Dramatik in Ottmarsheim: 1. Mannschaft wird Vizemeister der Landesliga

Am Sonntag fand in Besigheim-Ottmarsheim die zentrale Schlussrunde der Landesliga Unterland sowie den Bezirksligen Nord und Süd statt. Bei diesem Event waren wir mit unseren ersten beiden Mannschaften im Einsatz. Während die 2. Mannschaft sich im sicheren Mittelfeld befand und weder auf- noch absteigen konnte, hatte die 1. Mannschaft immerhin eine sehr geringe theoretische Möglichkeit, den Aufstieg zu schaffen. Leider waren beide Teams stark ersatzgeschwächt, sodass die 2. Mannschaft nur zu fünft gegen die starken Bad Wimpfener antraten und dieses Spiel mit 2:6 verloren.

Wider Erwarten wurde es in der Landesliga aber nochmal richtig spannend, wie Robin Stürmer zu berichten weiß:

Vor der gemeinsamen Endrunde in Ottmarsheim lag Marbach mit zwei Mannschaftspunkten Vorsprung klar auf Aufstiegskurs; da sie gegen den sicheren Absteiger Erdmannhausen ja wohl kaum straucheln würden, war unser Ziel, halt noch den zweiten Platz vor Lauffen zu verteidigen: Wir hatten zwar einen Brettpunkt mehr, doch Lauffen würde gegen den anderen sicheren Absteiger (Biberach) einfacheres Spiel haben als wir mit Neckarsulm (immerhin temporärer Tabellenführer). Verschärft wurde die Situation noch dadurch, dass wir sehr ersatzzerfleddert nur zu siebt antreten konnten.
Dank nominellen Heimrechts ließen wir mit dem ersten ein Schwarzbrett frei. Ich besiegte Thomas Mädler recht zügig im geschlossenen Sizillianer und hatte daher ausgiebig Zeit, die anderen Partien und Mannschaftskämpfe zu begutachten.

Die erste dicke Überraschung war, dass die Favoriten beim Zieleinlauf Nerven zeigten, beziehungsweise die Erdmännchen sich nicht sang- und klanglos aus der Landesliga verabschieden wollten: Schon nach ungefähr 2 Stunden war abzusehen, dass Marbach verlieren würde. 3 Symptomatische Partien:

An Eins wurde die klassische Zweispringerspielvariante mit dem schwarzem Bauernopfer für sehr aktives Spiel diskutiert. Der Erdmannhäuser Hüttig wählte einen hochgradig unorthodoxen Aufbau, der fast noch abbartiger aussah als der Unfug, den man von mir gewohnt ist. Obwohl Dr. Lach viel Zeit investierte, fand er kein probates Gegenmittel und spätestens nach der langen weißen Rochade war der Sieg abzusehen.
An Zwei hatte in einer eher unklaren königsindischen Struktur Weiß (Marbach) die langfristigen Trümpfe, aber Schwarz viel aktive Dynamik. Ich hatte den Eindruck, dass immer derjenige, der gerade gezogen hatte, schlechter stand, was für die Dramatik aber gegen die Qualität der Partie spricht. Schließlich bekamen sie ein Turmendspiel mit ausreichend vielen schwarzen Mehrbauern. Und jetzt habe ich grad auf der Ergebnisseite gelesen, dass dieser Gurkerich trotzdem nur Remis rausgeholt hat.

An Brett 6 griff Daniela Schäfer (das Mädel, das sich gegen Jürgen sehr lange aber letztendlich vergeblich zur Wehr gesetzt hatte) munter an und der Marbacher konnte seinen König nur retten, in dem er seine Dame für einen bloßen Läufer gab. Seltsamerweise fand sie aber keine Möglichkeit, diesen gewaltigen materiellen Vorteil zielführend einzusetzen, während Schwarz seine Figuren stetig aktivierte und gewaltigen Druck auf die weiße Königsstellung ausübte. Der König floh zwar in die relative Sicherheit der Brettmitte, doch blieb da immer noch ein Freibauer auf h2. Ich war der Meinung, dass Schwarz nun alle weißen Figuren mit Ausnahme der Dame passiv binden konnte, was, da eine einsame Dame gegen lauter gedecktes Zeug nichts ausrichten kann, zum Remis hätte reichen sollen. aber anscheinend wollte er sogar noch gewinnen und das ist dann gegen Dame mit Mehrdame etwas zu größenwahnsinig.

Da Marbach tatsächlich gestrauchelt war, waren wir völlig überraschend wieder im Rennen; jetzt ging es um die Brettpunkte. Leider legte Lauffen sehr früh 5:0 vor (unter anderem ein zwölfzügiger Schwarzsieg am ersten Brett), während es bei uns nicht so überzeugend lief:

Christian hatte mal wieder keine Ahnung, wie er seine Eröffnung (diesmal Meraner) stratregisch korrekt behandeln sollte und stand deshalb innerhalb kürzester Zeit völlig eingedost. Er spuckte eine Qualität, um dem schlimmsten Angriff die Spitze zu brechen, stand aber immer noch schlechter. Zähe Verteidigung ist glücklicherweise einer der Bereiche, in denen Christian viel Übung hat. Irgendwann musste er zwar noch einen Bauern hergeben, konnte dafür aber immerhin eine Festung (wohl eher eine verstärkte Pappschachtel) aufbauen. Als er auch noch ein paar Scheindrohungen antäuschte, bekam er tatsächlich ein sehr überraschendes Remisangebot, das er überglücklich annahm.

Patrick demolierte seinen Gegner komplett; entweder jener war für diese Liga zu schwach, oder da tritt jemand in die Fußstapfen seines großen Bruders.

Marcel stand zwar durchweg überlegen (zumindest optisch), doch war nie wirklich was drin und seine Zeit war auch nicht so toll. Als er ein Remisangebot bekam, hatten wir noch nicht wirklich realisiert, dass doch wieder Aufstiegschanchen bestanden, und er nahm an.

Tobias hatte eine dieser Mittelspielstellungen mit ungleichfarbigen Läufern, die weder richtig geschlossen noch richtig offen sind. Solche Stellungen sind zwar schwer zu spielen, geben dem besseren Spieler aber auch reichlich Möglichkeit diesen Anspruch zu untermauern. Gerade als Tobias deutlichen Vorteil eringen konnte, stellte er einzügig seinen wichtigsten Bauern ein und musste dann froh sein, noch ein Remis zu haben. Er hat sich natürlich gewaltige Vorwürfe gemacht, woraufhin ich ihm erstmal erklärte, dass ich gegen Marbach und Ingersheim jeweils Stellungen auf dem Brett hatte, die ich normalerweise sehr gerne und sehr gut behandle.

Julian war es mit extrem riskantem und scharfem Provokationsschach gelungen ein gewonnenes Endspiel zu erreichen. Jetzt weiß ich, wie sich die Zuschauer oft bei meinen Partien fühlen müssen.

Ramin hatte zwar eine schöne Druckstellung aber mal wieder den Fehler begangen zu viel Zeit unnötig zu verplempern. Und dann bringt er den entscheidenden Durchbruch augerechnet zu Beginn der Zeitnotphase. So was muß schiefgehen. Nach der Zeitkontrolle verblieb ihm ein Minusbauer im Turmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern: eine mühsame Verteidigunsaufgabe. Anstatt erstmal mit den Bauern am Königsflügel zu marschieren, probierte der Gegner ein Turmmanöver. Dies erlaubte Ramin Gegenspiel zu suchen, in dem er seinen eigenen Freibauern laufen ließ. Obwohl die Stellung noch ziemlich unklar war, gab der Gegner daraufhin frustriert auf und verließ fluchtartig den Turniersaal.

Somit hatten wir 5,5:2,5 gewonnen. Lauffen führte 6:0 , doch die Biberacher Hubert Warsitz und Eugen Holzinger hatten erstaunlich gute Stellungen. Wenn Lauffen beide Partien Remis hält, sind sie aufgestiegen, verlieren sie jedoch eine Partie, so herrscht auch Brettpunktegleichheit und es gibt einen Stichkampf. Das Turmendspiel am dritten Brett war (wie angeblich alle Turmendspiele) remis. Nun scherten sich wahre Menschentrauben um die letzte noch laufende (und aufstiegsentscheidende) Partie. Ich selbst mute meinen schwachen Nerven sowas nicht mehr zu, doch Berichten zufolge war es ein hochdramatisches Duell und des Anlaßes wahrlich würdig: Finesse traf auf Riposte, Heimtücke auf Zwischenzug; am Ende erreichte Big Pommes aufs Tempo genau den rettenden Remishafen und sicherte Lauffen den Aufstieg. Gratulation; wir hätten es nicht verdient gehabt.

 

(Auch auf der Seite des Schachbezirks Unterland gibt es einen Bericht)


Kommentare

Dramatik in Ottmarsheim: 1. Mannschaft wird Vizemeister der Landesliga — 3 Kommentare

  1. Bravo Robin,

    mal wieder ein gelungener und auch inhaltlich sehr treffender Bericht trotz des unschönen Anlasses. Mein Favorite dieses Mal: die festungsähnliche Pappschachtel (oder war es eine pappschachtelähnliche Festung?) 😀

    Nur mit einem bin ich nicht ganz einverstanden: dass wir es nicht verdient gehabt hätten. Klar, wir haben gegen Ingersheim, Marbach und Lauffen unglaublichen Mist gebaut, aber über die ganze Saison betrachtet, denke ich, wir haben eine starke Leistung gezeigt. Nur mal so zum Vergleich: wir haben 3 mal – + abgeschenkt, und nur einmal + – geschenkt bekommen. Lauffen hat quasi immer mit den ersten 8 gespielt und sogar zweimal + – einkassiert. Wenn man das aufrechnet, sind das immerhin 4 glatte Partien. Wenn man jetzt noch sieht, dass wir am Ende nur einen halben Brettpunkte hinten dran waren…

    Und man darf auch nicht vergessen, dass wir fast 20 Jugendspielereinsätze hatten, während Lauffen und Marbach alle Spiele mit gestandenen Landesliga und Ex-Verbandsligaspielern bestritten haben! Dafür sind 45.0 Brettpunkte aus doch eigentlich wirklich nicht schlecht, oder?

    Ja.. das mit dem Provokationsschach. Irgendwie wusste ich schon bei der Partie, dass der Computer bei 9. …g5?! nur Blut und Galle spucken konnte. Tut er auch. Dabei waren deine und Philipps Eingebung 10. d5! die richtige, wobei aber auch der Zug meines Gegners, 10. e5! prinzipielle eine gute Erwiderung gewesen wäre, wenn er die richtige Fortsetzung gefunden hätte.

    Danach habe ich immerhin eine Zeit lang richtig weitergespielt; dass ich das Springeropfer auf f7 nicht angenommen habe, gefällt dem PC zwar nicht (es hätte zum Dauerschach geführt), aber ich wollte ja gewinnen und bin deshalb mit meiner Erwiderung 16… Dxh2+!? auch nicht unzufrieden. In der Folge hätte er nur einen Vorteil herausholen können, wenn er den hängenden Läufer auf b7 NICHT genommen hätte! Timeo Danaos et dona ferentes… 😉 Danach ging mein Plan voll auf und der Vorteil wurde immer größer.

    Grüße

  2. Wenn man 3 von 9, also ein Drittel aller Mannschaftskämpfe versiebt, hat man den Aufstieg nicht bverdient. Was du danach ausführst, sind Ausreden bzw, Gründe und in gewissem Maße auch Anlaß für zukünftige Hoffnung; Aber nicvhts davon hätte uns einen Anspruch auf die Meisterschaft gegeben.

  3. Ich würde nicht so weit gehen, die von Julian genannten Gründe (oder vielleicht besser: Faktoren) als Ausreden zu bezeichnen.
    Einen Anspruch auf die Meisterschaft hat letztendlich einfach die Mannschaft, die entweder gegen alle anderen gewinnt oder sich anderweitig als beste Mannschaft der Liga herausstellt, d.h. in der Landesliga: Wer mehr Mannschafts- und Brettpunkte holt als der Rest. Andere Argumentationen sind meiner Meinung nach weniger aussagekräftig und auch nicht eindeutig.
    Natürlich könnte man sagen „Wer ein Drittel aller MKs versiebt, hat den Aufstieg nicht verdient“ und hätte auch nicht Unrecht (wobei ich der Meinung bin, dass uns Lauffen insgesamt genauso viele halbe Punkte geschenkt hat wie wir ihnen, also haben wir wohl nur 2/9 MKs versiebt). Aber Lauffen hat ja im Endeffekt auch nur 0.5 Brettpunkte mehr geholt als die Mannschaft, die mit 2-3 versiebten MKs den Aufstieg nicht verdient gehabt hätte. 😉
    Es war halt eine wirklich verrückte, umkämpfte Saison, in der einfach Jeder Jeden schlagen konnte und dies auch oft genug getan hat. Und von den drei Mannschaften, die am Ende (mannschafts-)punktgleich vorne waren, hätte es auch meiner Meinung nach jede verdient gehabt aufzusteigen: Wir haben mit vielen Einsätzen unerfahrener Jugendlicher und netto zwei verschenkten Kampflosen nur 0.5 BP Rückstand auf den Meister, Lauffen hat als Einziges diese Liga ungeschlagen überstanden und Marbach hat als Einziges gegen einen direkten Konkurrenten gewinnen können.
    In diesem Sinne sollten wir also Lauffen zur verdienten Meisterschaft gratulieren, ohne uns selber unnötig schlecht zu reden.

    Unsere Jugendlichen werden auch von Jahr zu Jahr stärker, was, wie Robin sagte, ein Anlass für Optimismus ist. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir es in den nächsten Jahren auch wieder mal schaffen werden, in die Verbandsliga aufzusteigen (und uns vielleicht sogar zu halten 😉 ).

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