Manchmal fängst du den Bären…

Zwar steht unser nächstes Oberliga-Spiel bereits vor der Tür, dies hält Robin Stürmer nicht davon ab, von der schmerzhaften 2:6-Niederlage zuhause gegen Gmünd nachträglich zu berichten:

„Unsere Oberligaheimpremiere fing schon schlecht an – unseren Vorrat an Partieformularen mit Durchschlag hatten wir schon längst aufgebraucht und natürlich hatte nur der Zyklopenblender daran gedacht rechtzeitig Nachschub zu bestellen. Da Ulrich anderweitig Turnier spielte, durfte Enis an Brett Eins sitzen, worauf er stolz wie Oskar war.

Ich selbst hatte mit einer WIM zu tun und bemühte das altbewährte Rezept provozieren, stabilisieren, terminieren. Zu Beginn zwang ich sie viel Zeit zu investieren und konnte mir daher die anderen Partien anschauen, was alles noch ganz anständig aussah (Bis auf Julians und Simons unnötige Zeitverschwendung), doch im weiteren Verlauf musste ich mich gewaltig dahinter klemmen und als ich gewonnen hatte war der Rest allesamt den Bach runtergegangen. Daher orientiert sich mein Bericht dieses Mal nicht am live miterlebten, sondern an den PGNs.

Enis und sein Gegner produziertem im Engländer sehr früh völlig ungewohnte Strukturen, wofür sie beide enorm Zeit verbrauchten; Ich behaupte erst gar nicht nachvollziehen zu können, was sie sich alles überlegten: Mein Laienhaftes Urteil: Enis versucht oberschlau zu sein, und wurde von einer nach versteckteren Feinheit kalt erwischt. Dies resultierte in Entwicklungsvorteil, Zentrumskontrolle, Raumvorteil und allgemeiner Gewinnstellung für seinen Gegner.

Nico spielte eine vorbereitete viel zu lange Variante, an deren Ende blutleerer Ausgleich und Remis stand. Was soll das? Wenn man mit Weiß schon bis ins tiefe Mittelspiel vorbereitet, sollte am Ende wenigstens gewisser Druck oder dynamisches Spiel stehen, aber lahme Stellungen sind diesen Aufwand nicht wert (Ausnahme: Der Gegner ist nominell deutlich stärker, oder muss aufgrund der Turniersituation auf Gewinn spielen.).

An Brett 4 musste Adam erfahren, dass sich Spielstärke auf Dauer durchsetzt:
Nach der Eröffnung standen alle Läufer auf den langen Diagonalen (b2, g2, b7, f6), doch die übrigen Figuren standen bei Schwarz insgesamt etwas harmonischer. Nach der ersten Abtauschwelle hatte Schwarz zwar einen Doppelbauern aber dafür Raumvorteil und aktives Druckspiel. Bei der Abwicklung ins Turmendspiel gewann Schwarz einen Bauern, aber sein Doppelbauer wurde isoliert, und Adam’s König stand aktiv. Ich bin sicher, er hätte mit diesem Pfand wuchern sollen, doch stattdessen beging er die Todsünde der Turmendspiele und zog sich passiv zurück. Selbst falls diese Stellung theoretisch remis sein sollte, gibt sie unter Partiebedingungen dem stärkerem Spieler einen sicheren Sieg.

Christian experimentierte im Franzosen (Tarrasch, verzögerter Vorstoß) mit der langen Rochade nach Öffnung der C-Linie, was mir zwar verdächtig vorkommt, möglicherweise aber tatsächlich als provokative Idee Berechtigung hat. Interessanterweise entschied nicht der Sturm auf die Königsstellung, sondern die französische Erzkrücke hinter den eigenen Bauern. Dieser Läufer ist bekanntlich so schlecht, dass man ihn nicht opfern, sondern nur einstellen kann. Nachdem dies geschehen war schleppte Christian das hoffnungslose Endspiel noch sehr lange, wohl weil er sich erinnerte, dass durch aufgeben, noch nie eine Partie gerettet worden ist.

Julian hatte Mal wieder einen c3-Sizilianer, stand mal wieder nach der Eröffnung leicht besser, verschwendete mal wieder Unmengen Zeit um submikroskopische Unterschiede zwischen dem besten und zweitbesten Zug herauszuarbeiten, verlor mal wieder den Faden, und verpatzte mal wieder in Zeitnot. Das nächste Mal frag ich den Schiedsrichter , ob ich dich schlagen darf, oder ob das eine unzulässige Beeinflussung der Partie ist.

Auch Simon Weißbeck verteidigte sich französisch, wurde aber königsindisch angegriffen. In dieser Variante ist er vor Jahren gegen Erdmannhausen von Hüttig gewaltig durch den Fleischwolf gedreht worden. Auch Simon verbrauchte in der Eröffnung entschieden zu viel Zeit, insbesondere, da sein Gegner bei der gemeinsamen Analyse meinte, bis fast zum zwanzigsten wäre noch alles Theorie gewesen (glaub ich aber nicht, den Te8 kann unmöglich der beste gewesen sein.). Der Gegner brachte ein hochspekulatives Bauernopfer gegen Simons Königstellung und es wurde richtig interessant. Ich hätte an Simons stelle sowohl die Verteidigung am Königsflügel, als auch den Gegenangriff am Damenflügel anderes organisiert, aber so falsch sah Simons Paln auch nicht aus. In der Taktischen Phase spielten beide etwas ungenau, am Schluss hatte Simon zwei Mehrbauern und den Angriff fast abgeschlagen, da rächte sich seine anfängliche Zeitverschwendung: Er übersah die letzte Angriffsressource und vergab mit Lb7-a6-c8 das partieentscheidende Tempo.

Am letzten Brett schließlich wurde beiderseits konsequent verteidigt und nach der Zeitkontrolle remis vereinbart. Da unser Nachwuchssimon nominell klar schwächer war, ist dies bei seinem ersten Oberligaeinsatz (ich hab darauf fast zwanzig Jahre länger warten müssen) durchaus ein Achtungserfolg.

Somit stand am Schluss eine verdient hohe 2:6 Niederlage. Wenn wir uns weiterhin so präsentieren, haben wir in der Oberliga nichts verloren. Die gute Nachricht ist, aber dass wir, selbst wenn wir absteigen, immer noch höher spielen, als noch vor 4 Jahren. Und bis dahin ist jeder halbe Brettpunkt ein Erfolg.“

Noch ist aber nicht aller Tage Abend und wir treten am Sonntag bei den ebenfalls schwächelnden Stuttgarter Schachfreunden an. Sie sind zwar ebenfalls nominell eindeutig stärker, das hat sie jedoch nicht davon abgehalten, bis jetzt nur einen Mannschaftspunkt zu holen. Man darf gespannt sein!


Kommentare

Manchmal fängst du den Bären… — 2 Kommentare

  1. Anscheinend formatiert die Homepage pgns anders, als mein primitives Uraltsharewareprogramm:
    Mein Satz zu 16. … Lh6 sollte eigentlich hinter den ganzen Varianten stehen, statt davor;
    nach 21. Dd2 sollte der in eckigen Klammern stehende Satz eigentlich nicht ganz am Ende, sondern zwischen „hier“ und „Bei“ stehen.
    Zuletzt sollte nicht „normal, sondern „aufgegeben“ stehen.
    Außerdem hab ich noch ein paar Tippfehler bemerkt, welche ich beim Korrekturlesen übersehen habe.

    • Hallo Robin,

      auch wenn es spät kommt: Zunächst einmal Danke für den Bericht und die Anmerkungen! Das pgn habe ich bearbeitet (und gleich mal einen neuen pgn-Betrachter ausprobiert, der optisch hoffentlich etwas ansprechender ist). Wenn du mir sagst, wo die Rechtschreibfehler sind, kann ich diese auch noch korrigieren.

      Grüße
      Ramin

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