. Mannschaft.


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